Dr. Rainer Lehnen, Alexander Küster, Dr. Marco Henry Neumueller (Familienunternehmen Küster)

FiFo Talk mit Dr. Rainer Lehnen und Alexander Küster über die aktuellen Herausforderungen eines Automobilzulieferers, Ratschläge für NextGens und die Etablierung eines Beirats als Konfliktpräventionstool

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Dr. Rainer Lehnen ist CEO und Alexander Küster Head of Strategic Controlling der Küster Holding GmbH in Ehringshausen (Hessen).

Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Lehnen, Sie sind nun seit einem Jahr Group CEO der Küster Holding. Was für ein Unternehmen haben Sie bei Start vorgefunden und mit welchen Herausforderungen haben Sie aktuell zu kämpfen?

Rainer Lehnen: Lieber Herr Neumueller, zunächst möchte ich Ihnen ganz herzlich danken, dass Alexander Küster und ich im Rahmen Ihres Formats dieses Interview geben können. Sie haben Recht, inzwischen habe ich mein Einjähriges bei Küster feiern können und möchte sagen, dass ich sehr froh bin, an dieser zentralen Stelle dazu beitragen zu können, ein so traditionsreiches und interessantes Unternehmen auch weiterhin erfolgreich aufzustellen. Ich habe ein solides und sehr innovationsstarkes Unternehmen vorgefunden, welches seit nunmehr fast einhundert Jahren Mobilität maßgeblich mitgestaltet. Wir sind Teil einer Industrie in Transformation, die sehr deutlich, gerade aus deutscher Sicht, in eine Richtung vorangetrieben wird, wobei viele Herausforderungen und Fragezeichen bestehen, die gelöst werden müssen. Dies macht die Zeitachse besonders anspruchsvoll, und somit ist hier Kurs zu setzen eine besondere Herausforderung für uns, der wir uns natürlich stellen, die mit besseren und planbareren Rahmenbedingungen jedoch leichter umsetzbar wäre. Ich spreche hier von Investitionen, Märkten, Antriebstechnologien, den richtigen Talenten zur rechten Zeit und genereller Planungssicherheit gleichermaßen. Ach ja, überlagert wird das Ganze von dynamischen Märkten und nach wie vor deutlichen Restriktionen durch eingeschränkte Halbleiterverfügbarkeiten.

Marco Henry Neumueller: Herr Lehnen, wenn wir den Blick in die Zukunft richten, was haben Sie mit Küster vor? Wie ist der mittel- und langfristige Plan?

Rainer Lehnen: Küster bewegt. Gestern, heute und morgen! Wie bereits erwähnt, seit fast einhundert Jahren. Wir machen Mobilität sicher und komfortabel. Dies gilt für unser ganzes Portfolio: Antriebskabel, Türsysteme, Schaltungen sowie modernste komplexe Aktuatorik. Dabei sind wir heute bereits in allen Märkten der Triade erfolgreich unterwegs. Mein Ziel ist es, diesen Absprungpunkt zu nutzen und den starken Heimatmarkt wie auch Wachstumschancen in den globalen Märkten konsequent zu nutzen. Hierbei werden wir auch neue Marktchancen, wie z.B. Indien, nicht außer Acht lassen. Dabei werden wir grundsätzlich an unserem Portfolio festhalten, uns aber gleichermaßen auch an den globalen Kundenbedürfnissen ausrichten. Ein wesentlicher Schwerpunkt für die Mittel- und Langfrist liegt dabei auf der Aktuatorik.

Gleichermaßen bewegt Küster auch Menschen – Kunden, Lieferanten und zuallererst unsere Mitarbeiter. Im Kampf um die richtigen Talente sind auch wir immer stärker gefordert, uns klar zu positionieren und als starke globale Arbeitgebermarke am Markt zu agieren.

Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Küster, Sie sind ein klassischer Vertreter der Next Generation und aktuell als Head of Strategic Controlling bei Küster tätig. Was hat Sie bewogen nach einigen Jahren in einer Unternehmensberatung in das eigene Unternehmen zu wechseln? War das schon immer Ihr Wunsch oder welche Faktoren spielten eine Rolle für diese bewusste Entscheidung?

Alexander Küster: Der Wunsch, dies zu tun, bestand im Grunde schon lange, aber der Zeitpunkt dafür war anfänglich nicht so früh geplant. Dass wir es so gestaltet haben, hatte im Wesentlichen zwei Komponenten. Zum einen hatte der Beraterjob während der Corona-Zeit aufgrund von Reisebeschränkungen und fehlendem Kundenkontakt an Attraktivität verloren. Von dieser Seite her gab es also schon den Wunsch nach einer Veränderung. Andererseits war der Reiz, im eigenen Unternehmen Verantwortung zu übernehmen, mitzugestalten und natürlich viel zu lernen, für mich groß. Gleichzeitig wollte ich aber auch wissen, wie meine Familie das einschätzen würde. Also haben wir den Aufhänger meines Veränderungswunsches aufgegriffen und besprochen, wie der zukünftige Weg aussehen könnte. Im Gespräch wurde deutlich, dass auch in meiner Familie der Wunsch besteht, dass ich eine Funktion im Unternehmen übernehme. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in naher Zukunft einige Veränderungen bei Personen anstanden, die das Unternehmen über viele Jahre geprägt hatten. Diese Menschen und ihr Wirken im Unternehmen kennenzulernen, war eine Chance, die ich unbedingt nutzen wollte, um mehr über das „Wie“ bei Küster zu lernen.

Marco Henry Neumueller: Viele Vertreter der Next Generation tun sich schwer, wenn Sie darüber nachdenken, ob Sie den Weg ins eigene Unternehmen gehen sollen. Was würden Sie sozusagen Ihrer Generation als Empfehlung an die Hand geben? Wie können sie diesen inneren Zielkonflikt lösen? Welche Fragen sollten sie sich stellen?

Alexander Küster: Das ist auch keine leichte Entscheidung, denn es geht in der Regel um viel mehr als nur um einen beruflichen Schritt. Ich denke, die Fragen und sicherlich auch einige Bedenken sind sehr individuell. Was mir geholfen hat, war, im Vorfeld viele Gespräche zu führen und neben meiner Familie auch Meinungen aus meinem engen Freundeskreis einzuholen, wie sie diesen Schritt sehen. Aus dieser Außensicht ergaben sich für mich Perspektiven, die mich in meiner Entscheidung, den Schritt ins Familienunternehmen zu wagen, bestärkt haben.

In diesem Zusammenhang würde ich jedem, der sich in der privilegierten Lage befindet, eine solche Entscheidung treffen zu können, drei Dinge empfehlen. Erstens: Welche Rolle will ich im Unternehmen übernehmen und habe ich bereits die richtigen Werkzeuge, um diese Rolle auszufüllen. Ein gewisses Maß an Anspannung ist sicher nicht schädlich für die eigene Entwicklung, aber wenn die Diskrepanz zu groß ist, wird sie ungesund – für das Unternehmen, aber nicht zuletzt auch für einen selbst. Meine zweite Empfehlung ist, das Gespräch mit der Familie zu suchen und klar zu kommunizieren, was ich für meinen Einstieg brauche und wo meine Bedenken liegen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich hier die richtige Unterstützung habe, kann ich viel souveräner handeln. Natürlich ist es notwendig, sich genügend Zeit für diese Gespräche und die Reflexion zu nehmen – es braucht also ausreichend Vorlauf. Der dritte Punkt, den ich empfehlen kann, ist eine professionelle Begleitung des Prozesses. Ein erfahrener Sparringspartner, der mit einer gewissen Distanz auf die Dinge schaut und schon mehrere Nachfolgeprozesse begleitet hat, kann an vielen Stellen sehr hilfreich sein. Ich habe dies mit Dr. Leonhard Fopp getan, der mir in dieser Phase eine sehr gute Unterstützung war. Vor allem die nötige Distanz zu oft emotionalen Konfliktthemen in der Nachfolge zu finden, um sie sachlicher zu verarbeiten und Erwartungen richtig zu managen.
Wenn die Entscheidung einmal gefallen ist, kann ich nur jedem raten, sich von dem Gedanken zu lösen, dass immer alles sofort klappt. Eine solche Veränderung ist eher ein Marathon als ein Sprint, und Höhen gibt es auf diesem Weg mindestens so viele wie Tiefen.

Marco Henry Neumueller Familienunternehmen zeichnet immer eine besondere Kultur aus. Herr Lehnen, wie würden Sie die Kultur bei Küster beschreiben?

Rainer Lehnen: Dies habe ich gleich in meinem ersten Interview nach meinem Start kommentiert. Die Küster-Kultur ist getragen von Loyalität und einer langjährigen Betriebszugehörigkeit. Offene Töne, gerade wenn es mal kritisch wird, werden in angemessener Art formuliert. Das halte ich für wichtig, und das hat mich unmittelbar begeistert. Gleichermaßen unterliegt Zusammenarbeit immer auch dem Wandel, gerade innerhalb einer Transformation. Schwerpunkte wandern, verschieben sich zum Teil deutlich. Dies erfordert auch, dass wir unser Miteinander ändern und anpassen, um auch weiterhin umsetzungsstark und lösungsfokussiert unsere Kundenpartnerschaften leben zu können.

Marco Henry Neumueller: Als familienfremder Geschäftsführer in einem Familienunternehmen tätig zu sein, ist immer auch eine besondere Herausforderung. Nun haben Sie, Herr Lehnen, mit Eberspächer und Küster zwei klassische Familienunternehmen kennengelernt. Was würden Sie anderen Managern raten, die eine Karriere im Familienunternehmen anstreben? Welche Eigenschaften sind zwingende Voraussetzungen, wenn man erfolgreich sein möchte?

Rainer Lehnen: Familienunternehmen stehen für Nachhaltigkeit im wahrsten Wortsinn. In Familienunternehmen steht die Möglichkeit zur Gestaltung und wahrscheinlich auch die Notwendigkeit dazu ganz vorne. Dies in Balance und Einklang mit möglichst großer Eigenverantwortung auf allen Ebenen und moderner Führung zu leben, ist eine Herausforderung und macht viel Spaß gleichermaßen. Im Übrigen bin ich überzeugt davon, dass Wertschätzung, gute Abstimmung, offenerer Dialog und Kontroverse für eine gute Kultur sprechen und Basis nachhaltig erfolgreicher strategischer Ausrichtung und Umsetzung sind. Dies ist immer wichtig, im Familienunternehmen aber wahrscheinlich noch ein bisschen mehr.

Marco Henry Neumueller: Herr Küster, wenn mehrere Generationen und die Verwandtschaft operativ im eigenen Unternehmen tätig sind, führt das zwangsläufig auch mal zu Konflikten. Streit ist meist der größte Wertvernichter in Familienunternehmen. Wie schafft man es, trotz der familiären Nähe im unternehmerischen Alltag, Konflikte möglichst rational zu lösen? Haben Sie ein Patentrezept?

Alexander Küster: Streiten ist nicht per se schlecht. Es geht eher um die Themen, über die gestritten wird, und darum, wie der Streit kanalisiert wird. Meiner Meinung nach ist es sinnvoll, eine Plattform für die Auseinandersetzung zu schaffen. In unserem konkreten Fall ist das unser Beirat, den wir kurz nach meinem Eintritt gegründet haben. Der fixierte Rahmen der Beiratssitzung zwingt uns dazu, die großen und zum Teil schwierigen Themen in einer regelmäßigen und moderierten Runde zu diskutieren. So vermeiden wir, dass potenziell kritische Themen zu lange unausgesprochen schwelen und dann möglicherweise zu echten Konflikten führen. Das ist sicher kein Allheilmittel, aber in unserem speziellen Fall funktioniert es gut, weil wir eine vergleichsweise kleine Gruppe von Gesellschaftern haben. Bei größeren Kreisen kann ich mir vorstellen, dass es gut sein kann, dafür separate Veranstaltungen einzurichten. Dennoch, und das ist auch ein Teil der Wahrheit, gibt es auch in unserem Umfeld immer wieder unterschiedliche Meinungen oder kleinere Konflikte. Deshalb ist regelmäßige Kommunikation auf jeden Fall entscheidend. So schaffen wir das nötige Vertrauen. Übrigens kann dies auch ein Thema sein, das von Nextgen forciert wird.

Marco Henry Neumueller: Ich danke Ihnen beiden ganz herzlich für dieses Gespräch.

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