Man könnte fast versucht sein, diese Frage zu stellen, nachdem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine Industriestrategie 2030 vorstellte und dabei einen starken Fokus auf große Unternehmen legte. Kritik ließ (was zu erwarten war) nicht lange auf sich warten. Die Wirtschaft, insbesondere die mittelständische, echauffierte sich offen über Altmaier.
Justus Haucap, der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission und aktuell Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Düsseldorf betonte in einem Interview im Deutschlandfunk die Innovationskraft, für die der Mittelstand doch berühmt sei.
„Der Innovationsmotor war und ist immer noch der Mittelstand, gerade keine großen Unternehmen. Und da scheint mir ein bisschen der Fokus zu fehlen, dass wir eigentlich mehr tun müssen, um den Mittelstand innovativ zu halten und nicht so sehr die großen Unternehmen.“
Justus Haupcap, Uni Düsseldorf
Doch, trifft dies tatsächlich immer noch zu? Oder entspricht dies vielmehr Wunsch als Wirklichkeit? Die FAZ fragte vor gut einem Jahr ganz provokativ: „Geht dem Mittelstand die Luft aus?“ Dabei stützte man sich auf eine Untersuchung des IW (Institut der Deutschen Wirtschaft Köln) aus dem Jahre 2015 – aktuellere Daten liegen nicht vor. Die Zahl der innovativen Mittelständler sinkt demnach seit einigen Jahren. Studien zeigen, dass 2015 nur noch rund zwei Drittel der Mid Caps mit bis zu 1.000 Mitarbeitern regelmäßig neue Prozesse und Produkte einführen. Vergleicht man dies mit den Zahlen fünf Jahre zuvor, waren es immerhin noch rund 75 Prozent. Bei kleineren Unternehmen (KMU) liegt der Wert inzwischen sogar nur noch bei 62 Prozent – ein Rückgang um zehn Prozentpunkte.
„Der Mittelstand zieht sich in erheblichem Umfang aus der Forschung zurück.“
Dr. Klaus-Heiner Röhl, IW Köln
Wenn diese Zahlen die Innovationsmüdigkeit der deutschen Wirtschaft aufzeigen, steht möglicherweise die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, und damit sein Erfolgskonzept, auf dem Spiel. Das Klima ist ohnehin bereits durch einen unberechenbaren US-Präsidenten und den Eiertanz der Briten härter geworden. Hinzu kommt, dass man zumindest mittelfristig mit einer Eintrübung rechnen muss. Ein so langes Wirtschaftswachstum am Stück ist in Deutschland exemplarisch und gab es davor noch nicht.
Doch wie so häufig gibt es auch hier eine andere Sichtweise. Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) kommt mit einer Studie zu einem etwas anderen Ergebnis. Fraglich ist dabei auch, was man unter Innovation versteht. Bekanntlich können Wissenschaftler immer nur das auswerten, was messbar ist. Und so wird der Hauptaugenmerk nur allzu oft auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) gelegt. Damit wird aber per se ein Großteil des Mittelstandes nicht berücksichtigt. Eine Untersuchung über den sogenannten nicht forschenden Mittelstand zeigt, dass nahezu 75% der Unternehmen mit weniger als 250 Mio. € Umsatz / Jahr kein explizit ausgewiesenes Budget für F&E-Tätigkeiten haben. Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, sie seien nicht innovativ wäre fatal. Innovationen haben ganz verschiedene Ausprägungen.
„Sie [Innovationen] können auch in Form von kontinuierlichen Weiterentwicklungen von Produkten und Prozessen erfolgen oder auf dem Angebot von produktbezogenen Dienstleistungen beruhen.“
Sigrun Brink, IfM
Auch im verarbeitenden Gewerbe ist die F&E-Quote als Innovationsindikator nur noch bedingt geeignet, zumal der Servicebereich immer dominanter wird.
Bei nicht forschenden mittelständischen Unternehmen geht die Innovationsleistung häufig von einer einzelnen Person aus: Vom Firmeninhaber oder der technischen Führungskraft. Auch finden sich kleine und mittelständische Unternehmen, die ja durchaus gerne etwas Innovatives entwickeln würden, auf Grund der aktuell hohen Auslastung aber keine Zeit dafür finden. Auch wenn das sicherlich zu kurz gedacht ist, sehen diese Unternehmen keinen Anlass, in neue Produkte zu investieren, solange sie ausgelastet sind. Dieses Phänomen findet man vornehmlich bei kleineren Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern.
Die Innovationskraft korreliert auch mit der Branchenzugehörigkeit. So stellen beispielsweise im Maschinenbau die Unternehmen in Zeiten einer konjunkturellen Hochphase mehr Innovationsprojekte zurück als in einer Rezession. Und, wie soll es anders sein, hat auch der Kunde zum Teil Schuld:
„Im Maschinen- und Anlagenbau bevorzugen etliche Kunden eine bewährte Technik, die sich gut in den etablierten Produktionsprozess einpasst. Entsprechend stellen viele Maschinenbau primär Standardmaschinen her. Nicht weil sie ´uninnovativ´ wären, sondern weil abweichende Module nicht zu den bereits bestehenden Anlagen passen.“
Dr. Christian Rammer, ZEW
Innovationen haben viele Gesichter; einige davon sind nicht immer sichtbar und leisten dennoch einen (erheblichen) Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit. Haben Unternehmen früher vornehmlich Geld mit der Herstellung von Maschinen verdient, treten an diese Stelle heutzutage produktbezogene Dienstleistungen, Wartungs- und Leasingangebote oder bezahlte Schulungen. Der Servicegedanke spielt eine immer größere Rolle.
Abschließend bleibt der gut gemeinte Rat, sich nicht auf den Erfolgen auszuruhen. Schon die Lateiner wussten: Fortes fortuna adiuvat (Den Mutigen/Tüchtigen hilft das Glück) – um alle anderen kümmert sich Darwin.