Lara Kufferath ist CEO der GKD – Gebr. Kufferath AG mit Hauptsitz in Düren (NRW).
Marco Henry Neumueller: Du hast im Juli 2024 die Position der CEO übernommen und führst das Unternehmen in vierter Generation. Wie hast Du diesen Übergang erlebt, und welche Herausforderungen und Chancen siehst Du in Deiner neuen Rolle?
Lara Kufferath: Der Übergang in die Rolle als CEO war ein Prozess, der über mehrere Jahre hinweg gestaltet wurde. Ich bin Anfang 2019 ins Unternehmen eingestiegen, als Leiterin der Unternehmensentwicklung – eine Position, die speziell für meinen Einstieg geschaffen wurde. Das war zunächst ungewöhnlich, weil man häufig davor warnt, dass Nachfolger aus der Familie direkt in maßgeschneiderte Positionen wechseln. Doch nach Gesprächen mit dem damaligen operativen Management entschieden wir uns, diese Rolle zu etablieren, um Themen anzugehen, die zuvor weniger priorisiert wurden – wie Digitalisierung und Transformation.
Zu Beginn war völlig offen, ob ich die CEO-Position eines Tages übernehmen würde. Für mich war es essenziell, erst einmal herauszufinden, ob ich und das Unternehmen zueinander passen. Diese Zeit nutzte ich, um mich in alle Prozesse einzuarbeiten, erste Verantwortung zu übernehmen und das Unternehmen von innen heraus zu verstehen. Parallel dazu habe ich mich bewusst abgegrenzt. Es gab keine Ansage im Sinne von „Lara wird mal CEO“ – diese Entscheidung entstand organisch.
Der eigentliche Generationswechsel wurde 2021 durch eine Erweiterung des Vorstands eingeleitet. Ich wurde seinerzeit als CDTO in den Vorstand berufen, wie auch unser damaliger Finanzchef als CFO. Mein Vater und mein Onkel, die zuvor die Geschäftsführung als Doppelspitze innegehabt hatten, signalisierten damals, dass sie ihren Rückzug bis zum 100-jährigen Firmenjubiläum im Juni 2025 planen würden. Um den Übergang vorzubereiten, holten wir neue Vorstände ins Team: Dr. Daniel Holstein trat 2023 die Nachfolge meines Onkels an, und Ilonka von Bodman löste im März 2023 als neue CFO altersbedingt unseren bisherigen Finanzvorstand ab Diese Erweiterung des Vorstands war ein bewusster Schritt, um frische Perspektiven einzubringen und die Führung schrittweise zu übergeben.
Letztlich verlief der Wechsel schneller als geplant, da die eingeleiteten Veränderungen eine große Dynamik entwickelten. Für mich bedeutete dies, dass ich bereits im Juli 2024 die Rolle als CEO übernahm, während mein Onkel und mein Vater ihre Tätigkeit bereits zwei respektive ein Jahr früher als geplant beendeten. Eine Herausforderung in meiner neuen Position ist die Verantwortung für zwei Vorstandsressorts: Neben meinem bisherigen Ressort Digitalisierung und Transformation habe ich den globalen Vertrieb und das Marketing übernommen. Mir macht es großen Spaß, damit wieder näher an Produkte und Kunden zu kommen und auch hier neue Impulse setzen zu können. Obwohl ich nicht aus dem klassischen Vertrieb komme, habe ich mich in den letzten Jahren immer wieder mit unserer Vertriebsstrategie beschäftigt und mitgewirkt, sodass wir auch hier strukturierter, transparenter und vernetzter arbeiten. Wir müssen auch im Vertrieb in neuen Strukturen denken, um weiter wachsen zu können.
Marco Henry Neumueller: Du hast angekündigt, den weltweiten Umsatz der GKD Group verdoppeln zu wollen. Welche konkreten Strategien und Maßnahmen planst Du, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen?
Lara Kufferath: Die Verdopplung des Umsatzes ist ein Ziel, das auf einem strukturierten Strategieprozess basiert, den wir bereits 2020 initiiert haben. Damals haben wir uns bewusst gefragt, wo wir in fünf Jahren stehen wollen und wie wir diese Ziele erreichen können. Dieser Planungsansatz, der weit über kurzfristige Maßnahmen hinausgeht, war für unser Unternehmen eine bedeutende Neuerung. Statt wie zuvor nur jährlich zu planen, denken wir jetzt in mehrjährigen Horizonten und richten unsere Ressourcen entsprechend aus.
Wichtig ist zu betonen, dass dieses Ziel nicht von oben diktiert wurde. Es entstand aus einem umfassenden Prozess, in dem unsere globalen Vertriebsteams ihre Wachstumsprognosen und Potenziale eingebracht haben. Dabei zeigte sich, dass wir durch organisches Wachstum, Innovationen und neue Geschäftsfelder realistische Chancen haben, den Umsatz zu verdoppeln.
Unsere Wachstumsstrategie basiert auf mehreren Säulen. Erstens setzen wir stark auf nachhaltigkeitsgetriebene Geschäftsfelder wie Wasseraufbereitung, Mikroplastik-Filtration und CO2-Reduktion. Zweitens investieren wir in Produktinnovationen, etwa durch neue Anwendungen in der Batterietechnologie oder die Erweiterung unseres Portfolios in der Verpackungsindustrie. Drittens fokussieren wir uns auf die Erschließung neuer regionaler Märkte, insbesondere außerhalb Europas, wo wir bereits mehr als 50 % unseres Umsatzes generieren.
Ein entscheidender Faktor ist die Operationalisierung der Strategie. Es reicht nicht, ambitionierte Ziele zu formulieren – wir müssen konkrete Maßnahmen definieren, die diese Ziele erreichbar machen. Dazu gehören Investitionen in Technologie, die gezielte Weiterentwicklung unseres Teams und die Optimierung unserer Prozesse. Mein Part ist es, diesen Prozess zu moderieren, sicherzustellen, dass unsere Planungen robust sind, und gleichzeitig die Ambition innerhalb der Organisation zu fördern.
Ich sehe es als meine Aufgabe, nicht nur Visionen zu entwickeln, sondern auch die Umsetzung sicherzustellen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind: 2021, 2022 und 2023 waren Rekordjahre für unser Unternehmen – sowohl im Umsatz als auch im Ertrag. Jetzt geht es darum, diesen Kurs konsequent fortzusetzen – auch wenn die weltweiten Rahmenbedingungen dynamischer werden.
Marco Henry Neumueller: Als ehemalige Chief Digital & Transformation Officer hast Du digitale Transformations- und Innovationsprozesse verantwortet. Wie planst Du, die Digitalisierung weiter voranzutreiben, und welche Rolle spielt Innovation in Deiner Unternehmensstrategie?
Lara Kufferath: Digitalisierung ist ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie – sowohl intern als auch auf Produktebene. Intern stehen wir vor der Herausforderung, unsere Prozesse global zu harmonisieren und skalierbar zu machen. Dazu gehört unter anderem die Einführung von SAP in allen Standorten. Dieses Projekt ist ein Meilenstein für uns, da es eine Basis für die Automatisierung und Effizienzsteigerung in vielen Bereichen schafft.
Darüber hinaus explorieren wir innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und datenbasierte Lösungen, um sowohl die Produktion als auch den Kundenservice zu optimieren. Gleichzeitig investieren wir in die Digitalisierung unserer Produkte. Unsere Kunden erwarten zunehmend smarte, vernetzte Lösungen, und wir arbeiten daran, diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Innovation ist dabei der Schlüssel zu unserem Erfolg. Unsere Stärke liegt in der engen Zusammenarbeit mit unseren Kunden, um maßgeschneiderte Lösungen für komplexe Herausforderungen zu entwickeln. Diese Innovationskraft ist tief in unserer Unternehmenskultur verwurzelt und hat uns zu einem echten „Hidden Champion“ gemacht. Unsere Produkte sind in zahlreichen Branchen tätig, von erneuerbaren Energien bis zur Lebensmittelproduktion. Diese Diversifikation erlaubt es uns, flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren und neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Für mich ist es entscheidend, dass Innovation nicht nur eine Abteilung ist, sondern ein Geist, der die gesamte Organisation durchdringt. Ich möchte eine Kultur fördern, in der alle Mitarbeitenden – unabhängig von ihrer Position – Ideen einbringen und aktiv an der Weiterentwicklung unseres Unternehmens mitarbeiten können.
Marco Henry Neumueller: Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln sind Dir wichtig. Welche konkreten Initiativen hat GKD in diesem Bereich ergriffen, und welche Pläne hast Du für die Zukunft?
Lara Kufferath: Nachhaltigkeit ist für uns nicht nur ein Thema, sondern der Kern unserer Geschäftstätigkeit. Viele unserer Produkte tragen direkt zur Ressourcenschonung und Umweltentlastung bei – sei es durch die Reinigung von Wasser, Mikroplastik-Filtration oder Technologien zur CO2-Reduktion. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir in einer Vielzahl von Industrien tätig sind, die auf Nachhaltigkeit hinarbeiten, wie beispielsweise erneuerbare Energien, Batterietechnologien oder Kreislaufwirtschaft. Diese Vielfalt macht uns nicht nur zu einem „Hidden Champion“, sondern auch zu einem wichtigen Partner für zukunftsweisende Technologien.
Ein Beispiel dafür ist auch unsere Arbeit in der Tailings-Filtration im Bergbau (eigentlich gar keine „grüne“ Industrie), wo wir helfen, Wasser wieder in den Kreislauf zurückzuführen und den ökologischen Fußabdruck dieser Branche zu verringern. Ähnliche Ansätze verfolgen wir in der Lebensmittelindustrie, der Klärschlammentwässerung und anderen Bereichen, die für die Menschheit essenziell sind. Unsere Strategie ist darauf ausgelegt, genau solche Produkte und Technologien weiterzuentwickeln, da wir fest davon überzeugt sind, dass sie langfristig sowohl einen geschäftlichen als auch einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.
Langfristig streben wir an, eine „net positive“-Firma zu werden. Das bedeutet, dass wir nicht nur unseren ökologischen Fußabdruck minimieren, sondern unseren positiven Einfluss auf die Umwelt und die Gesellschaft maximieren wollen. Zum Fußabdruck gehört natürlich auch ganz klassisch, dass wir unseren Lieferketten-Ansatz überdenken, um gemeinsam mit unseren Partnern CO2-Emissionen zu reduzieren. Zwar haben wir als metallverarbeitendes Unternehmen nur bedingt Einfluss auf die Stahlproduktion, die den größten Anteil an unserem CO2-Fußabdruck hat, aber wir können durch Kooperationen und gezielte Investitionen Veränderungen anstoßen.
Beim Handabdruck können wir durch unsere Produkte Mehrwert schaffen, aber auch über die soziale Verantwortung, die wir wahrnehmen. Wir haben vor einigen Jahren eine umfassende Initiative gestartet, um Nachhaltigkeit systematisch in unsere Prozesse zu integrieren. Dazu gehören nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte – etwa als verantwortungsvoller Arbeitgeber oder durch unsere Rolle in der Gesellschaft. Für mich ist es wichtig, dass wir Nachhaltigkeit nicht als Einschränkung, sondern als Chance verstehen. Sie kann uns helfen, neue Märkte zu erschließen, Innovationen voranzutreiben und zugleich unsere Werte zu leben.
Marco Henry Neumueller: Du bist die erste weibliche CEO in der Geschichte der GKD Group und repräsentierst die vierte Generation der Familie. Wie möchtest Du die Unternehmenskultur gestalten, und welche Führungsprinzipien sind Dir besonders wichtig?
Lara Kufferath: Es wird oft betont, dass ich die erste weibliche CEO bin, aber für mich steht weniger mein Geschlecht im Vordergrund als vielmehr die Art und Weise, wie ich Führung verstehe. Ich weiß gar nicht, ob der so weiblich ist. Mein Führungsstil basiert auf den Prinzipien „fordern, fördern und feedbacken“. Ich glaube fest daran, dass gute Führung eine Balance aus Wertschätzung und Leistung erfordert. Es geht darum, klare Ziele zu setzen, konstruktiv Feedback zu geben und die Entwicklung der Mitarbeitenden aktiv zu fördern – ohne dabei in Mikromanagement zu verfallen.
Eine zentrale Rolle spielt für mich die Feedback-Kultur. Als ich 2019 ins Unternehmen kam, war systematisches Feedback, ob positiv oder kritisch, noch nicht in der Unternehmenskultur verankert. Ich habe viel daran gearbeitet, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Kritik als Chance zur Verbesserung gesehen wird. Gleichzeitig ist es mir wichtig, Lob nicht zu vergessen, wenn etwas gut läuft – das ist gerade in der Industrie oft eine Schwachstelle.
Die Zusammenarbeit im Vorstand ist für mich ein besonderes Anliegen. Wir haben viel Wert darauf gelegt, dass die Teammitglieder nicht nur fachlich, sondern auch kulturell zueinander passen. Als wir unsere neuen Vorstandsmitglieder rekrutierten, durchlief auch ich den gleichen, umfassenden Assessment-Prozess, bei dem auch meine Persönlichkeitsmerkmale offen mit den Profilen meiner Kolleg:innen nebeneinander gelegt wurden. Das war fast wie eine „Ehetherapie im Vorfeld“, aber und es hat uns geholfen, gegenseitige Erwartungen und potenzielle Konfliktpunkte frühzeitig zu klären. Heute arbeiten wir als Dreiergespann – zusammen mit Dr. Daniel Holstein und Ilonka von Bodman– in einem Umfeld, das von Vertrauen und Offenheit geprägt ist.
Was die Unternehmenskultur angeht, wünsche ich mir eine Organisation, die leistungsorientiert ist, aber gleichzeitig menschlich bleibt. Wir sollten mutig genug sein, Fehler einzugestehen, und flexibel genug, um daraus zu lernen. Für mich ist es essenziell, dass Politik und Ego keinen Platz in unserer Arbeit haben. Ich möchte ein Umfeld schaffen, in dem alle an einem Strang ziehen und ihre Energie auf die Sache konzentrieren – das ist meiner Meinung nach die Basis für langfristigen Erfolg.
Marco Henry Neumueller: Die Branche steht vor vielfältigen Herausforderungen, darunter technologische Veränderungen und globale Marktbedingungen. Wie positioniert sich GKD, um diesen Herausforderungen zu begegnen und weiterhin als Marktführer zu agieren?
Lara Kufferath: Die Welt wird immer komplexer, und diese Dynamik spiegelt sich in allen Bereichen wider – von geopolitischen Unsicherheiten bis hin zu technologischen Umwälzungen. Für uns bedeutet das, dass wir flexibel bleiben und Risiken genauso wie Chancen aktiv managen müssen. Ein großer Vorteil von GKD ist unsere breite Diversifikation: Wir sind in zahlreichen Branchen tätig und verfügen über ein globales Netzwerk, das uns erlaubt, schnell auf Veränderungen zu reagieren.
Unsere Produktionsstandorte auf mehreren Kontinenten und der hohe Anteil des Umsatzes, der außerhalb Europas generiert wird, geben uns die nötige Resilienz, um in unsicheren Zeiten handlungsfähig zu bleiben. Gleichzeitig nutzen wir unsere globale Präsenz, um neue Märkte zu erschließen und lokal verankerte Lösungen anzubieten. Wir haben in den letzten Jahren viel in die Entwicklung lokaler Teams investiert, die nicht nur die regionale Expertise stärken, sondern auch eng mit unserem globalen Netzwerk verbunden sind.
Risikomanagement ist heute wichtiger denn je. Wir analysieren regelmäßig unsere Lieferketten, um sicherzustellen, dass wir auf mögliche Unterbrechungen vorbereitet sind. Gleichzeitig setzen wir auf Innovation, um uns technologisch weiterzuentwickeln und unseren Vorsprung zu sichern. Dazu gehört, dass wir Trends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft frühzeitig erkennen und in unsere Strategien integrieren.
Für die Zukunft sehe ich GKD als Unternehmen, das nicht nur auf Herausforderungen reagiert, sondern aktiv gestaltet. Wir wollen nicht nur Marktführer in unseren Bereichen bleiben, sondern auch neue Standards setzen – sei es durch technologische Innovationen, nachhaltige Geschäftsmodelle oder eine Unternehmenskultur, die Exzellenz und Menschlichkeit miteinander verbindet. Dafür braucht es Mut, Agilität und eine klare Vision – Werte, die ich in meiner Rolle als CEO täglich vorleben möchte.
Marco Henry Neumueller: Liebe Lara, ganz herzlichen Dank für den erfrischenden und offenen Austausch.