Philipp Haindl ist Gründer und aktiver Gesellschafter der Serafin Gruppe in München.
Marco Henry Neumueller: 2001 wurde die Firma Haindl Papier an den finnischen UPM-Kymmene-Konzern verkauft. Sie waren damals noch mitten im Studium. Irgendwann haben Sie dann beschlossen, eine Unternehmensgruppe zu gründen, die in mittelständischen Unternehmen investiert. Was ging Ihnen damals durch den Kopf?
Philipp Haindl: Fangen wir beim Verkauf an. Noch im Studium habe ich überlegt, vielleicht irgendwann einmal in die Firma einzusteigen. Das war aber noch in weiter Ferne. Es hätte vorher sowieso noch die eine oder andere externe Station geben müssen, durch den Verkauf wurde das obsolet. Bereits während des Studiums war mir klar, dass ich etwas Eigenes aufbauen oder zumindest unternehmerisch tätig werden möchte, wusste aber noch nicht, wohin die Reise gehen sollte. Wir hatten damals ein Family-Office, in dem ich auch als Praktikant mitgelaufen bin, um es mir anzusehen. Dort hatte ich zum ersten Mal Kontakt zu Direktbeteiligungen. Ich habe zwar nicht mitgearbeitet, es mir aber angesehen und fand es sofort spannend. Damals dachte ich mir aber, dass ich zuerst woanders arbeiten müsse, bevor ich etwas Eigenes gründe. Also habe ich bei KPMG in München begonnen und dort zunächst in der Wirtschaftsprüfung, im Audit, gearbeitet. Später dann im Corporate Finance mit Schwerpunkt Unternehmensbewertung. Im Anschluss daran bin ich zu einem Finanzinvestor gewechselt, wo ich auch meine beiden Serafin-Gründungspartner, Falk Daum und Dino Kitzinger, kennenlernen durfte. 2009 habe ich die beiden gefragt, was sie von der Idee halten würden, uns selbstständig zu machen? Nachdem beide die Idee gut fanden, haben wir Anfang 2010 Serafin gegründet. Das war keine Entscheidung von einem Tag auf den anderen, sondern vielmehr ein Prozess. Ich wollte ein eigenes Unternehmen aufbauen und habe durch meine berufliche Erfahrung entschieden, dass wir eine langfristig orientierte Beteiligungsgesellschaft gründen.
Marco Henry Neumueller: Wie kamen Sie auf den Namen Serafin? Welche Bedeutung hat dieser für Sie?
Philipp Haindl: Es ist eigentlich ein Kunstwort, das mir beim Zeitunglesen am Kaminfeuer einfiel. Dass Seraphim, geschrieben mit „ph“ und „m“ am Ende auch Erzengel sind, war uns nicht bewusst, als wir uns für den Namen entschieden hatten. So vermessen wollten wir nicht sein, uns als Erzengel zu bezeichnen, wie diese Analogie vermuten lassen würde. Die Namensfindung hat damals etwas länger gedauert. Zunächst wollten wir etwas Griechisches, aber all das gab es schon. Danach haben wir im Lateinischen und im Germanischen weitergesucht. Aber auch die lateinischen Worte gab es bereits und die germanischen Worte waren nicht wirklich wohlklingend. Dann ist mir das Wort Serafin eingefallen. Nach mehreren Vorschlags-Runden haben wir uns für Serafin entschieden und sind mit dem Namen bis heute sehr zufrieden.
Marco Henry Neumueller: Sie sind in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen. Welche Werte sind Ihnen wichtig und welche Rolle spielen diese in der heutigen Serafin-Gruppe?
Philipp Haindl: Für mich ist es wichtig, etwas Eigenes aufzubauen und unternehmerisch zu prägen. Diesem Ansatz folgen wir auch bei Serafin. Für mich sind Werte wie Verlässlichkeit, Vertrauen und Verantwortung wichtig. Diese sind nicht nur rein unternehmerisch zu sehen, denn ich versuche sie auch meinen Kindern beizubringen. Das sind Werte, nach denen wir bei Serafin leben. Wir sind für alle Menschen verantwortlich, die für uns arbeiten. Wenn wir unser Wort geben, dann halten wir uns auch daran. Ich pflege tatsächlich noch eine klassische Handschlag-Mentalität. Ich brauche nicht immer einen Vertrag. Wenn ich sage, dass wir einen Deal haben, dann halte ich ihn auch ein. Es sind die sogenannten mittelständischen Unternehmerwerte, die wir leben, die aber im zwischenmenschlichen und freundschaftlichen Bereich genauso viel zählen. Man möchte auch von seinen Freunden nicht belogen werden und hat eine Verantwortung für die Dinge, die man tut. Aber als Unternehmen hat man noch mehr Verantwortung. Das wird mir immer dann bewusst, wenn ich beispielsweise an den Firmenfeiern unserer Gruppenunternehmen teilnehme. Dort sitzen 200 Menschen, die für unser Unternehmen arbeiten und für die wir daher auch die Verantwortung tragen. Diese Menschen müssen mit ihrem Einkommen ihre Familien versorgen. Aber das heißt nicht, dass man in schwierigen Zeiten nicht manchmal auch unbequeme Entscheidungen treffen und sogar Mitarbeiter abbauen muss. Das ist nie schön. Es ist aber wichtig dabei, sich stets bewusst zu sein, was man tut und welche Konsequenzen sein Handeln hat.
Marco Henry Neumueller: Es gibt eine Vielzahl an Beteiligungsgesellschaften in Deutschland. Viele davon schreiben sich auf die Fahne, lediglich in mittelständische Unternehmen / Familienunternehmen zu investieren und diese eher länger zu halten. Wie sehen typische Targets aus, in die Serafin investiert? Wird lediglich eigenes Geld investiert oder werden diese Investitionen auch mit Fremdkapital getätigt?
Philipp Haindl: Typischerweise kaufen wir Familienunternehmen, aber häufig auch Konzern Carve-outs. Grundsätzlich suchen wir Unternehmen, die wir langfristig weiterentwickeln können. Wir haben ein relativ großes Team von 40 Kolleginnen und Kollegen, von denen ein Teil das Investment-Team bildet und ein größerer Teil repräsentiert unser „Value Creation“-Team. Wir arbeiten mit unseren eigenen Leuten, die alle einen Beratungshintergrund haben und auch in die Unternehmen gehen, um sie weiterzuentwickeln. Daher suchen wir Unternehmen, die aktuell nicht beim richtigen Eigentümer oder Konzern angebunden sind. Entweder, weil es nicht deren Kerngeschäft ist oder es strategisch, vielleicht aber auch insgesamt vernachlässigt wird. Wir müssen jedoch das Potenzial in diesen Unternehmen erkennen können.
Wir sind auch an Familienunternehmen interessiert, bei denen der Eigentümer einen Partner braucht, um den nächsten Wachstumsschritt zu gehen. Oder an Unternehmen, bei denen gerade ein Generationswechsel ansteht und der Eigentümer in den letzten Jahren nicht mehr an jeder Stellschraube gedreht hat. In dem Zusammenhang hört man dann häufiger Aussagen wie: „Warum soll ich jetzt noch in die USA gehen, ich habe ohnehin keinen Nachfolger? Ich verkaufe und brauche mich nicht mehr um strategische Dinge oder eine Buy-and-Build-Strategie zu kümmern.“ Wir suchen Unternehmen, die nicht optimal aufgestellt sind, um die nächsten Jahre genauso weiterzumachen, und hoffen, dass wir es mit unserem aktiven Ansatz besser machen. Wir machen die Transaktionen in der Regel immer mit Eigenkapital, wobei wir ab und zu auch Fremdkapital in Form von Bankverbindlichkeiten in die Unternehmen investieren und somit eine gesunde Verschuldung haben. Parallel bin ich gerade dabei, SEVEST aufzubauen. Das ist ein Private Equity Fonds, mit dem wir in Kürze ins Fundraising gehen, um dort Geld von Drittinvestoren einzusammeln. Das haben wir bei Serafin nicht. Das ist ein ähnlicher Ansatz, nur mit Value Creation. Hier erwerben wir ebenso Unternehmen, die wir weiterentwickeln können, aber mit dem Unterschied, dass wir mit Geld von Drittinvestoren arbeiten und es auch einen Exit-Zeitpunkt geben muss. Wenn man Gelder von anderen verwaltet, muss es einen Zeitpunkt geben, wann sie ihre Gelder wieder zurückbekommen.
Marco Henry Neumueller: Wir erleben derzeit einen Trend in Deutschland, dass viele KMUs zum Verkauf anstehen und nicht mehr in der Familie weitergeführt werden. Können Sie diesen Trend bestätigen und welche Gründe sehen Sie hierfür?
Philipp Haindl: Die Welle, in der tausende Unternehmen verkauft werden müssen, wird bereits seit ungefähr 15 Jahren angekündigt. Für den Private Equity Markt ist das zumeist aber gar nicht wirklich relevant, zumal es sehr viele kleine 10- bis 20-Mann-Betriebe sind. Das sind tolle Firmen mit einstelligen Millionen-Umsätzen, nicht nur Handwerksbetriebe. Allerdings sind diese Unternehmen nur sehr schwer zu verkaufen, zumal sie Eigentümer geführt sind und die Leistungen meist nur von einer Person abhängen. Es ist tendenziell eher schwierig so ein Unternehmen an jemanden zu verkaufen, da es hier im Grunde nicht so viel zu verkaufen gibt. Natürlich gibt es ein paar Mitarbeiter, Kunden und Umsätze. Das genügt allerdings nicht. Daher fokussieren wir uns eher auf Unternehmen, die eine Umsatzgröße von 20-30 Millionen Euro aufwärts haben und es eine erste und zweite Führungsebene gibt. Es gibt durchaus auch größere Unternehmen, die grundsätzlich interessant wären, die aber so stark von einer Person dominiert wird, dass sie vom Einkauf über Vertrieb, Produktion bis Technik alles auf sich zentriert. In solchen Unternehmen hat man dann zwar auch eine zweite Führungsebene, allerdings sind diese häufig Befehlsempfänger ohne eigene Entscheidungskompetenz. Wenn in diesen Unternehmen dann auch noch der Inhaber 80 Stunden pro Woche arbeitet und maximal eine Woche Urlaub im Jahr macht, ist im Unternehmen kein Mitarbeiter gewohnt, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Dies macht einen Verkauf extrem schwierig. Daher mag ich diese Art Unternehmen nicht so sehr. Natürlich werden wir häufig auf Nachfolgethemen angesprochen, dass es aber so viele wären, sehen wir nicht – zumindest nicht in den letzten drei, vier Jahren.
Marco Henry Neumueller Wie viele Unternehmen pro Jahr sehen Sie sich als Serafin-Gruppe aktiv an?
Philipp Haindl: Was bedeutet ansehen? Es gibt Unternehmen, die bereits in den ersten 30 Sekunden des Ansehens ausscheiden. Wenn es nicht passt. Es sind bestimmt 200 bis 300 Unternehmen pro Jahr, die es bei uns auf die Liste schaffen, wir einen Teaser, vielleicht auch ein Memo bekommen und im zweiten Schritt zumindest darüber sprechen.
Marco Henry Neumueller: Haben Sie eine klare Zielvorstellung davon, wie viele Unternehmen Sie pro Jahr kaufen möchten? Oder ist das die Anzahl egal und es müssen nur die richtigen Unternehmen sein?
Philipp Haindl: Wir möchten pro Jahr zwei bis vier Unternehmen kaufen, aber lieber drei als zwei. Jedoch kaufen wir nicht nur, um etwas gekauft zu haben, denn wir haben keinen Anlagedruck. In diesem Jahr haben wir bislang ein Unternehmen gekauft sowie auch ein Add-on. Wir hoffen, dass dieses Jahr noch etwas dazukommt. Aber es ist immer schwer vorherzusagen. Unser Ziel ist es auf jeden Fall, zwischen zwei und vier Unternehmen pro Jahr zu kaufen, zumal wir dafür auch die Organisation haben, sowohl im Investment Team als auch im Operations Team, das die Unternehmen betreut. Die Teams wollen auch etwas zu tun haben.
Marco Henry Neumueller: Was erwarten Sie von Ihren Top-Führungskräften in Ihren Beteiligungsgesellschaften? Welche DNA muss jemand mitbringen, um bei Ihnen erfolgreich zu sein?
Philipp Haindl: Wir suchen das, was einen guten Geschäftsführer ausmacht. Sie oder er muss ein guter Problemlöser sein. Natürlich ist auch eine gute Ausbildung von Vorteil. Man ist täglich mit Situationen oder Krisen konfrontiert, die es vorher noch nie gab und die bewältigt werden müssen. Ich mag es nicht, wenn Menschen 20 gute Gründe dafür auflisten, warum etwas nicht funktioniert und sagen, dass man jetzt beginnen werde, dieses und jenes in die Wege zu leiten. Die wirklich guten Manager würden sagen: „Leider läuft es nicht gut, aber wir haben diese fünf Maßnahmen bereits eingeleitet.“ Sie sagen eben nicht, welche Maßnahmen sie demnächst angehen werden, sondern berichten im Gespräch davon, was sie bereits jetzt tun, um die Probleme zu lösen. Es ist im Grunde das bodenständige Anpacken, das wir suchen.
Marco Henry Neumueller: Eine persönliche Frage zum Schluss: Nach welcher Maxime leben Sie persönlich?
Philipp Haindl: Man sollte nicht auf die gute Gelegenheit oder den richtigen Zeitpunkt warten, weil der richtige Zeitpunkt nie kommt. Man kann immer Gründe dafür finden, warum dieser oder jener Zeitpunkt nicht der richtige ist, sondern in der Zukunft liegt. Wer so denkt, ist irgendwann tot und hat nichts getan. Irgendwann ist die Chance eben ungenutzt vorbeigegangen. Eine Chance oder eine Möglichkeit wartet nicht auf den richtigen Zeitpunkt, sondern kommt dann, wenn man vielleicht nicht damit rechnet. Dann muss man bereit sein, es zu tun und sollte nicht damit argumentieren, dass man bis zur nächsten Gelegenheit wartet; denn diese kommt vielleicht nie.
Marco Henry Neumueller: Herr Haindl, ganz herzlichen Dank für dieses offene und sehr sympathische Gespräch.