Jörg Steins mit Dr. Marco Henry Neumueller

FiFo Talk mit Jörg Steins über Tradition, Transformation und Technologie

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Jörg Steins ist CEO der Eberspächer Gruppe in Esslingen am Neckar.

Marco Henry Neumueller: Herr Steins, Sie sind vor etwas mehr als einem Jahr zu Eberspächer gewechselt und nun als Group CEO tätig. Was hat Sie an einem Familienunternehmen wie Eberspächer besonders gereizt? Und welche Ihrer bisherigen Erfahrungen helfen Ihnen dabei, diese Rolle erfolgreich auszufüllen?

Jörg Steins: Eberspächer genießt als erfolgreiches Technologieunternehmen einen hervorragenden Ruf in der Branche – das möchte ich ganz klar betonen. Für mich war das Unternehmen immer ein innovativer Taktgeber mit starker Tradition. Und es ist eines der wenigen Familienunternehmen dieser Größenordnung im Automobilzulieferbereich – das fand ich von Anfang an sehr spannend.

Hinzu kommt: Die Branche befindet sich im Umbruch. Gerade in einem innovationsgetriebenen Umfeld wie unserem gibt es enorme Gestaltungsmöglichkeiten. Wir haben die richtige Größe, um flexibel und gleichzeitig wirkungsvoll zu agieren. Wenn Sie unser Portfolio betrachten, sehen Sie: Wir sind auf allen Wegen unterwegs – ob auf der Autobahn, dem Feldweg oder sogar auf dem Wasser. Das eröffnet faszinierende Perspektiven – zum Beispiel bei Zukunftsthemen wie Wasserstoff oder neuen Anwendungen außerhalb des klassischen Automotive-Bereichs.

Ich bringe rund 25 Jahre Erfahrung in der Zulieferindustrie mit, sowohl aus Großkonzernen als auch aus Familienunternehmen – stets auf der Zulieferseite und mit internationaler Verantwortung. Diese Erfahrung hilft mir sehr, mich schnell zurechtzufinden und gezielt Impulse zu setzen.

Marco Henry Neumueller: Eberspächer ist vor allem für seine Produkte in den Bereichen Abgastechnik, Thermomanagement und Fahrzeugelektronik bekannt. Angesichts des tiefgreifenden Wandels in Richtung E-Mobilität und alternativer Antriebe: Welche strategischen Prioritäten setzen Sie, um das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen?

Jörg Steins: Ich sehe drei zentrale Prioritäten. Erstens: die Menschen. Ich bin fest überzeugt, dass Erfolge von Menschen gemacht werden. Mein Ziel ist ein schlankes, dauerhaft wettbewerbsfähiges Unternehmen. Dafür müssen wir Silodenken überwinden und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in vielfältigen Teams aktiv fördern.

Zweitens: die Technologien. Wir tun gut daran, technologieoffen zu bleiben. Die Dynamik im Markt ist hoch – was heute gilt, kann morgen überholt sein. Natürlich sehen wir eine langfristige Entwicklung in Richtung Elektromobilität. Aber derzeit erleben beispielsweise Range Extender ein Comeback – das spielt unserer Abgastechnik in die Karten.

Ich bin überzeugt: Es wird eine Koexistenz verschiedener Antriebstechnologien geben – über viele Jahre hinweg. Daher müssen wir offen bleiben, auch für Bereiche jenseits des klassischen Automotive-Marktes. Im Wasserstoffsegment etwa arbeiten wir mit Partnern wie Topsoe und AMBARtec an innovativen Lösungen zur Herstellung und zum Transport. Im Bereich Batteriemanagement kooperieren wir mit Farasis – und gemeinsam mit Zeliox entwickeln wir Anwendungen für die mobile Stromversorgung in Nutz- und Spezialfahrzeugen.

Drittens: die Märkte. Aktuell liegt unser Fokus klar auf Asien. In China sind wir mit den dortigen Kunden noch nicht so präsent, wie wir es sein müssten. Wie viele andere Zulieferer sind wir ursprünglich über europäische und westliche OEMs in den chinesischen Markt gelangt – deren Marktanteile gehen dort derzeit stark zurück. Wir müssen uns daher deutlich stärker auf chinesische OEMs konzentrieren – und unser Denken und Handeln an deren Geschwindigkeit und Entscheidungsdynamik anpassen.

Marco Henry Neumueller: Eberspächer blickt auf eine 160-jährige Geschichte zurück. Welche Stärken erwachsen aus dieser langen Tradition – und wie fördern Sie gleichzeitig den Innovationsgeist, der für den globalen Wettbewerb unerlässlich ist?

Jörg Steins: Eberspächer hat Veränderung und Transformation tief verinnerlicht. Gegründet 1865 als Handwerksbetrieb, entwickelte sich das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich weiter – etwa mit Projekten wie der imposanten Verglasung des Mailänder Hauptbahnhofs oder dem Einstieg in die Schalldämpferproduktion in den 1930er-Jahren. Das war der Grundstein für unsere heutige Rolle als globaler Systemlieferant der Automobilindustrie.

Heute sprechen wir über hochkomplexe Abgasnachbehandlungssysteme, elektrische Heizer, Batteriemanagement und Fahrzeugelektronik. Diese Fähigkeit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung prägt unser Selbstverständnis bis heute.

Natürlich bringt Tradition gewisse Komfortzonen mit sich. Umso wichtiger ist es, aktiv einen Perspektivwechsel zu fördern – Silos aufzubrechen und neue Wege zu gehen. So haben wir etwa ein neues, divisionsübergreifendes Team speziell für den chinesischen Markt aufgebaut. Das bedeutet, Verantwortung abzugeben – ein notwendiger Schritt, um Geschwindigkeit und Nähe zum Markt zu erreichen.

Hinzu kommen Herausforderungen wie hoher Kostendruck. Wir müssen sehr genau abwägen, wofür wir investieren – und wo Einsparungen möglich sind. Innovation spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein Automobilzulieferer mit deutschen Wurzeln wird künftig nur dann bestehen, wenn er  technisch exzellente und zugleich preislich wettbewerbsfähige Produkte liefert.

Marco Henry Neumueller: Ein Familienunternehmen bringt eine ganz eigene Unternehmenskultur mit sich. Welche Aspekte dieser Kultur haben Sie seit Ihrem Einstieg besonders beeindruckt?

Jörg Steins: Besonders beeindruckt hat mich die gelebte Vertrauenskultur. Unsere drei Werte – Respekt, Vertrauen und Toleranz – sind bei Eberspächer nicht nur Leitbild, sondern Teil des gelebten Alltags. Ich wurde von Anfang an mit großem Vertrauen aufgenommen – sowohl von den Mitarbeitenden als auch von den Gesellschaftern. Ganz gleich, in welchem Werk ich war – überall wurde ich offen und herzlich empfangen. In einem Unternehmen dieser Größe ist das keine Selbstverständlichkeit. Dieses Vertrauen versuche ich jeden Tag zurückzugeben.

Marco Henry Neumueller: Der Wandel in der Automobilindustrie schreitet rasant voran. Gleichzeitig ist auch Ihre Rolle als CEO mit viel Veränderung verbunden. Wie gehen Sie persönlich mit dieser Dynamik um – und wie nehmen Sie Ihr Team mit auf die Reise?

Jörg Steins: Die Transformation ist in vollem Gange – und sie ist herausfordernd, auch durch politische Rahmenbedingungen. Gleichzeitig bietet sie enorme Chancen. Wichtig ist, diese Chancen frühzeitig zu erkennen und entschlossen zu nutzen.

Für mich ist klar: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Es braucht Flexibilität, die Bereitschaft zur Selbstreflexion und den Mut, getroffene Entscheidungen zu hinterfragen – und gegebenenfalls zu korrigieren.

Wir sind als Unternehmen gut aufgestellt: mit globaler Präsenz, einem vielfältigen Produktportfolio, starker Innovationskraft und verlässlichen Partnerschaften. Um die Mitarbeitenden auf diesem Weg mitzunehmen, sind Klarheit und Transparenz entscheidend. Wir müssen deutlich mehr kommunizieren als früher – lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Dazu bieten wir sehr viele Dialogformate sowohl persönlich überall auf der Welt, als auch digital. Ein weiteres Beispiel: Einmal pro Woche veröffentliche ich im Intranet ein kurzes Video – „60 Sekunden mit dem CEO“. Selbst aufgenommen, direkt aufs Wesentliche fokussiert. Das wird sehr gut angenommen.

Und beim Thema Geschwindigkeit, die ich einfordere, versuche ich Vorbild zu sein: Das beginnt im Kleinen. Das heißt Antworten auf eine Frage versuche ich am selben Tag zu geben.

Marco Henry Neumueller: Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken – welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben? Und was möchten Sie jungen Talenten bei Eberspächer mit auf den Weg geben?

Jörg Steins: Ich würde meinem jüngeren Ich raten: Du musst nicht immer selbst die beste Lösung haben. In vielfältigen Teams entstehen durch unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen oft die besseren Ergebnisse. Gerade am Anfang denkt man häufig: „Ich mach das schnell selbst.“ Aber langfristig ist das oft nicht der effizienteste Weg – insbesondere, wenn man dadurch Widerstände erzeugt.

Jungen Talenten möchte ich mitgeben: Seid ehrgeizig und mutig. Geht aktiv auf andere zu, sucht den Austausch. Denn gemeinsam erreicht man mehr.

Marco Henry Neumueller: Vielen Dank für diesen inspirierenden Austausch.