Benjamin Ferreau mit Dr. Marco Henry Neumueller

FiFo Talk mit Benjamin Ferreau über einen besonderen Lebensweg, die Magie von Familienunternehmen und eine moderne Zusammenstellung von Beiratsgremien

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Benjamin Ferreau ist Gründer der „DIE BE!RATUNG – Beirat as a Service“

Marco Henry Neumueller: Lieber Benjamin, Du hast einen nicht alltäglichen Lebenslauf. Was ist der berühmte rote Faden in Deiner Entwicklung und was zeichnet Dich aus?

Benjamin Ferreau: Ich glaube, mein roter Faden ist, dass mir nichts in die Wiege gelegt wurde. Ich musste quasi immer einen Umweg gehen. Dieser Umweg hielt stets Aufgaben für mich bereit, die ich zwar nicht immer selbst suchen musste, sie dann jedoch immer zu meinen eigenen machte. Maßgeblich geprägt hat mich sicherlich meine Mutter. Mein Vater starb relativ früh. Meine Mutter war auch Unternehmerin, hatte ein kleines Unternehmen. Somit habe ich schon früh erfahren, was es bedeutet, Unternehmer zu sein. Zunächst habe ich jedoch eine Ausbildung zum Industriekaufmann in einer Druckerei und Verlagsgruppe gemacht, das war ein 1875 gegründetes Familienunternehmen; ich war dabei relativ nah am Gesellschafter dran. Er wollte mich gar nicht mehr gehen lassen. Im Anschluss daran habe ich ein Studium begonnen, Druck- und Medientechnologie, obwohl mich die Technologie eigentlich gar nicht so wirklich interessierte. Ich habe dann als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen und daran anschließend auch wieder in einer familiengeführten Unternehmensgruppe als Assistent des Geschäftsführer Unternehmens-Entwicklung & CEO begonnen. Das Unternehmen wuchs von 900 auf über 1.500 Beschäftigte. Ich habe die Transformation hautnah miterlebt. Jede meiner Zeit in Familienunternehmen war geprägt davon, dass ich verstanden habe, was diese Unternehmerfamilien über Generationen hinweg aufgebaut und erreicht haben. Rückblickend kann ich sagen, dass ich die jeweilige Situation, in welcher sich die Unternehmen befanden, verstanden hatte, ich wusste warum die Unternehmen so erfolgreich wurden, aber mir war auch klar, dass der jeweilige Status Quo das ein oder andere Upgrade benötigt hätte. Ich bin dann aus dem Familienunternehmen ausgestiegen und ins Private Equity gewechselt. Genau genommen war es eher ein Single Family Office, bei dem der Eigentümer selbst auch noch präsent war. Somit hatte ich es immer mit Unternehmern, ja Familienunternehmen zu tun. Ich habe gelernt und sehr gut verstanden, was es brauchte, um diese Unternehmen weiterzubringen.

Marco Henry Neumueller: Woher rührt Deine Faszination für Familienunternehmen?

Benjamin Ferreau: Die Gründe sind ganz unterschiedlich. Zum einen bin ich Exilschwabe. Ich lebe heute in Hamburg, bin allerdings in Esslingen am Neckar aufgewachsen, also in einer Gegend voller Weltmarktführer. Man konnte erleben, was diese Unternehmer aufgebaut haben. Auf der anderen Seite habe ich selbst Zeit in vielen Familienunternehmen verbracht und immer eine gewisse Magie gespürt. Da ist dieses Zusammengehörigkeitsgefühl in dieses Familienunternehmen. Man versteht sich wirklich als eine Familie. Man spricht neudeutsch über Purpose, wo will man hin, wo sieht man sich als Unternehmerfamilie. Im Grunde genommen ist diese Denkweise auch bei Start ups zu finden, wobei diese streng genommen ja irgendwie auch fast Familienunternehmen der ersten Generation sind. Nur existieren diese Familienunternehmen seit 50 oder 100 Jahren. Diese Magie wird natürlich auch überschattet von Herausforderungen, teilweise auch von der Angst. Obwohl diese Angst nicht immer begründet ist. Diese Unternehmen müssten sich teilweise nur wieder etwas öffnen. Das ist es, was mich so fasziniert. In diesen Familienunternehmen steckt etwas, was man so in börsennotierten Unternehmen kaum findet.

Marco Henry Neumueller: Du beschäftigst Dich gerne und viel mit Geschäftsmodellen. Nicht selten liest man, dass sich die angestammten Geschäftsmodelle vieler Familienunternehmen in Deutschland längst überholt haben. Wie ist Deine Einschätzung dazu?

Benjamin Ferreau: Das Geschäftsmodelle komplett überholt sind, kann ich so einfach nicht pauschal bestätigen. Die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen funktionieren ja meist noch, man verdient damit auch noch Geld. Gut, vielleicht nicht mehr ganz so viel wie man damit in früheren Zeiten mal verdiente. Die größte Herausforderung ist jedoch die, dass diese Unternehmen ihr Geschäftsmodell nicht per se in Frage stellen. Viele sagen, man müsse sein Geschäftsmodell komplett in Frage stellen, man müsse sich im Sinne einer Disruption komplett verändern. Klar ist, dass man das aktuelle Geschäftsmodell auf andere Beine stellen muss, dass man diese vertrieblich anders aufstellen muss. Geschäftsmodelle sind immer auch vertrieblich orientiert. Ich muss mich immer fragen, wie ich an meine Zielgruppe gelange. Und dabei zeigt sich, dass es meist die Vertriebskanäle sind, die neu ausgerichtet werden müssen. Immer unter Berücksichtigung der Marktanforderungen. „Innovate or die“ heißt es ja immer so schön. Viele Beratungen gehen damit hausieren. „Wenn Du jetzt nicht innovierst, dann wirst Du morgen nicht mehr da sein.“ Ich kann es nicht mehr hören. Es geht aber vielmehr darum, sein bestehendes Geschäftsmodell zunächst einmal einer Feinjustierung zu unterziehen. Darin liegt die große Chance. Und ob ich dann irgendwann einmal sage, dass ich keine Waschmaschine mehr verkaufe, sondern ein Leasingmodell anbiete oder eine Art „Software as a Service“-Modell fahre – das kann funktionieren, aber maßgeblich sollte zunächst einmal der Vertriebskanal einer Feinjustierung unterzogen werden. 

Marco Henry Neumueller: Wenn Du heute einem typischen Patriarchen eines Familienunternehmens begegnest, und er würde Dich um Deine ehrliche Einschätzung bitten, welche drei Ratschläge würdest Du ihm geben?

Benjamin Ferreau: Erstens: Vertrauen, also der Generation, die jetzt kommt, aber bitte volles Vertrauen. Das sollte keine leere Worthülse sein. Zweitens: Öffnen Sie sich gegenüber den digitalen Kanälen. Sehen das nicht als etwas Unheimliches an, sondern betrachten Sie es eher als etwas, das beflügeln kann. Und drittens: Setzen Sie einen Beirat ein.

Marco Henry Neumueller: Du bist gerade dabei ein Unternehmen mit dem Namen „BE!RATUNG“ –  „Beirat as a Service“ zu gründen. Was hat es damit auf sich und welchen Mehrwert kannst Du Familienunternehmen damit bieten?

Benjamin Ferreau: Die Idee existiert schon länger. Ich war selbst schon einmal dabei, damals als Projektleiter, als wir einen Beirat etabliert haben, was aber auch schon wieder 10 Jahren her ist. Man muss sich schlichtweg vor Augen führen, dass die Beiratspositionen zumeist immer noch an nähere Verwandte oder sehr engen Vertrauten der Familie vergeben werden. Das muss per se nicht unbedingt schlecht sein. Dennoch muss man sich die Frage stellen: Hilft diese Nähe zur Unternehmerfamilie auch dem Unternehmen? Wenn es sich hierbei um enge Freundschaften handelt, wenn man sich den „Best Buddy“ in den Beirat holt, mit dem man regelmäßig Currywurst essen geht, sagt dieser einem dann wirklich, was er denkt? Würde er wirklich klar kommunizieren, wenn er der Auffassung wäre, dass man etwas drastisch verändern müsste? So, wie es Unternehmensberatungen tun, wobei ich ja der Überzeugung bin, dass Beiräte diese Aufgabe wahrzunehmen haben. Genau diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt. Daher rührt mein Antrieb. Ich habe mir dann Gedanken darüber gemacht, wie derzeit der Auswahlprozess bei Beiratsmitgliedern gestaltet ist. Wo finden Familienunternehmen ihre Beiräte. Natürlich kann sie auch über Personalberatungen suchen lassen. Ich wollte mich jedoch der Neuzeit anpassen und habe mir die Frage gestellt, was wird passieren, wenn ich selbst schon ein eingespieltes Team habe. Ein interdisziplinäres Team, das sofort als Team auch zur Verfügung steht. Ich habe beispielsweise bereits ein Team mit in Summe über 100 Jahre Erfahrung aus verschiedene Geschäftsführungstätigkeiten zusammengestellt. Auf Grund der unterschiedlichen Kompetenzen dieses Teams kann man bestmöglich den unterschiedlichsten Herausforderungen eines Unternehmens begegnen. Das verstehe ich als ein transformatives Element. Also interdisziplinär und transformativ. Dabei muss man berücksichtigen, dass Unternehmen verschiedene Zyklen durchlaufen, ganz gleich ob man das nun in Quartalen, Jahren oder Monaten ausdrücken möchte. Doch jeder diese Zyklen birgt andere Herausforderungen.  Wenn ich nun ein Team zusammenstelle, das irgendwann einmal vielleicht 50 Beiratsmitglieder umfasst, dann kann ich jede Facette abdecken und kann quasi für jede Herausforderung eines Unternehmens den richtigen Ansprechpartner in den Beirat entsenden – und das intervallmäßig. Wenn bei einer nächsten Beiratssitzung beispielsweise das Thema Digitalisierung auf der Agenda sein sollte, nehmen die Experten zu diesem Thema teil, wenn es um Nachhaltigkeit gehen wird, sind es wieder andere Experten. Ein solches Modell habe ich seither nicht am Markt gefunden. Es handelt sich dabei auch nicht nur um digitale Beiräte. Es sind Personen mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausprägungen. Hier sehe ich ganz klar eine Lücke, die ich besetzen möchte.

Marco Henry Neumueller: Bist Du Mitglied in einem Beirat eines Familienunternehmens? Wie kam es dazu?

Benjamin Ferreau: Ich bin seit diesem Jahr ordentliches Beiratsmitglied. Ich darf in dieser Funktion die vierte Generation einer Unternehmerfamilie unterstützen. Gerade ist der Sohn als Vertreter der vierten Generation als CEO ins Unternehmen gekommen. Ich besetze dabei schwerpunktmäßig die Felder E-Commerce, Marketing, also die digital getriebenen Themen. Ich wurde von einer Personalberatung rekrutiert, muss aber dazu sagen, dass ich mich davor habe listen lassen, da ich großes Interesse an einem solchen Beiratsmandat hatte.

Marco Henry Neumueller: Worauf bist Du in Deinem Leben richtig stolz?

Benjamin Ferreau: Dass ich mir bislang immer treu geblieben bin. Also treu geblieben in dem Sinne: Immer, wenn ich gemerkt habe, dass ich keinen Beitrag, keinen Mehrwert mehr leisten kann, dann habe ich den Platz für andere geräumt – und dies schon in jungen Jahren. Das habe ich so während meiner Station in einem Familienunternehmen gehandhabt und nicht zuletzt auch in einem Start up, in welches ich eingestiegen war. Wir haben es zum Ende hin zum Verkauf angeboten und auch eine Lösung gefunden. Ich habe es nie an meiner Person ausgerichtet, sondern eher an einem Team.

Marco Henry Neumueller: Ganz herzlichen Dank, lieber Benjamin, für den interessanten Austausch.

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