Dr. Marco Henry Neumueller mit Maximilian Viessmann

NextGen Talk mit Maximilian Viessmann über die Kraft der Nachfolge, nachhaltige Unternehmensführung und ein neues Ökosystem in Berlin

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Maximilian Viessmann, Co-CEO der Viessmann Group in Allendorf (Hessen)

Marco Henry Neumueller: Lieber Max, der Übergang von einer Generation auf die nächste markiert immer eine Schlüsselstelle im Lebenszyklus von Familienunternehmen. Im Hause Viessmann scheint die Nachfolgeregelung reibungslos funktioniert zu haben – zumindest, soweit man das extern beurteilen kann. Verlief es denn wirklich so reibungslos?

Max Viessmann: Man kann nur die richtigen Entscheidungen treffen, wenn man den richtigen Kontext kennt. Das gilt für sämtliche Entscheidungen, die man im Leben trifft; aber insbesondere auch für die, die im Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie stehen. Der Generationswechsel bietet Familienunternehmen eine große Chance. Früher hätte man gesagt, weil die nachkommende Generation neue Perspektiven eröffnet und neue Themen angeht. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass insbesondere die Kraft zweier Generationen in der Übergangsphase extrem viel bewirken kann. Das hat damit zu tun, dass man Herkunft nicht erst lernen muss, sondern sie direkt mit der Zukunft verbinden kann. Bei uns war es ein Übergang, den mein Vater und ich durch das Stärken von Stärken gestaltet haben. Als Anbieter von Klimalösungen entsteht bei dem Prozess auch Wärme im zwischenmenschlichen Sinne, indem wir immer gemeinsam nach besseren Lösungen streben.

Ich bin aber der festen Überzeugung, dass insbesondere die Kraft zweier Generationen in der Übergangsphase extrem viel bewirken kann.

Maximilian Viessmann, Co-CEO der Viessmann Group

Marco Henry Neumueller: Welchen Ratschlag würdest Du anderen Unternehmerfamilien geben?

Max Viessmann: Bezogen auf den Nachfolge-Kontext, sich nochmals klar zu machen, wem das Unternehmen eigentlich dient. Wir leben bei uns sehr nach dem Grundsatz: Wir erben das Unternehmen nicht von der vorangegangenen Generation, sondern wir erhalten es für die nachkommende. Wenn man sich dessen bewusst ist, dann hat man ein gemeinsames Ziel, nämlich das Unternehmen langfristig für die Zukunft so erfolgreich wie möglich aufzustellen. Und wenn man nur mit dem richtigen Kontext die richtigen Entscheidungen treffen kann, bedeutet das, dass beide Generationen auch immer den bestmöglichen Kontext kennen sollten. Deshalb gilt es viel Zeit ineinander zu investieren.

Wir leben bei uns sehr nach dem Grundsatz: Wir erben das Unternehmen nicht von der vorangegangenen Generation, sondern wir erhalten es für die nachkommende.

Maximilian Viessmann, Co-CEO der Viessmann Group

Marco Henry Neumueller: Wann hat Deine Familie angefangen, die Nachfolge zu planen?

Max Viessmann: Ich sage immer mit Augenzwinkern, dass ich schon seit 31 Jahren im Familienunternehmen bin. Natürlich wächst man persönlich sehr stark mit dem Unternehmen auf. Man ist sich als Nachfolger oder als Kind einer Unternehmerfamilie der eigenen Verantwortung bewusst. In unserem Fall war es so, dass mein Vater das sehr strukturiert und früh so aufgesetzt hat, dass wir uns nicht nur oberflächlich, sondern vor allem inhaltlich damit auseinandergesetzt haben, was es heißt, Verantwortung für mehrere tausend Familien zu haben und auch was es bedeutet, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Jedoch nie mit dem Hinweis, aber für mich immer mit der Interpretation, dass allein ein Nachname nicht ausreichend ist. Ich würde sagen, etwa mit Abschluss der Schule haben wir uns dann strukturiert damit auseinandergesetzt, was es bedeutet, ein Unternehmen zu übernehmen. Ich glaube, für mich persönlich war der wichtigste Punkt, früh zu erkennen, wieviel Zeit mir bleibt bis ich irgendwann einmal Verantwortung im Unternehmen übernehmen möchte und was ich idealerweise bis dahin tun muss, um mich optimal vorzubereiten, wie beispielsweise eine länger Zeit im Ausland leben, viele verschiedene Unternehmen von innen sehen und auch ein Studium zu wählen, was mir im Nachhinein ermöglicht, die notwendigen Fähigkeiten zu besitzen, um darauf aufbauen zu können. Das hat mir Klarheit gegeben.

Marco Henry Neumueller: Jedes Familienunternehmen hat eine spezifische Unternehmenskultur mit ganz eigenen Werten. Ihr habt Eure Werte im Unternehmen auf drei Adjektive reduziert, die vermutlich für viele Familienunternehmen zutreffen könnten: „verantwortlich, teamorientiert und unternehmerisch“. Wie würdest Du die Kultur bei Viessmann beschreiben und wie hat sich diese mit dem Generationswechsel verändert?

Max Viessmann: Kultur ist immer das, was man erlebt, wenn man Teil der 12.000 Frauen und Männer umfassenden Viessmann Familie ist und nicht das, was wir auf Folien festhalten oder an die Wand schreiben. Natürlich ist es mitunter schwer, eine Kultur mit drei Adjektiven zu verbalisieren. In unserem Fall ist es aber tatsächlich so, dass alle drei Aspekte sehr klar und sehr spürbar für Viessmann stehen. Der Drang, Verantwortung füreinander zu übernehmen, aber auch gesellschaftlich, ist gerade jetzt in Zeiten von COVID-19 nochmals deutlicher geworden. Dies war sicherlich auch der Auslöser dafür, dass wir innerhalb weniger Wochen mobile Beatmungsgeräte entwickelt haben. Oder gerade jüngst neue Lüftungslösungen für Schulen. Das Adjektiv „teamorientiert“ mag zwar generisch klingen, aber ich habe in meiner Beratungszeit auch oft erlebt, wie es nicht sein sollte. Bei uns ist es tatsächlich so, dass wir als eine große Familie füreinander da sind und entsprechend transparent miteinander umgehen. Ich glaube, dass man eine Krise nur als Chance begreifen kann, wenn man tatsächlich auch die richtige Werteorientierung im Unternehmen hat. Man muss gewohnt sein, neue Opportunitäten zu identifizieren und nicht nur das Bestehende inkrementell zu verbessern. Und das ist sehr tief in unserer Kultur und DNA verankert. Hat sich unsere Kultur mit dem Generationsübergang weiterentwickelt? Ja, aber ich glaube nicht, dass dies nur mit mir als Person zusammenhängt, sondern eher mit dem Grundsatz: ‘Wenn ich nicht mit der Zeit gehe, gehe ich mit der Zeit’. Wir haben uns an veränderte Rahmenbedingungen angepasst und eine strategietragende Kultur in der Form entwickelt, dass wir für all unsere Familienmitglieder nochmals sehr klar gemacht haben, warum es uns eigentlich gibt. Diese Frage haben wir uns nach unserem 100-jährigen Firmenjubiläum gestellt. Unsere Antwort: Damit wir Lebensräume für nachkommende Generationen gestalten. Uns war und ist es extrem wichtig, diese Haltung explizit zum Ausdruck zu bringen und erlebbar zu machen. Das gibt heute allen Beteiligten eine klare Orientierung.

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Maximilian Viessmann mit seinem Vater Prof. Dr. Martin Viessmann
Bildquelle: Viessmann Group

Marco Henry Neumueller: Ihr habt Euch bei Viessmann für eine Doppelspitze entschieden. Joachim Janssen war bereits zusammen mit Deinem Vater Co-CEO. Welche Attribute muss in Deinen Augen ein familienfremder Geschäftsführer mitbringen, um erfolgreich zu sein. Nachdem Herr Janssen seit 13 Jahren im Unternehmen ist, scheint er diese Attribute zu besitzen.

Max Viessmann: Wenn man aus einer anonymen Gesellschafterstruktur kommt und sieht, mit wie viel Identität, mit wieviel Herzblut und mit wie viel Klarheit Familienunternehmen geführt werden, dann kann das für den ein oder anderen externen Manager zunächst einmal nach einer sehr starken Veränderung aussehen. Am Ende des Tages ist aber entscheidend, ob man die PS auf die Straße bekommt. Und dafür muss man kulturkompatibel sein und sich bewusst machen, was es heißt, in diesem Unternehmen zu arbeiten oder was es heißt, in dieser Kultur neue Dinge gestalten zu können. Es ist mehr als wichtig, zu prüfen, ob dazu das eigene Persönlichkeitsprofil und die eigene Erfahrung passt. Man muss begreifen, wie wir uns als 12.000 Frauen und Männer umfassende Familie verstehen und für sich die Frage beantworten, ob man Teil dieser Bewegung sein möchte.

Wenn man aus einer anonymen Gesellschafterstruktur kommt und sieht, mit wie viel Identität, mit wieviel Herzblut und mit wie viel Klarheit Familienunternehmen geführt werden, dann kann das für den ein oder anderen externen Manager zunächst einmal nach einer sehr starken Veränderung aussehen.

Maximilian Viessmann, Co-CEO der Viessmann Group

Marco Henry Neumueller: Anfang des Jahres 2020 warst Du im Wesentlichen der Treiber für die Gründung des „Maschinenraums“ – ein Bündnis und gleichzeitig ein Ökosystem zur Digitalisierung des deutschen Mittelstands, dem mittlerweile 13 Kooperationspartner angehören. Was war der Auslöser für die Gründung und welches Ziel verfolgst Du mit dieser Initiative?

Max Viessmann: Die Idee des Maschinenraums ist bereits vor fünf Jahren geboren. Nämlich als wir klar gesehen haben, dass die Erfahrungen, die wir als 100-jähriges Unternehmen gerade machen, indem wir uns kulturell weiterentwickeln und digitale Geschäftsmodelle adaptieren, absehbar in anderen Unternehmen ähnlich ablaufen könnten. Darüber hinaus waren wir der Auffassung, dass es sowohl für uns als auch für andere Unternehmen ökonomisch sinnvoll ist, wenn man diese Lernerfahrungen austauschen kann und nicht jeder für sich die richtigen Schlüsse daraus ziehen muss. Ich glaube, was wir mit diesem Ökosystem zum Ausdruck gebracht haben, ist eine gewisse Haltung, zumal wir fest an das Prinzip der Co-Creation glauben – sowohl innerhalb unseres Unternehmens, aber auch zusammen mit externen Partnern. Gerade mittelständische Unternehmen, die häufig an entlegenen Orten zu finden und weit voneinander entfernt sind, haben nicht die entsprechende Vorgeschichte, dass es normal wäre, so intensiv zusammenzuarbeiten. Diese Unternehmen zusammenzubringen, war eine extrem hohe Motivation. Auf der anderen Seite der feste Glaube, dass man eine Umgebung braucht, um offen neue Geschäftsideen zu entwickeln und diese auszuprobieren und nicht erst drei Jahre später zu merken, dass es nicht funktioniert. Hierfür eignet sich eine facettenreiche Umgebung, um ein möglich breites Feedback zu bekommen. Berlin ist nicht nur sehr multikulturell geprägt, sondern verfügt über jede Menge Talente, die an den Ideen mitarbeiten können, um sie weiter voranzutreiben.

Marco Henry Neumueller: Gab es in Deinem Leben ein prägendes Erlebnis, an welches Du Dich gerne zurück erinnerst? 

Max Viessmann: Ich glaube, als Familienvater ist die Geburt des eigenen Kindes und dann in Kombination als Familienunternehmer ein einschneidendes Erlebnis. Insbesondere auch dann, wenn man sich, wie wir, der nachkommenden Generation verpflichtet fühlt. Zum einen macht es den Kern des Unternehmertums aus, aber zum anderen auch unseren Purpose sehr greifbar. Dies hat mich nochmals in dem, was wir tun, sehr bestärkt.

Marco Henry Neumueller: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Über Maximilian Viessmann

2018 übernahm Prof. Martin Viessmanns Sohn Maximilian als Co-CEO, gemeinsam mit Joachim Janssen, die Führung des Unternehmens. Der Wirtschaftsingenieur und Unternehmensberater ist seit 2015 aktiv im Unternehmen tätig. Sein persönliches wie unternehmerisches Leitbild: Einen Beitrag für nachkommende Generationen zu leisten. Neben der kulturellen Transformation der Gruppe treibt Max Viessmann die Weiterentwicklung der Klimalösungsaktivitäten voran. Durch die Werte „verantwortlich‟, „teamorientiert‟ und „unternehmerisch‟ bringt das Familienunternehmen zum Ausdruck, dass die Menschen im Vordergrund stehen, und investiert kontinuierlich in die Weiterentwicklung und Diversität der 12.300 Mitglieder der großen Viessmann Familie. Maximilian ist Jahrgang 1989, verheiratet und hat einen Sohn.

Über das Familienunternehmen Viessmann

Viessmann ist ein führender Anbieter von Klimalösungen für alle Lebensräume. Das Unternehmen entwickelt nachhaltige Technologien, die Menschen mit optimaler Raumtemperatur und höchster Luftqualität sowie mit Warmwasser und Strom versorgen. Grundlage dafür ist das ‘Integrierte Viessmann Lösungsangebot’. Damit werden Produkte und Systeme über digitale Plattformen und Services nahtlos miteinander verbunden. Abgerundet wird das Portfolio durch eine Vielzahl von Dienstleistungen für Partner und Kunden. Dabei steht die richtige Balance aus erneuerbaren Energien und maximaler Effizienz fossiler Energieträger im Vordergrund. Seit 1917 handelt das Familienunternehmen werteorientiert und langfristig. Das zeigt sich auch im Unternehmensleitbild “We create living spaces for generations to come”. Lebensräume zukünftiger Generationen zu gestalten – das ist die Verantwortung der weltweit 12.300 Mitglieder starken Viessmann Familie.

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