Dr. Marco Henry Neumueller und Pascal Philipp Buck (Odgers Berndtson)

Die Balance zwischen Tradition und Wachstum: Familienunternehmen im Fokus von Private Equity

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von Dr. Marco Henry Neumueller und Pascal Philipp Buck

Familiengeführte Unternehmen gewinnen zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz. Diese gesteigerte Aufmerksamkeit resultiert aus ihrer bedeutenden Rolle als treibende Kraft in der modernen Wirtschaft. Jedoch sehen sich Familienunternehmen mit einer Vielzahl unternehmerischer und familiärer Herausforderungen konfrontiert. Interne Spannungen, Fragen zur Nachfolgeplanung und Finanzierungsengpässe stellen nur einige der komplexen Probleme dar, denen sie gegenüberstehen.

Die Debatte über die Eignung von Private Equity für Familienunternehmen leidet oft unter einer undifferenzierten Betrachtung. Oft entsteht dabei der Eindruck, dass Konflikte zwischen Private-Equity-Gesellschaften und Familienunternehmen unvermeidlich sind. Da sowohl die Art der Beteiligung als auch die Wahl der beteiligten Private-Equity-Gesellschaft erhebliche Auswirkungen auf das Familienunternehmen haben können, ist eine differenzierte Betrachtung der Private-Equity-Finanzierung stets unerlässlich.

Die Beziehung zwischen Familienunternehmen und Private Equity hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Familienunternehmen suchen zunehmend nach externem Kapital, um Wachstumschancen zu nutzen, Nachfolgefragen zu lösen oder sich gegen externe Bedrohungen zu wappnen. Private-Equity-Firmen wiederum sehen in Familienunternehmen attraktive Investitionsmöglichkeiten, da sie oft stabile Cashflows und/oder eine starke Marktposition aufweisen.  

Das Nachfolgedilemma 

Laut aktuellen Studien steht eine beträchtliche Anzahl von Familienunternehmen vor einem Generationswechsel. Eine Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn ergab, dass in Deutschland bis zum Jahr 2026 etwa 190.000 Familienunternehmen vor einer Übergabe stehen werden. Diese Zahl verdeutlicht das Ausmaß der bevorstehenden Herausforderung.

Ein wesentliches Problem ist der Mangel an qualifizierten Nachfolgern. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) geben mehr als die Hälfte der befragten Familienunternehmen an, dass es schwierig ist, geeignete Nachfolger zu finden. Dieser Trend ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern findet sich weltweit in vielen Familienunternehmen.

Es gibt verschiedene Gründe, warum es an geeigneten Nachfolgern mangelt. Zum einen wählen viele potenzielle Nachfolger alternative Karrierewege außerhalb des Familienunternehmens, sei es aufgrund fehlenden Interesses, unterschiedlicher Berufsziele oder mangelnder Bereitschaft, das Unternehmensrisiko einzugehen. Zum anderen können interne Familienkonflikte, unklare Nachfolgepläne oder mangelnde Vorbereitung potenzieller Nachfolger die Suche nach einem geeigneten Kandidaten erschweren.

Private Equity kann Familienunternehmen bei der Lösung des Nachfolgeproblems auf mehreren Ebenen unterstützen. Erstens können Private-Equity-Investoren das erforderliche Kapital bereitstellen, um den Übergangsprozess zu finanzieren. Zweitens bringen sie Fachkenntnisse und Erfahrung ein, um den Übergang effektiv zu planen und durchzuführen. Drittens können sie dazu beitragen, das Managementteam zu professionalisieren und langfristige Werte zu schaffen. Schließlich bieten viele mittelstandsorientierte Private-Equity-Firmen eine langfristige Perspektive (Stichwort: Evergreen Fonds/Buy-and-Build-Strategie) und Unterstützung, um die Kontinuität des Unternehmens sicherzustellen.

Die Auswahl des Top-Managements nach einer Mehrheitsbeteiligung 

Übernimmt eine Private-Equity-Gesellschaft ein Familienunternehmen komplett oder zumindest mehrheitlich, markiert dies oft einen Wendepunkt in der Geschichte des Unternehmens. In solchen Übergangsphasen spielt die Auswahl des Top-Managements und Beirats eine entscheidende Rolle für den langfristigen Erfolg.

Pascal Philipp Buck, Principal bei Odgers Berndtson Germany

Executive-Search-Beratungen übernehmen dabei eine wichtige Funktion, da sie die spezifischen Anforderungen beider Seiten verstehen und bei der Identifizierung und Platzierung von qualifizierten Führungskräften unterstützen können.

Nach der Übernahme durch eine Private-Equity-Gesellschaft stehen die Entscheider oft vor der Herausforderung, das richtige Management Board zu finden. Neben den CEOs gehören die CFOs zu den Positionen, die am häufigsten nachzubesetzen sind. Die Anforderungen an das Management Board sind hoch. Neben funktionaler Expertise nimmt Vorerfahrung im PE-Umfeld, gerade für CFOs, eine relevante Position ein. Um den Erfolg eines Portfoliounternehmens sicherzustellen, greifen PE-Unternehmen auch auf branchen- bzw. funktional-orientierte Beiräte zurück, die nicht selten – dann übergangsweise – aus den Alteigentümern bestehen. Im Kern lassen sich vier Parameter identifizieren, die die Relevanz von Beiräten unterstreichen:

  1. Strategische Beratung und Fachwissen: Beiräte bringen ein breites Spektrum an Erfahrungen und Fachkenntnissen mit, die den Unternehmen zugutekommen können. Durch ihre strategische Beratungsleistung können sie den Vorstand und das Management bei wichtigen Entscheidungen unterstützen.
  2. Netzwerke und Verbindungen: Beiräte verfügen über umfangreiche Netzwerke von Kontakten in verschiedenen Branchen und Märkten. Diese Verbindungen können für Portfoliounternehmen äußerst wertvoll sein, sei es bei der Akquise neuer Kunden, der Erschließung neuer Vertriebskanäle oder der Suche nach potenziellen Partnern für strategische Allianzen. 
  3. Governance und Risikomanagement: Beiräte spielen auch eine nennenswerte Rolle bei der Verbesserung der Governance-Strukturen und des Risikomanagements in Portfoliounternehmen. Sie können dazu beitragen, klare Richtlinien und Prozesse einzurichten, um die Compliance mit gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen und potenzielle Risiken zu identifizieren und zu bewältigen.

Die Rolle von Minderheitsbeteiligungen in Sondersituationen

Minderheitsbeteiligungen von Private Equity in Familienunternehmen haben sich in den letzten Jahren als attraktive Option für beide Seiten erwiesen. Diese Partnerschaften bieten Familienunternehmen zusätzliches Kapital und Expertise, während Private-Equity-Investoren von langfristigen Wachstumschancen und stabilen Cashflows profitieren können, ohne die volle Kontrolle zu übernehmen.

Für Private-Equity-Investoren bieten Minderheitsbeteiligungen an Familienunternehmen attraktive Anlagechancen mit geringerem Risiko im Vergleich zu Mehrheitsbeteiligungen. Durch eine breitere Diversifizierung ihres Portfolios können sie ihre Abhängigkeit von bestimmten Branchen oder Sektoren reduzieren und ihre Renditen optimieren. Gerade in besonderen Situationen wie geplanten Wachstumsschüben, Restrukturierungen oder Generationswechseln können Familienunternehmen einen signifikanten Kapitalbedarf haben.

Um die Vorteile von Private Equity optimal zu nutzen und Risiken zu minimieren, sollten Familienunternehmen eine strategische Herangehensweise wählen. Dazu gehören die sorgfältige Auswahl der richtigen Investoren, klare Kommunikation der Ziele und Erwartungen sowie eine transparente Governance-Struktur, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.

Dr. Marco Henry V. Neumueller, Partner bei Odgers Berndtson Germany.

Außerdem ist es wichtig, dass die Finanzierung durch Private Equity in die langfristige Strategie und Unternehmenskultur des Familienunternehmens integriert wird. Es gilt sicherzustellen, dass die Werte und Ziele beider Seiten übereinstimmen und dass die Zusammenarbeit auf Vertrauen und Respekt basiert.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es durchaus Situationen gibt, in denen es sinnvoll sein kann, sich als Familienunternehmen gegenüber Private Equity etwas offener zu geben. Auf der anderen Seite werden Finanzinvestoren weiterhin Aufklärung betreiben müssen, ihre Ziele und Arbeitsweisen transparenter gegenüber Familienunternehmern zu kommunizieren. Wenn das Wertegerüst passt, können beide Seiten profitieren und das volle Potential einer Zusammenarbeit ausschöpfen.

In der Vergangenheit schien ein (Teil-) Verkauf für zahlreiche Familienunternehmer kaum in Betracht zu kommen, doch heutzutage wird er zumindest als eine denkbare Möglichkeit bewertet. Laut einer aktuellen Umfrage von PwC betrachten 90 Prozent der befragten Familienunternehmer die Beteiligung eines Private-Equity-Investors als eine potenzielle Option. Vor einem Jahrzehnt lag diese Bereitschaft lediglich bei 61 Prozent, und im Jahr 2011 sogar nur bei 18 Prozent. 

In Anbetracht der Komplexität einer Top-Management- und Beiratsbesetzung im Private Equity-Kontext  beraten wir Sie gerne. Als eines der ältesten und weltweit führenden Executive Search & Leadership Advisory Unternehmen können wir auf einen diversifizierten Kandidaten:innen-Pool zurückgreifen, um Sie mit den entscheidenden Senior Executives zu verbinden.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf ODGERS BERNDTSON.