Konrad Fröhlich ist Rechtsanwalt und Senior Partner der Struktur Management Partner GmbH in Köln
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Fröhlich, Sie sind Senior Partner bei Struktur Management Partner – ein Beratungshaus, das seit 1982 in den Bereichen Turnaround- und Wachstumsmanagement tätig ist und damit das Unternehmen mit der längsten Erfahrung in Deutschland. Warum und wofür beauftragen Sie insbesondere Familienunternehmen?
Konrad Fröhlich: Tatsächlich erfolgen die Beauftragungen zum großen Teil über Weiterempfehlungen. Das heißt, die Familienunternehmen aber auch deren Stakeholder, die wir erfolgreich beim Turnaround begleitet haben, sind quasi unsere Markenbotschafter und berichten in ihrem Netzwerk von ihren Erfahrungen und empfehlen uns weiter. Dieser Umstand ist nicht selbstverständlich, denn grundsätzlich ist der Bereich Restrukturierung durchaus ein auf Konflikt angelegtes Beratungsfeld. Wir haben allerdings bereits vor vielen Jahren die Weiterempfehlung in den Fokus gerückt. Eine Weiterempfehlungsrate von zurzeit 98 % zeugt davon, dass wir für die Unternehmen Lösungen finden, mit denen unsere Klienten am Ende zufrieden sind.
Die Gründe dafür, warum wir zur Hilfe gerufen werden, sind vielfältig. Allen gemein ist eine Umbruchphase, entstanden aufgrund einer Krisensituation oder aber auch begründet auf Wachstumsphasen. Den Auslöser für ein Projekt und auch der erste Impuls für die Kontaktaufnahme ist dann häufig bestehender Kreditbedarf. Dieser zieht sehr oft einen Vertrauensverlust unter den externen Stakeholdern nach sich. So entsteht, dass wir auf Empfehlung von externen Stakeholdern tätig werden.
Was man aber in allen Fällen, in denen wir tätig werden, beobachten kann, ist die Unzufriedenheit der verantwortlichen Unternehmer*innen. Die Ergebnisse stimmen schlicht nicht. Häufig werden dann zusätzliche Finanzmittel gebraucht und in diesen Fällen ist eine professionelle Beratung unumgänglich.
Marco Henry Neumueller: „Familie schützt vor Krise nicht“ – so lautet der Titel einer aktuellen Veröffentlichung Ihres Hauses. Welche Rolle spielt die Unternehmerfamilie einer möglichen Krise?
Konrad Fröhlich: Das besondere an Familienunternehmen ist, dass sich in der Familie Eigentum und Einfluss vereinen. Die Rolle der Eigentümerfamilie hängt aber auch davon ab, wie sich die Familie selbst definiert und welchen Einfluss sie am Ende ausüben möchte. Dazu gibt es in der Wissenschaft verschiedene Ansätze. So wird zum Beispiel vom WIFU u.a. die Theorie der mentalen Modelle verfolgt, die beispielsweise Unternehmen unterscheidet, die von einer starken Führungsfigur geleitet werden (patriarchale Familie), die den Ton vorgibt von denjenigen Familien, die weit verzweigt ein komplexes Unternehmen steuern (aktive Eigentümerfamilie). Aus dieser Unterscheidung leiten sich natürlich unterschiedliche Ansätze, Rollenverteilungen und Strategien ab.
Wichtig zu verstehen ist also, dass Familie und Unternehmen nach ganz unterschiedlichen Regeln „ticken“. Die Familie wird tendenziell eher von emotionalen Faktoren geleitet und beeinflusst, während das System Unternehmen in der Regel rational ausgerichtet ist. Beide Systeme müssen miteinander harmonieren.
Der Familie kommt deshalb bei all unseren Projekten eine sehr, sehr wichtige Rolle zu. Sie kann aufgrund ihrer Emotionalität sehr viel Positives, aber auch Negatives bewirken. Gelingt es, diese Leidenschaft zum Wohle und für die Ziele des Unternehmens einzusetzen, entsteht daraus eine große Kraft, die Familienunternehmen so einzigartig macht.
Das heißt nicht, dass die emotional geprägten Zusammenhänge in den Familien erst dann zutage treten, wenn Probleme auftauchen oder die Firma in Schieflage gerät. Aus unserer Erfahrung kann man sagen: Die Familie ist bereits vor der Krise ein elementar wichtiger Ankerpunkt für alle Stakeholder – insbesondere für Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten. Die Familie steht für Vertrauen, Stabilität und die Unternehmenskultur. Häufig stellt sie auch das Management und gibt damit die strategische Ausrichtung vor. Sie steht für den Geist, der im Unternehmen herrscht.
Marco Henry Neumueller: Nun besagt ja gerade der Titel Ihrer Publikation, dass auch eine Unternehmerfamilie eine Krise nicht verhindern kann. Wie sollte sich die Unternehmerfamilie in einem Krisenszenario verhalten? Das ist sicherlich alles andere als einfach einen kühlen Kopf zu bewahren – noch dazu, wenn Externe das Sagen bekommen sollten. Wie lauten hier Ihre Empfehlungen?
Konrad Fröhlich: ‚Familie schützt vor Krise nicht‘, in der Tat. Jedes Unternehmen kann in eine Krise geraten. Denken wir nur an die COVID-19-Pandemie, die uns alle unvorbereitet getroffen hat. Unabhängig davon, wie die Krise entstanden ist, gilt aber als wichtigster Grundsatz: Die Familie sollte „Chef im Ring“ bleiben! Was das bedeutet? Die Familie sollte immer einen Schritt schneller sein, als externe Stakeholder ihren Einfluss geltend machen können. Denn eines ist ja klar: In einer Krise gewinnen immer mehr externe Stakeholder an Einfluss. Sie fangen an, ihre Interessen durchzusetzen.
Je schwächer das Unternehmen und je geringer der Einfluss der Familie vor der Krise war, desto schwieriger ist es, dem im Ernstfall etwas entgegenzusetzen. Dies beginnt nicht erst bei den Banken. Der Einfluss Externer ist eine existentielle Frage für Familienunternehmen. Denn dadurch wird unmittelbar in die unternehmerische Freiheit eingegriffen. Davon ist das Fundament von Familienunternehmen – nämlich ihre unternehmerische Souveränität – direkt betroffen und wird in Frage gestellt.
Wichtige Empfehlungen in diesem Zusammenhang sind: Weder die Familie noch das Management dürfen sich in einer Krise abschotten. Man muss den Dingen ins Auge sehen. Nur dann kann man darauf reagieren und aktiv gestalten. Voraussetzung dafür ist, dass die Familie ihre Glaubwürdigkeit behält, oder – falls in Frage gestellt – die Glaubwürdigkeit wieder erlangt. Und noch etwas: Familien neigen aufgrund ihrer Emotionalität dazu, Entscheidungen hinauszuschieben oder inkonsequent und irrational zu agieren. In Sachen Krisenbewältigung ist das ein fataler Fehler. Der aus unserer Sicht wichtigste Grundsatz in solchen Situationen: konsequent sein!
Marco Henry Neumueller: Nach der Krise ist vor der Krise. So viel ist sicher. In Ihrer Veröffentlichung findet sich ein sogenannter Resilienz-Kreislauf? Was hat es damit auf sich und wie kann dieser Familienunternehmen möglicherweise vor einer Krise bewahren?
Konrad Fröhlich: Nach dem Krisengeschehen der letzten Monate haben wir den Eindruck, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sich mit RESILIENZ im Sinne von Zukunfts- und Widerstandsfähigkeit zu beschäftigen. Das Motto lautet: Stark in die Zukunft!
Für Familienunternehmen haben wir uns die Frage gestellt, was denn tatsächlich dazu beiträgt, Resilienz aufzubauen. In diesem Zusammenhang haben wir drei Punkte identifiziert, die nach unserer Erfahrung immer wieder zum Tragen kommen:
- Erstens: Der Verbund aus Familie und Unternehmen muss betrachtet werden. Den Fokus allein auf das Unternehmen zu lenken, reicht nicht aus. Die Familie kann erhebliche wichtige Beiträge zur Resilienz leisten, im Umkehrschluss gilt allerdings leider das Gleiche.
- Zweitens: Auf Basis unserer langjährigen Erfahrung haben sich einige Resilienz-Faktoren als besonders wichtig herausgestellt: Eigentum, Einfluss und die operative Entscheidungsgewalt. Sie sollten für eine gute Resilienz definiert, vorab durch gedankliche Trennung identifiziert und dann personell institutionalisiert werden.
- Und drittens: In unserem Resilienz-Kreislauf haben wir schließlich Resilienz-Merkmale definiert, und mit Kennzahlen und Faktoren versehen, die es erlauben, die Resilienz eines Familienunternehmensverbundes zu messen.
Im Fokus stehen hier der Wert und ein werteorientiertes Geschäftsmodell, die Führung in den Händen einer souveränen Unternehmerpersönlichkeit, eine von Loyalität und Agilität geprägte Prozess- und Organisationslandschaft, unternehmerorientiertes Risikomanagement, Controlling & Reporting, ausbalancierte Fremdfinanzierung sowie die finanzielle Unabhängigkeit der Familie.
Marco Henry Neumueller: Nun haben Unternehmenskrisen nicht immer exogene Ursachen. Wie häufig werden Sie gerufen, wenn endogene Ursachen zu einer Krise führen, beispielsweise destruktive Konflikte in der Unternehmerfamilie und wie gehen Sie damit um?
Konrad Fröhlich: Wir werden eigentlich immer dann gerufen, wenn endogene Ursachen exogene Stakeholder auf den Plan rufen. Häufig ist der Hintergrund, dass die Familie aufgrund einer unklaren eigenen Organisation oder Qualifikation ‚Blinde Flecken‘ übersieht – dass beispielsweise die Geschäftsentwicklung unter Branchenniveau liegt oder in Wachstumsphasen die Rendite stagniert oder gar rückläufig ist. Ein aktuell sehr typischer blinder Fleck ist z.B. auch das Fehlen einer klaren Strategie in Sachen Digitalisierung und der notwendigen Kompetenzen dafür.
Hintergrund für das Übersehen von ‚Blinden Flecken‘ sind dann häufig ‚destruktive Konflikte‘ in der Familie. Sie blockieren die Beschlussfähigkeit und damit allgemein die Handlungsfähigkeit. Das ist fatal! Ein gutes Zeichen dagegen ist es, wenn die Familie sich z.B. auf eine gemeinsame Strategie verständigen kann. Stichwort: Family-Charta und Familienverfassung.
Marco Henry Neumueller: Bitte vervollständigen Sie den Satz: „An Familienunternehmen fasziniert mich insbesondere…“
Konrad Fröhlich: …im positiven Sinne das Unternehmertum, das sich etwa in einem enormen Pioniergeist, Mut, Innovationsgeist und auch, der Fähigkeit zur Selbstreflektion zeigt. Im negativen Sinne die Fähigkeit zur Selbstzerstörung im Laufe von Generationen, die man leider in einigen Fällen beobachten kann.
Marco Henry Neumueller: Ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses Gespräch.
Über Konrad Fröhlich
Konrad Fröhlich verfügt über die Erfahrung aus mehr als 20 Jahren Restrukturierung in ca. 100 Projekten, davon die überwiegende Anzahl in Familienunternehmen. Er leitet bei Struktur Management Partner den Bereich Familienunternehmen. Er ist Verfasser einiger Publikationen zu Familienunternehmen, zuletzt Co-Autor des Leitfadens ‚’Familie schützt vor Krise nicht‘.
Über Struktur Management Partner
Struktur Management Partner gehört mit derzeit mehr als 90 Expertinnen und Experten zu den führenden Beratungshäusern in Deutschland. Gegründet 1982 und mit inzwischen über 770 durchgeführten Projekten für Unternehmen im gehobenen Mittelstand ist Struktur Management Partner Pionier im Segment „Turnaround-Management“. Ein besonderer Schwerpunkt des Hauses liegt auf der Unterstützung von Familienunternehmen, deren spezifische Anforderungen Bestandteil jeder Lösungskonzeption sind. Grundlage dafür ist die besondere Führungs- und Unternehmensphilosophie, die auf den jeweiligen Stärken der Beteiligten aufbaut. Die spezifischen Anforderungen von Familien spiegeln sich in der internen Aufstellung von SMP mit einem eigenen Kompetenzteam „Familienunternehmen“. 2020 wurde Struktur Management Partner im Rahmen des Wettbewerbs „Top Consultant“ zum „Berater des Jahres“ gekürt.