Dr. Marco Henry Neumueller und Dr. Dominik Blösch

NextGen Talk mit Dominik Blösch über Autonomie, Synergien und Zukunftsperspektiven bei PLATIT

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Dr. Dominik Blösch ist CEO der PLATIT Gruppe in Selzach (Schweiz).

Marco Henry Neumueller: Du leitest die PLATIT Gruppe innerhalb der BCI Blösch Familie, während Pascale und Patrick Blösch Co-CEOs der Blösch AG sind. Was bedeutet es für Dich, in dieser Position zu sein – und was unterscheidet Deinen täglichen Fokus im Vergleich zu dem Deiner Familiengenerationen vor Dir?

Dominik Blösch: Für mich bedeutet es sehr viel, in unserem Familienunternehmen zu arbeiten. Es ist nicht einfach ein Beruf oder ein Job wie jeder andere, sondern etwas Persönliches – man schreibt an einer Familiengeschichte weiter. Das erfüllt mich mit Freude und ist gleichzeitig eine Ehre, aber auch eine große Verantwortung. Natürlich gibt es nicht nur schöne Momente. Es gibt schwierige Phasen, in denen es keinen Spaß macht, aber im Gesamten betrachtet ist es für mich der schönste Job, den ich mir vorstellen kann.

Ein zentraler Unterschied zu den Generationen vor uns liegt in der Führungsstruktur. Unsere Vorgänger haben die operativen Unternehmen direkt aus der Gruppe heraus gesteuert. Wir haben uns bewusst entschieden, diese Unternehmen eigenständiger aufzustellen. Heute gibt es unabhängige Verwaltungsräte mit externen Expertinnen und Experten, die für jede Gesellschaft verantwortlich sind und dort die wesentlichen strategischen Entscheidungen treffen. Das bedeutet auch, dass ich nicht in den Verwaltungsräten der Schwesterfirmen sitze und meine Geschwister nicht bei mir. So bringen wir externe Industrieerfahrung hinein und können die Unternehmen gezielter auf ihre jeweiligen Märkte ausrichten.

Das bringt viele Chancen, weil die Unternehmen eigenständiger agieren und passgenauer arbeiten können. Natürlich gibt es auch Risiken – etwa, dass gemeinsame Möglichkeiten weniger genutzt werden. Aber insgesamt verändert dieser Ansatz die Arbeitsweise sehr grundlegend im Vergleich zu früher.

Marco Henry Neumueller: Die BCI Blösch Gruppe umfasst u. a. Blösch AG, Platit AG und Liss a.s., und bedient Märkte von Medizinaltechnik bis Uhrenteile. Wie nutzt Du als Leiter von PLATIT die Verbindung zwischen den Firmen – etwa in Technologie-Entwicklung oder Vertrieb?

Dominik Blösch: Der gemeinsame Nenner der Gruppe ist die Oberflächentechnologie. Alles, was wir tun, dreht sich um die Bearbeitung und Optimierung von Oberflächen. Das eröffnet technologische Schnittstellen und Synergien.

Bei PLATIT beliefern wir beispielsweise unsere Schwesterunternehmen für einige Geschäftsbereichen mit Anlagen. Dort ergeben sich sehr spannende Konstellationen. Unsere Schwesterfirmen sind nicht nur Kunden, sondern auch Entwicklungspartner und Referenzen für uns. Wir können Prototypen früher einsetzen, erhalten ehrliches und direktes Feedback und können Innovationen schneller erproben.

Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Entwicklungen praxisnah voranzutreiben, und den Schwesterunternehmen erlaubt es, eigene Strukturen in bestimmten Bereichen schlanker zu halten. Sie brauchen z.B. für Hartstoffbeschichtungen keine eigene Schichtentwicklung, wenn sie auf unser Know-how zurückgreifen können. Gleichzeitig achten wir bewusst darauf, dass keine Pflicht besteht, bei PLATIT zu kaufen. Die Schwesterfirmen dürfen und sollen mit den für sie am besten geeigneten Technologien arbeiten. Damit bleiben alle Unternehmen wettbewerbsfähig und flexibel.

Marco Henry Neumueller: PLATIT ist als einziges Beschichtungsunternehmen ein reiner Anlagenbauer – ohne eigenes Servicegeschäft. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus diesem Modell für euch?

Dominik Blösch: Dieses Modell bringt vor allem Chancen. Unsere Wettbewerber kombinieren Anlagenbau fast immer mit einem Servicegeschäft. Dadurch entsteht ein Interessenkonflikt: Wenn dort eine Innovation entsteht, wird sie zunächst im eigenen Servicegeschäft eingesetzt und erst später auf dem freien Markt verfügbar.

Bei uns gibt es diesen Konflikt nicht. Wir sind neutraler Partner für unsere Kunden. Wenn wir eine Innovation haben, bringen wir sie direkt in den Markt. Unsere Kunden wissen, dass wir ihnen keine Konkurrenz im Service machen. Diese Offenheit und Neutralität ist ein entscheidender Vorteil und einer der Hauptgründe, warum Kunden bei uns kaufen.

Auf der anderen Seite sind wir auf die Zusammenarbeit mit unseren Kunden angewiesen, weil wir kein eigenes Servicegeschäft als Feedback-Kanal haben. Wir schätzen unsere Kunden als Partner, die uns Hinweise auf neue Trends geben – sei es bei Materialien oder Werkzeuggeometrien. Diese enge Kooperation ist für uns zentral, und wir haben gelernt, sie aktiv zu pflegen. Es ist ein Win-Win, da unsere Kunden im Gegenzug von den neusten Erkenntnissen aus der Schichtentwicklung profitieren.

Marco Henry Neumueller: Eure Hauptkonkurrenten sind börsenkotierte Großkonzerne. Wie schafft es PLATIT als KMU, sich in einem global umkämpften Hightech-Markt erfolgreich zu behaupten?

Dominik Blösch: Unser Erfolgsfaktor sind die Menschen. Am Ende sind es nicht Patente oder Anlagen allein, sondern die Talente, die auf unseren Maschinen neue Beschichtungstechnologien und Rezepte entwickeln.

Als Mittelständler haben wir den Vorteil, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Talente frei entfalten können. Bei uns braucht niemand 20-seitige Anträge, um eine Idee zu testen. Wir sind unbürokratisch, flach organisiert und geben Raum für Kreativität. Das führt dazu, dass wir Entwicklungen kostengünstiger und schneller vorantreiben können. Bei uns dürfen Techniker ihre Arbeitszeit effektiv für Innovationsarbeit einsetzen und müssen sich nicht mit langwierigen Meetings, Bürokratie oder firmenpolitischen Machtspielen herumschlagen.

Unterschiede gibt es auch im Management: Wir haben keine überdimensionierten Strukturen, keine Manager mit mehreren Assistenten. Selbst ich als CEO übernehme fachliche Arbeit im Tagesgeschäft. Diese Kultur der Nähe und Pragmatik ist ein Grund, warum wir erfolgreich sind.

Marco Henry Neumueller: Du hast Vorträge oder Beiträge zur Wiederaufbereitung in Herstellerqualität gestaltet – ein nachhaltiger Ansatz. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Dich im Kontext von PLATIT – und wie setzt ihr das um?

Dominik Blösch: Für mich hat Nachhaltigkeit zwei Ebenen. Zum einen ist unsere Technologie selbst ein enormer Hebel. Wenn wir mit einer neuen Schicht die Lebensdauer von Werkzeugen nur um zehn Prozent verlängern, hat das einen riesigen Multiplikator auf den CO₂-Verbrauch. Denn die Herstellung von Hartmetallwerkzeugen ist extrem energieintensiv, während die Beschichtung selbst nur einen kleinen Bruchteil des Energieaufwands darstellt. Verlängern wir die Nutzungsdauer, reduzieren wir den Bedarf an Neuproduktion massiv.

Zum anderen setzen wir auf Wiederaufbereitung. Viele Werkzeuge können nachgeschliffen und erneut beschichtet werden. Entscheidend ist, dass die Performance dabei nicht leidet. Mit unseren Lösungen stellen wir sicher, dass ein nachgesetztes Werkzeug die volle ursprüngliche Leistungsfähigkeit hat. Das ist ökologisch wie ökonomisch sinnvoll – und ich glaube nur an Nachhaltigkeit, wenn sie auch wirtschaftlich erfolgreich ist.

Marco Henry Neumueller: Die Blösch-Gruppe besteht seit 1947, gegründet von Walter Blösch, mit starker Verwurzelung in Familienverantwortung und Innovation. Welche dieser historischen Werte sind Dir heute besonders wichtig – und wo willst Du eigene, neue Impulse setzen?

Dominik Blösch: Innovation ist unser wichtigster Wert – und zwar Innovation mit eigenen Lösungen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Geschichte. Mein Großvater durfte damals nur in der Uhrenindustrie arbeiten, wenn er nachweisen konnte, dass seine Beschichtung besser war als alles, was es schon gab. Er entwickelte galvanische Goldschichten, die härter und kratzfester waren als bestehende Lösungen, und schaffte damit den Durchbruch.

Dieser Anspruch – besser zu sein als der Markt – ist bis heute unsere Basis. Wir haben nie Technologien einfach eingekauft, sondern stets selbst entwickelt. Diese Authentizität ist Teil unserer DNA. Für mich ist es zentral, diesen Geist weiterzutragen: Tradition und Innovation gehen Hand in Hand.

Marco Henry Neumueller: Seit 2017 ist die dritte Generation aktiv in der Leitung (Pascale, Patrick, Du). Was treibt Dich persönlich an in Deiner Rolle – was möchtest Du in den nächsten 2-3 Jahren für PLATIT erreichen?

Dominik Blösch: Mein persönliches Ziel ist es, PLATIT als Familienunternehmen zukunftssicher aufzustellen. Das bedeutet in der heutigen Welt vor allem: Risiken diversifizieren.

Wir haben heute schon verschiedene Geschäftsmodelle, Märkte und Regionen, aber wir wollen diese Balance weiter ausbauen. Abhängigkeiten – zum Beispiel vom Verbrennungsmotor oder von einzelnen Regionen – müssen reduziert werden. Unser Ziel ist es, gleichwertige und stabile Standbeine in unterschiedlichen Märkten zu entwickeln, um resilient gegenüber Krisen, regulatorischen Änderungen oder geopolitischen Schocks zu sein.

So können wir das Unternehmen langfristig im Familienbesitz weiterentwickeln – robust und unabhängig von kurzfristigen Entwicklungen. Das treibt mich an.

Marco Henry Neumueller: Dominik, ich danke Dir für diesen spannenden Austausch.