Dr. Michael Fried ist COO und Mitglied der Geschäftsleitung der MAPAL Dr. Kress KG in Aalen
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Fried, die MAPAL Dr. Kress KG feierte letztes Jahr ihren 70. Geburtstag. Wo liegen die Anfänge des Familienunternehmens, was macht es zum Weltmarktführer und woher rührt diese doch auf den ersten Blick eigentümliche Unternehmensbezeichnung?
Michael Fried: Die Firmenbezeichnung MAPAL ist das Akronym für „Maschinen- und Präzisionswerkzeugfabrik Aalen“. Im Jahre 1950 wurde das Unternehmen von Dr. Georg Kress, dem Großvater unseres heutigen Geschäftsführers gegründet. Das Produktprogramm umfasste insbesondere Gewindebohrer und Werkzeuge für die Holzindustrie. Unser Senior, Dr. Dieter Kress, erzählt heute noch gerne die Geschichte, dass die Gewindebohrer genau so gut waren, dass man zwar damit in das Loch hineinfahren konnte, allerdings fehlten alle Zähne in dem Moment, als man wieder rausfuhr.
Durch einen Zufall kam es zu einem Kontakt mit einem Erfinder aus Italien, der ein Patent für eine Reibahle besaß. Dieses Patent wurde abgekauft. Allerdings funktionierte es technisch nicht. Da begann das Unternehmen, Parameter an diesem Werkzeug zu verändern und u. a. Führungsleisten hinzuzufügen. So entstand ein funktionierendes Werkzeug, dass dann von Dr. Dieter Kress weiter optimiert und perfektioniert wurde. Danach traf er eine weitreichende Entscheidung: Er trennte sich von den bisherigen Produkten (Gewindebohrer und Holzwerkzeuge), mit denen man seinerzeit 40-50% des Umsatzes erwirtschaftete und konzentrierte sich fortan auf Feinbohrwerkzeuge. Das war die Initialzündung als Dr. Dieter Kress in das Unternehmen einstieg. 1969 / 1970 waren es gerade einmal 150 Mitarbeitende. Diese Feinbohrwerkzeuge brachten den großen Durchbruch und machten Mapal zum Weltmarktführer. Das Unternehmen wuchs von etwa 150 Mitarbeitenden auf über 5000 – und dies innerhalb einer Generation. Dr. Dieter Kress hatte den richtigen Riecher für das Umfeld, in dem Sonderlösungen zur Bearbeitung großer Stückzahlen gebraucht wurden. So stieg man damals in die Automobilbranche ein. Befeuert wurde das Ganze in den 1990er Jahren, als weltweit Tochterunternehmen hinzukamen und das Unternehmen WWS übernommen werden konnte, das im Wesentlichen PKD-Werkzeuge produziert, die maßgeblich zur Bearbeitung von Aluminium dienen. Dies war deswegen so wichtig, da zu dieser Zeit die Automobilindustrie bei der PKW Produktion den Werkstoff der Motoren von Guss auf Aluminium umstellte. Das sorgte dann dafür, dass die Stückzahlen nach oben gingen. Auch wenn man stark mit der Automobilindustrie gewachsen ist, hat man in den letzten 20 Jahren die Produktpalette kontinuierlich erweitert. Neben der Feinbearbeitung kamen Aufnahmen, Vollhartmetall- und Aussteuerwerkzeuge hinzu. So kam es, dass wir heute behaupten, dass wir der führende Anbieter für die Zerspanung kubischer Bauteile sind – mit über 5.000 Mitarbeitenden in über 25 Ländern. MAPAL hat mehr als 300 Auszubildende weltweit. Man kann sicherlich behaupten, dass wir vor allem in der Serienfertigung einen guten Namen haben, was Automobil- und Zuliefererindustrie anbelangt.
Jetzt kommt das kleine „Aber“: In der Corona-Krise litt natürlich auch die Automobilindustrie. Obwohl wir schon vor Corona damit begonnen haben, weitere Standbeine zu definieren, hat Corona dies sicherlich nochmals beschleunigt. Wir alle wissen, und dies nicht erst seit gestern, dass der Verbrennungsmotor ein Auslaufmodell ist. So haben wir uns schon früh Richtung Flugzeugindustrie und in Richtung allgemeiner Maschinenbau orientiert. Ganz konkret widmen wir uns derzeit der Elektromobilität.
Marco Henry Neumueller: Dass alternativen Antrieben die Zukunft gehört, wird nicht mehr in Frage gestellt. Hierfür bedarf es aber auch neuer Komponenten und damit einhergehend neuer Fertigungsprozesse. Wie hat sich MAPAL hier positioniert?
Michael Fried: Ich verrate Ihnen kein Geheiminis, wenn ich sage, dass wir die Hoffnung hatten, dass der Verbrennungsmotor noch wesentlich länger Bestand haben wird. Dennoch ist uns die Situation bewusst und wir akzeptieren die Veränderung nicht nur, sondern gehen diesen Wandel aktiv an. Die Luftfahrt war für uns ein Einstieg in eine andere Branche. Durch den Wandel in der Automobilindustrie sind wir allerdings nun stark gefordert. Wir haben Werkzeuge, vor allem für die E-Motoren-Bearbeitung, entwickelt. Wie wir wissen: Die Leistungsfähigkeit eines Elektromotors hängt maßgeblich vom Spaltmaß ab. Je genauer man fertigt, umso besser funktioniert der Antrieb. Da kommen Präzisionswerkzeuge zum Einsatz, die wir liefern. Maßgeblich für alle großen Motorenhersteller, aber auch für E-Bikes, Gehäuse für Nebenaggregate sowie für ganz neue Produkte. Beispielsweise für Batteriekästen. Ein Batteriekasten enthält recht viele Löcher, die es zu bearbeiten gilt und Flächen, die gefräst werden müssen. Wir wollen diese elektrifizierte Mobilität zukünftig begleiten und auch hier als Anbieter oder, besser gesagt, als leistungsfähiger Partner wahrgenommen werden, wenn es um die Zerspanung anspruchsvoller Teile geht.
Marco Henry Neumueller: Sie sind seit knapp sechs Jahren im Unternehmen. Zum 1. Januar 2018 hat Dr. Dieter Kress die Geschäftsführung des Unternehmens in die Hände seine Sohnes Dr. Jochen Kress gelegt. Wie haben Sie den Generationswechsel erlebt? Lief dieser aus Ihrer Sicht mustergültig ab?
Michael Fried: So ein Generationsübergang ist etwas sehr Spezielles. Bei MAPAL wurde dieser aber sehr früh schon geplant. Jochen Kress hat nicht nur eine sehr gute Ausbildung absolviert, sondern auch sonst sind alle wichtigen Attribute vorhanden: eine beeindruckende Persönlichkeit, Weitblick und Empathie. Er ist aber auch schon lange im Unternehmen tätig, seit 2008. Davor war er ein einige Jahre bei VOITH und hat dort Erfahrungen gesammelt. Die offizielle, formale Übergabe ist sicherlich einfacher als dann tatsächlich loszulassen. Unser Senior steht uns weiterhin mit seiner Erfahrung zur Seite, auch wenn er in Zeiten von Corona nicht mehr ins Unternehmen kommt. Mit fast 79 ist das Risiko dann doch zu hoch. In Summe würde ich sagen, dass es ein gut geplanter Übergang war. Jochen Kress ist ein absoluter Teamplayer, dem es gelingt, seine Leute mitzunehmen, was es natürlich auch für die Mitglieder der Geschäftsleitung sehr angenehm macht. Gibt es an der einen oder anderen Stelle noch etwas Reibungsverluste? Sicherlich, aber alles in allem ist der Übergang schon sehr gut gelungen.
Marco Henry Neumueller: Sie sind selbst Fremdmanager. Welche Eigenschaften benötigt Ihrer Meinung nach ein familienexterner Manager auf C-Level in einem Familienunternehmen, um erfolgreich zu sein?
Michael Fried: Gerade in meinem letzten Unternehmen habe ich hier sehr viel Erfahrung sammeln können. Bei Röhm war ich der erste Fremdgeschäftsführer nach 99 Jahren Familiengeschäftsführung. Da muss man schon gewisse Eigenschaften mitbringen: Stakeholdermanagement ist wichtig, man muss sich auf die Familie einlassen, sich in eine spezifische Situation einfügen können und diese auch annehmen. Gleichzeitig ist es auch wichtig, eigene Schwerpunkte zu setzen. Es wird dabei nicht erwartet, dass man alles still hinnimmt, sonst hätte die Familie sicherlich weiterhin die Geschäftsführung stellen können. Als Externer bringt man eine neue Perspektive ins Unternehmen und kann damit die notwendigen Akzente setzen. Auch ist es meiner Meinung nach wichtig, dass man Vertrauen aufbaut und auch wenn man der Treiber ist – und selbst wenn man als Fremdmanager Alleingeschäftsführer ist, wie ich es bei Röhm war –, gehört eine gewisse Bescheidenheit dazu, da man nicht Eigentümer des Unternehmens ist. Darüber hinaus sollte sich Nachhaltigkeit in seinem Tun zeigen. So einen Job macht man in aller Regel nicht nur drei Jahre und verschwindet dann wieder, wenn die Bilanz gut aussieht. Eine solche Position sollte man mit einer eher langfristigen Perspektive bekleiden.
Marco Henry Neumueller: Wenn Sie Ihre berufliche Laufbahn mit dem Wissen von heute nochmals von vorne beginnen könnten, was würden Sie anders machen?
Michael Fried: Ich bin zunächst einmal unheimlich dankbar dafür, wie es gelaufen ist. Ich habe vielleicht viel Glück gehabt, dass ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war und die richtigen Menschen kennenlernen durfte. Es gibt sicherlich genug andere Menschen, die auch einen guten Job machen und diese Chance vielleicht so nicht bekommen haben. Ich persönlich würde nichts Wesentliches ändern wollen, was die Ausbildung angeht. Ich glaube, eine relativ breite Ausbildung hilft. Ich habe Maschinenbau studiert, mit der Vertiefung Fabrikbetrieb und habe mein kaufmännisches Wissen stetig ergänzt – dies würde ich auch heute so wiederholen. Eine breite Basis ist ganz entscheidend. Was sicher auch hilft, was man aber nicht beeinflussen kann: In welchem Elternhaus man aufwächst. Ich bin in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen, da bekommt man schon recht viel mit.
Hätte ich nun tatsächlich noch einmal die Chance, etwas an meinem Lebensweg zu ändern, würde ich vermutlich die Chance nutzen, mit der Familie einige Zeit im Ausland zu verbringen. Ich war zwar viel im Ausland tätig, aber nicht mit der Familie. Zwei, drei Jahre woanders leben zu können, könnte aus heutiger Sicht etwas sein, was ich vermutlich anstreben würde. Vielleicht nicht unbedingt der Karriere wegen, aber aus kultureller Sicht und es könnte eine schöne Erfahrung für die Familie sein. Aber ganz klar, alleine würde ich das nicht machen wollen. Wenn, dann nur zusammen mit der Familie.
Würde ich mein Berufsleben nochmals von vorne beginnen, würde ich mich auch in der Rückschau wieder gegen eine Konzernkarriere und ohne jeden Zweifel für ein Familienunternehmen entscheiden.
Marco Henry Neumueller: Bitte vervollständigen Sie den Satz: In einem Familienunternehmen tätig zu sein bedeutet für mich …
Michael Fried: … die Chance, Zukunft zu gestalten, Nachhaltigkeit sicherzustellen und Generationen zu verbinden.
Marco Henry Neumueller: Herr Fried, ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses Gespräch.
Über das Familienunternehmen MAPAL
MAPAL Präzisionswerkzeuge Dr. Kress KG ist ein mittelständisches Familienunternehmen und international führender Anbieter von Präzisionswerkzeugen für die Metallbearbeitung mit Hauptsitz in Aalen. Im Bereich der Feinbearbeitung mit spanabhebenden Werkzeugen ist das Unternehmen weltweiter Technologieführer.
Mittlerweile sind mehr als 5.000 Mitarbeiter weltweit in der MAPAL Gruppe beschäftigt. Davon sind ca. 1.800 Mitarbeiter am Hauptsitz in Aalen und im Außendienst tätig. MAPAL besitzt Niederlassungen in 21 Ländern und ist in 30 Ländern durch Vertretungen präsent.
Über Dr. Michael Fried
Dr.-Ing. Michael Fried (Jahrgang 1966) studierte von 1987 bis 1993 an der Universität Stuttgart Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Fertigungstechnik. Von 1994 bis 1997 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Werkzeugmaschinen und promovierte zum Thema „Messen von Drehschwingungen an Verzahnmaschinen“.
Von 1997 bis 2008 war er für die KOMET Group, einem führenden Hersteller von Präzisionswerkzeugen zur Bohrungsbearbeitung in unter-schiedlichen Funktionen tätig, zuletzt als technischer Geschäftsführer der KOMET Precision Tools und Verantwortlicher für die weltweite Produktion der gesamten KOMET Group. In dieser Funktion führte er mehr als 1.000 Mitarbeiter an unterschiedlichen Produktions- und Servicestandorten weltweit. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeiten waren die erfolgreiche Restrukturierung von Standorten in den USA und in der Schweiz sowie der Aufbau von Joint Ventures in Osteuropa und in Asien.
Von 2008 bis 2015 war er Alleingeschäftsführer der Fa. RÖHM. 1909 gegründet, gilt RÖHM heute als einer der bedeutendsten Spannmittelhersteller der Welt, mit einem umfangreichen Standardprogramm und leistungsfähiger Sonderfertigung. Die Produkte werden über ein globales Netzwerk mit 13 Tochtergesellschaften, einem Joint-Venture in China und mehr als 50 Vertretungen weltweit vertrieben. Der Exportanteil der deutschen Produktion liegt bei ca. 50%. Röhm beschäftigt in der Unternehmensgruppe mehr als 1.500 Mitarbeiter.
Seit 2015 ist er als COO Mitglied der Geschäftsleitung der MAPAL Dr. Kress KG in Aalen. MAPAL gehört zu den international führenden Anbietern von Präzisionswerkzeugen für die Zerspanung nahezu aller Werkstoffe. Das 1950 gegründete Unternehmen beliefert namhafte Kunden vor allem aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie und dem Maschinen- und Anlagenbau. Mit seinen Innovationen setzt das Familienunternehmen Trends und Standards in der Fertigungs- und Zerspanungstechnik.
MAPAL versteht sich dabei als Technologiepartner, der seine Kunden bei der Entwicklung effizienter und ressourcenschonender Bearbeitungsprozesse mit individuellen Werkzeugkonzepten unterstützt. Das Unternehmen ist mit Produktions- und Vertriebsstandorten sowie Servicepartnern in 44 Ländern vertreten. Im Jahr 2019 beschäftigte die MAPAL Gruppe mehr als 5.000 Mitarbeiter.
Seit Juli 2011 ist er Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes SÜDWESTMETALL in Ostwürttemberg und Mitglied des Vorstandes von SÜDWESTMETALL.
Der aus Fellbach bei Stuttgart stammende Maschinenbauingenieur ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Bildquelle: MAPAL