Dr. Marco Henry Neumueller (Personalberater9

Patriarchen auf dem Rückzug: Die riskante Wette auf familienfremde Geschäftsführer!?

Veröffentlicht von

von Dr. Marco Henry Neumueller, Partner und Gesellschafter von Odgers Berndtson in Deutschland.

Einleitung

Die Besetzung von Geschäftsführungspositionen in Familienunternehmen ist eine herausfordernde und komplexe Aufgabe, die besonderes Fingerspitzengefühl erfordert. Dies gilt insbesondere dann, wenn zum ersten Mal eine familienfremde Geschäftsführung eingesetzt werden soll und die Familienmitglieder keine operative Rolle mehr übernehmen wollen, sondern lediglich Funktionen im Beirat anstreben. Dieser Artikel untersucht die speziellen Herausforderungen dieses Übergangs, die notwendigen Vorbereitungen sowie die Rolle von Personalberatern und beleuchtet, wie Konflikte vermieden werden können.

Der Wechsel vom Patriarchen zur familienfremden Geschäftsführung

Wenn Blut nicht dicker als Wasser ist: Familienunternehmen müssen lernen, externen Führungskräften zu vertrauen, um ihre Zukunft zu sichern.

Dr. Marco Henry Neumueller, Personalberater bei Odgers Berndtson

Der Übergang von einer patriarchalisch geführten Geschäftsführung zu einer externen Leitung stellt eine signifikante Veränderung dar. Häufig hat der Patriarch das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg geführt und geprägt, sodass seine Abwesenheit eine Lücke hinterlässt, die nicht nur operativ, sondern auch emotional und kulturell geschlossen werden muss (Zellweger, 2017). Der neue Geschäftsführer bringt eigene Ideen und Führungskonzepte mit, die möglicherweise im Gegensatz zu den lang etablierten Traditionen des Unternehmens stehen. Diese Diskrepanz kann bei den Mitarbeitern und Familienmitgliedern zu Unsicherheiten und Widerständen führen (Chrisman, Chua, & Steier, 2005).

Der Rückzug der nächsten Generation

Wenn die nächste Generation keine operative Rolle übernehmen möchte und stattdessen Positionen im Beirat einnimmt, entsteht eine zusätzliche Herausforderung. Die Kinder des Patriarchen müssen lernen, ihre neuen Rollen professionell und mit der notwendigen Distanz zur operativen Geschäftsführung auszufüllen (Ward, 2004). Diese Rollenänderung erfordert eine klare Trennung zwischen operativen und strategischen Aufgaben, um Machtkämpfe und Ineffizienzen zu vermeiden (Le Breton-Miller & Miller, 2006).

Vorbereitungen für eine erfolgreiche Besetzung

Erstellung eines klaren Anforderungsprofils

Ein wesentlicher erster Schritt ist die Erstellung eines klaren und detaillierten Anforderungsprofils für die neue Geschäftsführung. Dieses Profil sollte die spezifischen Anforderungen des Unternehmens und die Erwartungen der Familie berücksichtigen. Zu den wichtigen Kriterien gehören Führungserfahrung, Branchenkenntnisse, kulturelle Passung sowie die Fähigkeit, den Übergang zu moderieren und das Unternehmen in die Zukunft zu führen (Sharma, Chrisman, & Chua, 1997).

Einbeziehung aller relevanten Stakeholder

Ein transparenter und inklusiver Auswahlprozess ist entscheidend, um die Akzeptanz der neuen Geschäftsführung zu sichern. Alle relevanten Stakeholder, einschließlich der Familie, des bestehenden Managements und der Belegschaft, sollten in den Auswahlprozess eingebunden werden. Diese Beteiligung fördert das Vertrauen und die Unterstützung für den neuen Geschäftsführer und trägt zur Harmonisierung der unterschiedlichen Interessen bei (Nordqvist & Melin, 2010).

Klare Definition der Rollen und Verantwortlichkeiten

Um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden, müssen die Rollen und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten klar definiert werden. Dies gilt besonders für die Familienmitglieder im Beirat, die eine beratende, aber keine operative Rolle einnehmen sollen. Ein gut ausgearbeiteter Governance-Kodex kann hierbei als Richtlinie dienen und die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Beirat regeln (Gersick et al., 1997).

Die Rolle von Personalberatern

Unterstützung bei der Kandidatenauswahl

Personalberater spielen eine entscheidende Rolle bei der Suche und Auswahl geeigneter Kandidaten für die Geschäftsführungsposition. Sie verfügen über ein umfangreiches Netzwerk und die notwendigen Ressourcen, um qualifizierte und passende Kandidaten zu identifizieren. Darüber hinaus können sie als neutrale Instanz agieren und somit zur Objektivität im Auswahlprozess beitragen (Poza, 2013).

Moderation des Übergangsprozesses

Ein erfahrener Personalberater kann den Übergangsprozess moderieren und begleiten. Dies umfasst die Vorbereitung des neuen Geschäftsführers auf seine Rolle, die Unterstützung bei der Integration in das Unternehmen und die Vermittlung zwischen der neuen Geschäftsführung und der Familie. Durch gezielte Coaching- und Mediationsmaßnahmen können mögliche Konflikte frühzeitig erkannt und entschärft werden (Ward, 2011).

Fallstricke und deren Vermeidung

Widerstände innerhalb der Belegschaft

Die Einführung einer familienfremden Geschäftsführung kann auf Widerstände innerhalb der Belegschaft stoßen. Mitarbeiter, die lange unter der Leitung des Patriarchen gearbeitet haben, könnten skeptisch gegenüber den Veränderungen sein. Um dies zu vermeiden, ist eine offene und transparente Kommunikation entscheidend. Der neue Geschäftsführer sollte die Gelegenheit erhalten, sich den Mitarbeitern vorzustellen und seine Vision und Pläne für das Unternehmen darzulegen (Habbershon, Williams, & MacMillan, 2003).

Konflikte zwischen Geschäftsführung und Beirat

Konflikte zwischen der neuen Geschäftsführung und dem Beirat können auftreten, insbesondere wenn die Beiräte aus der Familie stammen und starke Meinungen zur operativen Führung haben. Hier ist es wichtig, klare Kommunikationswege und Entscheidungsprozesse zu etablieren. Regelmäßige Meetings und eine offene Feedbackkultur können helfen, Missverständnisse zu vermeiden und eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern (Miller, Le Breton-Miller, & Lester, 2011).

Bewahrung der Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Familienunternehmen. Der neue Geschäftsführer muss in der Lage sein, die bestehende Kultur zu respektieren und weiterzuführen, während er gleichzeitig notwendige Veränderungen einführt. Dies erfordert ein sensibles Gespür für die Werte und Traditionen des Unternehmens sowie die Fähigkeit, diese mit modernen Führungsprinzipien zu verbinden (Lansberg, 1999).

Präventive Maßnahmen zur Konfliktvermeidung

Die Einführung einer familienfremden Geschäftsführung kann eine Revolution im Familienunternehmen auslösen – erfolgreich ist sie nur mit sorgfältiger Planung und klarer Kommunikation.

Dr. Marco Henry Neumueller, Personalberater bei Odgers Berndtson

Frühzeitige und offene Kommunikation

Eine frühzeitige und offene Kommunikation über die geplanten Veränderungen ist entscheidend. Alle Beteiligten sollten über den Auswahlprozess und die Gründe für die Entscheidung informiert werden. Dies fördert das Verständnis und die Akzeptanz für die neue Geschäftsführung (Sharma, Chrisman, & Chua, 1997).

Gemeinsame Workshops und Teambuilding-Maßnahmen

Gemeinsame Workshops und Teambuilding-Maßnahmen können dazu beitragen, Vertrauen zwischen der neuen Geschäftsführung und der Belegschaft aufzubauen. Diese Maßnahmen bieten die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen (Nordqvist & Melin, 2010).

Externe Moderation und Mediation

Externe Moderatoren und Mediatoren können in Konfliktsituationen eine wertvolle Unterstützung bieten. Sie können als neutrale Vermittler agieren und dabei helfen, Konflikte zu lösen und eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern (Poza, 2013).

Fallbeispiele und empirische Studien

Erfolgreiche Beispiele

Es gibt zahlreiche Beispiele für Familienunternehmen, die den Übergang zu einer familienfremden Geschäftsführung erfolgreich gemeistert haben. Ein prominentes Beispiel ist das Unternehmen Bosch, das es geschafft hat, eine externe Führungsebene zu etablieren, während die Familie in beratenden Rollen verblieben ist. Dies wurde durch eine sorgfältige Auswahl und Integration der neuen Führungskräfte sowie durch eine klare Kommunikation und die Einhaltung eines strikten Governance-Kodexes erreicht (Zellweger, 2017).

Empirische Studien

Empirische Studien zeigen, dass Unternehmen, die den Übergang zu einer externen Geschäftsführung erfolgreich gestalten, in der Regel eine höhere Kontinuität und Stabilität aufweisen. Eine Studie von Le Breton-Miller und Miller (2006) zeigt, dass Unternehmen, die eine klare Trennung zwischen Eigentum und Management vornehmen, tendenziell besser in der Lage sind, langfristige Strategien zu verfolgen und nachhaltigen Erfolg zu erzielen.

Eine weitere Studie von Sharma, Chrisman und Chua (1997) betont die Bedeutung einer klaren Rollenverteilung und der Einbindung externer Experten im Übergangsprozess. Diese Studien unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Vorbereitung und einer strukturierten Vorgehensweise, um den Erfolg des Übergangs zu sichern.

Strategien zur langfristigen Sicherung des Unternehmenserfolgs

Implementierung eines langfristigen Entwicklungsplans

Ein langfristiger Entwicklungsplan, der die strategischen Ziele des Unternehmens sowie die Bedürfnisse der Familie berücksichtigt, ist unerlässlich. Dieser Plan sollte regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen umfassen, um auf veränderte Marktbedingungen und Unternehmensbedürfnisse reagieren zu können (Ward, 2011).

Fortlaufende Weiterbildung und Entwicklung der Geschäftsführung

Die fortlaufende Weiterbildung und Entwicklung der Geschäftsführung ist ein weiterer wichtiger Faktor. Dies umfasst sowohl die fachliche als auch die persönliche Entwicklung der Führungskräfte, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen ihrer Rolle gerecht werden und in der Lage sind, das Unternehmen erfolgreich zu führen (Poza, 2013).

Förderung einer starken Unternehmenskultur

Die Förderung einer starken und positiven Unternehmenskultur ist entscheidend für den langfristigen Erfolg. Dies beinhaltet die Schaffung eines Umfelds, in dem Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam an den Unternehmenszielen arbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Eine solche Kultur trägt zur Mitarbeiterbindung und -motivation bei und fördert die Innovationsfähigkeit des Unternehmens (Gersick et al., 1997).

Fallstricke und Konfliktpotenziale

Unzureichende Vorbereitung

Ein häufiges Problem bei der Einführung einer familienfremden Geschäftsführung ist die unzureichende Vorbereitung. Ohne eine klare Strategie und sorgfältige Planung kann der Übergang schnell scheitern. Es ist daher entscheidend, genügend Zeit und Ressourcen in die Vorbereitung zu investieren und alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen (Miller, Le Breton-Miller, & Lester, 2011).

Machtkämpfe und politische Intrigen

Machtkämpfe und politische Intrigen können den Übergangsprozess erheblich erschweren. Es ist wichtig, eine klare Governance-Struktur zu etablieren und Mechanismen zur Konfliktlösung einzurichten, um solche Probleme zu vermeiden. Dies umfasst auch die Einbindung externer Berater und Mediatoren, die als neutrale Instanz agieren können (Lansberg, 1999).

Fehlende Unterstützung durch die Familie

Die Unterstützung der Familie ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ohne die Rückendeckung der Familie kann der neue Geschäftsführer Schwierigkeiten haben, die notwendigen Veränderungen durchzusetzen und das Vertrauen der Belegschaft zu gewinnen. Es ist daher wichtig, die Familie frühzeitig in den Auswahlprozess einzubeziehen und sicherzustellen, dass sie hinter der Entscheidung steht (Habbershon, Williams, & MacMillan, 2003).

Fazit

Die Besetzung einer familienfremden Geschäftsführung in Familienunternehmen ist eine komplexe und herausfordernde Aufgabe, die sorgfältige Vorbereitung und eine durchdachte Umsetzung erfordert. Durch die Erstellung eines klaren Anforderungsprofils, die Einbeziehung aller relevanten Stakeholder und die Unterstützung durch erfahrene Personalberater kann dieser Übergang erfolgreich gestaltet werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Vermeidung von Konflikten und der Bewahrung der Unternehmenskultur gewidmet werden. Mit der richtigen Vorbereitung und einem professionellen Übergangsmanagement kann eine familienfremde Geschäftsführung einen wertvollen Beitrag zur langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens leisten.

Literaturverzeichnis

  • Chrisman, J. J., Chua, J. H., & Steier, L. P. (2005). Sources and consequences of distinctive familiness: An introduction. Entrepreneurship Theory and Practice, 29(3), 237-247.
  • Gersick, K. E., Davis, J. A., Hampton, M. M., & Lansberg, I. (1997). Generation to Generation: Life Cycles of the Family Business. Harvard Business Review Press.
  • Habbershon, T. G., Williams, M., & MacMillan, I. C. (2003). A unified systems perspective of family firm performance. Journal of Business Venturing, 18(4), 451-465.
  • Lansberg, I. (1999). Succeeding Generations: Realizing the Dream of Families in Business. Harvard Business Review Press.
  • Le Breton-Miller, I., & Miller, D. (2006). Why do some family businesses out-compete? Governance, long-term orientations, and sustainable capability. Entrepreneurship Theory and Practice, 30(6), 731-746.
  • Miller, D., Le Breton-Miller, I., & Lester, R. H. (2011). Family and lone founder ownership and strategic behavior: Social context, identity, and institutional logics. Journal of Management Studies, 48(1), 1-25.
  • Nordqvist, M., & Melin, L. (2010). The promise of the strategy as practice perspective for family business strategy research. Journal of Family Business Strategy, 1(1), 15-25.
  • Poza, E. J. (2013). Family Business. South-Western Cengage Learning.
  • Sharma, P., Chrisman, J. J., & Chua, J. H. (1997). Strategic management of the family business: Past research and future challenges. Family Business Review, 10(1), 1-35.
  • Ward, J. L. (2004). Perpetuating the Family Business: 50 Lessons Learned from Long Lasting, Successful Families in Business. Palgrave Macmillan.
  • Ward, J. L. (2011). Keeping the Family Business Healthy: How to Plan for Continuing Growth, Profitability, and Family Leadership. Palgrave Macmillan.
  • Zellweger, T. (2017). Managing the Family Business: Theory and Practice. Edward Elgar Publishing.

Anhang: Best Practices und Checklisten

Best Practices

  1. Frühzeitige Planung: Beginnen Sie den Planungsprozess für den Übergang so früh wie möglich, idealerweise mehrere Jahre im Voraus.
  2. Inklusive Entscheidungsfindung: Binden Sie alle relevanten Stakeholder in den Auswahlprozess ein, um Unterstützung und Akzeptanz zu sichern.
  3. Klare Kommunikation: Kommunizieren Sie offen und transparent über den Prozess und die Gründe für die Entscheidungen.
  4. Externe Unterstützung: Nutzen Sie die Expertise von Personalberatern und Mediatoren, um den Prozess zu begleiten und objektive Entscheidungen zu treffen.
  5. Kontinuierliche Weiterbildung: Stellen Sie sicher, dass die neue Geschäftsführung Zugang zu fortlaufender Weiterbildung und Entwicklung hat.

Checkliste für den Übergangsprozess

  1. Erstellung eines detaillierten Anforderungsprofils für die neue Geschäftsführung.
  2. Identifikation und Einbindung aller relevanten Stakeholder.
  3. Definition klarer Rollen und Verantwortlichkeiten.
  4. Auswahl eines erfahrenen Personalberaters.
  5. Durchführung von Workshops und Teambuilding-Maßnahmen.
  6. Etablierung klarer Kommunikationswege und Entscheidungsprozesse.
  7. Implementierung eines langfristigen Entwicklungsplans.
  8. Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Strategien und Prozesse.
  9. Förderung einer starken und positiven Unternehmenskultur.
  10. Kontinuierliche Evaluation und Feedback-Mechanismen.