Benjamin Ferreau

Die Kunst der Transformation – Was Unternehmereltern von ihren Nachfolgern lernen können

Veröffentlicht von

von Benjamin Ferreau in Vertretung für seine Co-Autoren Morten Wolff, Michael Munder, Michael vom Sondern & Francesco Ferreri.

Eine Ableitung aus dem Buch „Die Kunst der Transformation – Was Führungskräfte vom Elternsein lernen können“ (Springer Gabler, 2025)

Abstract
In unserem Buch „Die Kunst der Transformation“ haben wir beschrieben, was Führungskräfte vom Elternsein lernen können – über Geduld, Vertrauen, Zuhören und das Loslassen. Doch je länger wir uns mit dem Thema beschäftigten, desto klarer wurde uns: Diese Erkenntnisse sind keine Einbahnstraße.
Es gibt eine Umkehrbewegung – eine neue Perspektive: Was können Eltern – insbesondere Unternehmereltern – von ihren Nachfolgern lernen?
Denn in der Nachfolge zeigt sich Transformation in ihrer reinsten Form: persönlich, emotional, existenziell.
Die nächste Generation ist nicht nur Empfänger eines Erbes, sondern aktiver Einflussfaktor auf das Zielbild der Zukunft.
Und genau das ist Transformation.

buch cover
Ferreau, B. et al. (2025): „Die Kunst der Transformation – Was Führungskräfte vom Elternsein lernen können“. Springer Gabler, Berlin.
  1. Transformation als Spiegel des Generationenwechsels
    Im Buch definieren wir Transformation als die notwendige Reaktion eines Unternehmens auf multiple, interne und externe Einflussfaktoren, die den aktuellen Zustand des Geschäftsmodells im Hinblick auf das Zielbild beeinflussen.“
    Diese Definition gilt nicht nur für Organisationen – sie gilt auch für Familien. Denn kaum etwas verändert sich so tiefgreifend wie das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, wenn Verantwortung weitergegeben wird.
    Im Unternehmen wie im Leben bedeutet Transformation: Nicht nur Systeme verändern sich – Menschen verändern sich mit.
    Für Unternehmerfamilien heißt das: Wenn die Nachfolger ins Spiel kommen, verändert sich das gesamte System – nicht, weil sie alles anders machen wollen, sondern weil sie selbst ein neuer, entscheidender Einflussfaktor sind, um auf neue Rahmenbedingungen und veränderte Erwartungen reagieren zu können.
    Sie bringen ein anderes Verständnis von Arbeit, Sinn und Erfolg mit – und fordern uns heraus, unser eigenes Zielbild zu hinterfragen.
  2. Vom Bewahren zum Verstehen – das Loslassen als Kompetenz
    In „Die Kunst der Transformation“ schreiben wir, dass erfolgreiche Führung aus Empathie, Kommunikation und Flexibilität besteht – Fähigkeiten, die Eltern tagtäglich trainieren.
    Doch in der Nachfolge erleben wir die Umkehr: Die Kinder, die Nachfolger, lehren uns, dass Loslassen kein Verlust ist, sondern eine Haltung.
    Sie zwingen uns – liebevoll, aber bestimmt – zum Perspektivwechsel: Was bedeutet Führung, wenn man sie teilt? Was bedeutet Erfahrung, wenn sie zur Ressource, nicht zur Regel wird?
    Eltern lernen in dieser Phase, was wir im Buch als veränderungsfähige Strategie beschreiben:
    Das Ziel bleibt bestehen, aber der Weg dorthin darf sich verändern.
    Und genau darin liegt die eigentliche Kunst – nicht im Erhalt, sondern in der Evolution des eigenen Werkes.
  3. Die Analogie transformiert sich
    Im Buch haben wir Analogien zwischen Elternsein und Führung gezogen: Führungskompetenz als Vorbildfunktion, strategische Fähigkeiten als Weitsicht, Kommunikation als Zuhören, soziale Kompetenz als Empathie, Selbstmanagement als Balance. Wenn wir diese Analogien in die Nachfolge überführen, verändern sie sich:
    ▪ Führungskompetenz wird zu Vertrauenskompetenz – Eltern lernen, anderen die Führung zuzutrauen.
    ▪ Strategische Fähigkeiten werden zu Adaptionsfähigkeit – die Nachfolger verändern den Kurs, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren.
    ▪ Kommunikation wird zu Dialog – aus Ansprache wird Aushandlung, auf Augenhöhe.
    ▪ Soziale Kompetenz wird zu Demut – die Erkenntnis, dass Weitergabe nicht Besitzverlust, sondern Sinnstiftung ist.
    ▪ Selbstmanagement wird zu Selbsttransformation – die Fähigkeit, sich im eigenen System neu zu verorten, nicht als Entscheider, sondern als Ermöglicher.
    Diese Transformation der Analogien zeigt: Was im Elternsein beginnt, setzt sich in der Nachfolge fort – nur in umgekehrter Richtung.
  4. Das Zielbild – gemeinsam, nicht vererbt
    In der Unternehmensführung sprechen wir vom Zielbild als Nordstern. In der Familie wird daraus ein gemeinsamer Horizont.
    Die Frage ist nicht: „Wie bleibt das Unternehmen, was es war?“ Sondern: „Wie bleibt es bedeutsam, wenn es anders wird?“
    Die Nachfolger bringen neue Narrative, neue Technologien, neue Werte. Und vielleicht ist genau das der Moment, in dem Eltern lernen, was Transformation wirklich bedeutet:
    Nicht zu führen, sondern Platz zu machen. Nicht zu bewahren, sondern zu verbinden.
  5. Transformation der Perspektive
    Die Idee für diesen Artikel entstand erst jetzt – als Fortsetzung des Denkens, das beim Schreiben unseres Buches begonnen hat. Schon damals wurde uns klar: Die Parallelen zwischen Familie und Führung sind keine Metapher – sie sind Realität.
    Im Unternehmen wie im Leben sind wir nie „fertig transformiert“ – wir sind immer mittendrin. Unsere Kinder erinnern uns daran, dass Transformation nichts ist, das wir managen können. Sie ist ein Zustand – lebendig, unvollkommen, ehrlich.
    Vielleicht ist das die eigentliche Lehre, die Eltern von ihren Nachfolgern lernen können: Dass Zukunft nicht in den Händen derer liegt, die sie planen, sondern in denen, die sie gestalten dürfen.

Schlussgedanke
Wenn Eltern und Nachfolger verstehen, dass sie Teil desselben Transformationsprozesses sind – nur auf unterschiedlichen Ebenen –, entsteht etwas Neues: eine gemeinsame Verantwortung, die Vergangenheit würdigt und Zukunft zulässt.
Transformation ist kein Generationenwechsel. Transformation ist die Verbindung zwischen den Generationen.