Dr. Marco Henry Neumueller und Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert

FiFo Talk mit Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert über den Quereinstieg in Familienunternehmen, deren verzerrte Wahrnehmung in der Gesellschaft und die notwendige Demut von Fremdmanagern

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Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert ist Geschäftsführerin der EQUA Stiftung in München.

Marco Henry Neumueller: Liebe Frau Haftlmeier-Seiffert, Sie waren nach Ihrem Studium und Promotion 13 Jahre in einem Familienunternehmen, zuletzt als stellvertretende Geschäftsführerin tätig. Was haben Sie in dieser Zeit über diese besondere Spezies lernen dürfen?

Zunächst habe ich an meinem eigenen Weg erfahren, dass man in einem Familienunternehmen auch als Quereinsteiger*in erfolgreich sein kann. Wenn es eine Passung gibt, wenn die Sympathie stimmt, wenn eine intrinsische Motivation vorhanden ist, kann man unglaublich viele Dinge gestalten und bewegen.

Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert

Rena Haftlmeier-Seiffert: Zunächst habe ich an meinem eigenen Weg erfahren, dass man in einem Familienunternehmen auch als Quereinsteiger*in erfolgreich sein kann. Wenn es eine Passung gibt, wenn die Sympathie stimmt, wenn eine intrinsische Motivation vorhanden ist, kann man unglaublich viele Dinge gestalten und bewegen. Dies wäre in einer starren Organisationsstruktur einfach unmöglich. Aber ich habe natürlich auch die Downsides kennengelernt: beispielsweise die Diadochenkämpfe unter den Söhnen der 4. Generation. Ich habe alle Schwierigkeiten miterlebt, so dass ich natürlich auch da ein Stück Lebenserfahrung gesammelt habe.

Marco Henry Neumueller: Seit 2006 sind Sie Geschäftsführerin der EQUA-Stiftung. Was hat Sie an dieser Herausforderung gereizt und warum findet man Sie 14 Jahre später noch immer hier? Job Hopping kann man Ihnen ja nun wahrlich nicht unterstellen.

Rena Haftlmeier-Seiffert: Mein Lebenslauf ist auch ohne Job-Hopping nicht allzu gerade. Denn ich bin niemand, der als Bäcker geboren wurde und als Bäcker sterben wird. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich promovierte Literaturwissenschaftlerin und habe fünf Jahre an der Universität in diesem Fach gearbeitet und bin dann in ein Familienunternehmen im Umfeld Maschinenbau gegangen. Da hat mich dann quasi wieder meine Herkunft eingeholt, denn ich habe nicht nur auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium mein Abitur gemacht, ich komme auch aus einem Konstrukteurshaushalt.

Die EQUA Stiftung war damals, als ich einstieg, noch fast jungfräulich, d.h. sie war zwar gegründet, aber sie war noch nicht richtig operativ tätig. Natürlich hat es mich gereizt, dies ausgestalten zu können; und es reizt mich bis heute. Denn ich kann viel so tun, wie ich es für richtig halte. Und dies liegt daran, dass mir vom Stiftungsvorstand und der Stiftungsgründerfamilie von Anfang an großes Vertrauen als Vorschuss entgegengebracht wurde und immer noch wird. Nichts ist so motivierend wie Vertrauen. Ich kenne wenige Fällte, wo Vertrauen ausgenutzt wurde, aber sehr viele Fälle, wo Vertrauen enorm anspornt. Die EQUA Stiftung ist nun nach 14 Jahren definitiv nicht mehr das, was sie vor 14 Jahren war. Ich habe sie nach meinen Vorstellungen (etwas anderes kann ich ja auch gar nicht), nach bestem Wissen und Gewissen, entwickelt.

Marco Henry Neumueller: Familienunternehmen sind das Wurzelgeflecht einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft. Es wurde ihnen in der Vergangenheit hohe Innovationskraft bescheinigt. Nun wird ihnen in neueren Studien vielfach fehlende Innovations- und Digitalisierungsfähigkeit unterstellt. Was glauben Sie, wie kommt es zu dieser negativen Einschätzung?

In der Öffentlichkeit wird leider geglaubt, dass Familienunternehmen klein sind. Sie werden immer noch mit der Größe verbunden und nicht mit einer besonderen Struktur.

Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert

Rena Haftlmeier-Seiffert: Ich denke, dass Sie es richtig formuliert haben. Es ist eine negative Einschätzung. Ich glaube aber, die Realität sieht anders aus. Es gibt auch Studien, die durchaus zeigen, wie flexibel und innovativ Familienunternehmen sind; teilweise viel flexibler, viel innovativer als Nicht-Familienunternehmen. Sie nehmen zwar in der Regel weniger Geld dafür in die Hand, aber das, was am Ende in Bezug auf Digitalisierung oder Innovation, hinten rauskommt, ist deutlich mehr. Ich will damit sagen, dass ich glaube, es ist eine Art Unterstellung. Wo kommt diese her? In der Öffentlichkeit wird leider geglaubt, dass Familienunternehmen klein sind. Sie werden immer noch mit der Größe verbunden und nicht mit einer besonderen Struktur. Familienunternehmen können zwar durchaus klein sein, und viele sind das auch, aber sie können auch riesengroß sein. Familienunternehmen bezeichnet eine Struktur, eine Eigentümerstruktur und damit eben auch eine Verantwortungsstruktur, aber dieser Begriff ist keinesfalls eine Größenbezeichnung. Auf Grund der Verbindung mit der (kleinen) Größe wird aber unterstellt, dass Familienunternehmen natürlich nicht so viele Möglichkeiten haben. Daher mag der Vorwurf kommen, sie seien nicht innovativ oder wären in Sachen Digitalisierung hinten dran.

Das nächste ist, Familienunternehmen werden sehr häufig mit Konservativismus verbunden. Dies mag da herkommen, dass sie Werte leben. Und Werte werden schnell in Verbindung mit Konservativismus gebracht. Aber wie wir wissen, auch Greta hat Werte, und diese sind alles andere als konservativ. Und dennoch ist in der Vorstellung der Gesellschaft ein wertebasiertes Familienunternehmen etwas Konservatives und im Umkehrschluss deshalb nicht innovativ.

Ich kenne ganz viele Familienunternehmen, die schon sehr früh eine vollautomatische Produktion hatten, in welcher Losgröße 1 möglich ist; zu einer Zeit, in der weltweit, insbesondere in Asien, noch in großen Losgrößen gedacht wurde. In Deutschland kann man aber aufgrund einer starken Digitalisierung in der Produktion Losgröße 1 fahren und ist dabei trotzdem oder gerade deshalb profitabel, weil im Lager viel weniger Kapital gebunden ist und auf Kundenwünsche flexibel reagiert werden kann. Dies ist nur ein Beispiel. Ich kenne viele Familienunternehmen, die bei diesen Themen ganz vorne mit dabei sind. Natürlich gibt es aber auch solche, die es verschlafen haben. Viele Familienunternehmen sind auch nicht bereit, dafür ganz so viel Kapital einzusetzen. Man scheut das große Risiko, wenn doch die derzeitige Produktion lukrativ ist.

Wie auch immer, ich denke, man muss schon sehr genau hinsehen, was solche Studien untersuchen. Häufig wird untersucht, wieviel Geld für Digitalisierung ausgegeben wird. Familienunternehmen haben dann nicht selten ein kleineres Budget dafür ausgewiesen. Betrachtet man aber den Output, wird man relativieren müssen. Der Output wird häufig bei solchen Studien nicht mitgemessen, zumal diese Größe natürlich viel weniger konkret und schlechter bzw. in unmittelbaren Zahlen greifbar ist, während der Einsatz von finanziellen Mitteln sich so schön numerisch ausdrücken lässt. Ich will damit keineswegs sagen, dass Familienunternehmen immer die Nase bei der Digitalisierung vorn haben. Sondern man muss differenzierter hinsehen. Es gibt wohl beides: hoch innovative Unternehmen, die ganz vorne mit dabei sind in Sachen Digitalisierung, und es gibt Familienunternehmen, die eher Schlusslicht sind. Ich befürchte, dass Mittelmaß gibt es eher weniger.

Marco Henry Neumueller: Familienunternehmen und börsennotierte Konzerne unterschieden sich als Arbeitgeber sehr deutlich. Wann ist jemand für eine Karriere im Familienunternehmen gemacht?

Diese Person [Fremdmanager in Familienunternehmen, Anm.] muss eine gewisse Demut mitbringen. Demut ist zwar ein altmodisches Wort, aber es ist ein gutes Wort. Zumal, wenn man es nicht nur im Sinne einer persönlichen Demut versteht, sondern als Demut vor der Geschichte, Demut vor den gelebten Werten, Demut vor dem gemeinsam Geschaffenen, dem gemeinsam Geschafften. Man muss sich hier einreihen können und das geht nur mit einer gewissen Demut.

Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert

Rena Haftlmeier-Seiffert: Diese Person muss eine gewisse Demut mitbringen. Demut ist zwar ein altmodisches Wort, aber es ist ein gutes Wort. Zumal, wenn man es nicht nur im Sinne einer persönlichen Demut versteht, sondern als Demut vor der Geschichte, Demut vor den gelebten Werten, Demut vor dem gemeinsam Geschaffenen, dem gemeinsam Geschafften. Man muss sich hier einreihen können und das geht nur mit einer gewissen Demut. Wenn jemand sehr selbstverliebt ist, dann passt er oder sie nicht in ein Familienunternehmen. Diese Person muss sich einordnen können. Dabei meine ich nicht eine Unterordnung unter eine Person, sondern eine Einordnung in eine Wertestruktur; und man muss loyal zu dieser stehen können. Das sind Grundvoraussetzungen. Wenn jemand alleine brillieren möchte und sozusagen jeden Erfolg auf sich bezieht, dann passt diese Person nicht in ein Familienunternehmen.

Marco Henry Neumueller: Worauf sind Sie in Ihrem Leben besonders stolz?

Rena Haftlmeier-Seiffert: Auf meine Kinder und dass ich es geschafft habe, Familie und Beruf zu vereinen.

Marco Henry Neumueller: Bitte beenden Sie den Satz: Wenn ich einen Tag in der Haut eines bekannten Familienunternehmers stecken könnte, würde ich…

Rena Haftlmeier-Seiffert: …ein Mann sein. Sie haben nach einem Familienunternehmer (!) gefragt [lacht].Nun, Sie sprechen von nur einem Tag… An einem Tag würde ich vermutlich business as usual machen; einfach das, was ansteht, wohl viele Entscheidungen treffen. Ein Tag ist nicht viel Zeit. Und da Familienunternehmen langfristig denken, genügt ein Tag sicherlich nicht, um etwas grundlegend zu verändern.

Marco Henry Neumueller: Ganz herzlichen Dank für das gute Gespräch.

Über Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert

Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert ist seit 2006 Geschäftsführerin der EQUA-Stiftung. Nach dem Studium der Literaturwissenschaften und weiteren fünf Jahren in Forschung und Lehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) in diesem Bereich arbeitete sie 13 Jahre lang auf verschiedenen Positionen in einem traditionsreichen Familienunternehmen des Maschinenbaus und gehörte dort zuletzt der Geschäftsführung an.
Sie ist in ihrer Funktion als EQUA-Geschäftsführerin heute als Dozentin an verschiedenen Universitäten und unabhängigen Institutionen tätig und hat zahlreiche Aufsätze und Bücher zum Thema Familienunternehmen und Unternehmerfamilie bzw. passive Gesellschafter von Familienunternehmen veröffentlicht. Außerdem ist sie Ansprechpartnerin für Mitglieder von Unternehmerfamilien und moderiert Umbruchs- und Veränderungsprozesse in Gesellschafterkreisen.

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