Laura Opferkuch ist CEO der HOSTA-Group in Stimpfach (Baden-Württemberg).
Marco Henry Neumueller: Laura, wie würdest Du Deinen Führungsstil in drei Worten beschreiben? Und wie unterscheidet er sich von dem Deines Vaters?
Laura Opferkuch: Mein Führungsstil ist echt, klar und wertschätzend. Der meines Vaters war hingegen stark kontrollierend. Er wollte immer das Zepter in der Hand behalten und Entscheidungen allein treffen, anstatt sie im Team zu fällen. Das war damals seine Art, weil er das Unternehmen selbst aufgebaut hat, das mein Großvater gegründet hatte. Mein Vater wollte alle Fäden in der Hand halten. Mir ist es wichtig, meinen Mitarbeitenden Vertrauen entgegenzubringen und ihnen Räume zu geben, in denen sie selbst wachsen können. Das ist der große Unterschied zwischen uns beiden.
Marco Henry Neumueller: Wie hast Du es geschafft, aus einer klassischen Top-Down-Führungskultur eine Feedback-Kultur zu entwickeln?
Laura Opferkuch: Ganz ehrlich: Wir sind noch mittendrin in diesem Prozess. Ich habe das Unternehmen 2019 übernommen. Die Menschen, die damals schon lange hier waren, kannten nichts anderes als diese Top-Down-Kultur. Es braucht Mut, über den eigenen Schatten zu springen und ehrlich zu sein. Anfänglich hatten viele Angst, dass Ehrlichkeit negative Konsequenzen haben könnte. Aber ich sehe bereits große Veränderungen: Die Leute werden offener, ehrlicher – auch, weil wir viele neue Mitarbeitende eingestellt haben, die frischen Wind und eine andere Perspektive mitgebracht haben.
Ich selbst habe versucht, durch mein eigenes Verhalten Vertrauen aufzubauen – zum Beispiel, indem ich meine eigenen Fehler offen zugebe. Früher, bei meinem Vater oder Großvater, war das undenkbar. Heute sage ich klar: Meine Mitarbeitenden sind die Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet. Meine Aufgabe ist es, ihnen den Rahmen zu geben, damit sie das beste Ergebnis erzielen können.
Marco Henry Neumueller: Welche Rolle spielen Formate wie der Werte-Check-in oder die monatlichen All-Hands für diesen Wandel?
Laura Opferkuch: Sie helfen uns, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Früher wurden viele Themen nur in bestimmten Abteilungen besprochen und nicht geteilt. Heute ist es mir wichtig, dass alle im Unternehmen wissen, welche Herausforderungen wir haben, welche positiven Entwicklungen es gibt und was als Nächstes ansteht. Das schafft ein Gefühl von Zusammengehörigkeit.
Diese Treffen sind freiwillig. Anfangs waren manche skeptisch und haben sich gefragt: „Was soll dieser neue Quatsch?“ Mittlerweile werden sie aber sehr gut angenommen. Gerade beim Werte-Check-in wird deutlich, wo es vielleicht hakt oder wo die Stimmung im Team kippt. Das ist auch für die Führungskräfte ein wichtiges Instrument, um früh gegenzusteuern.
Marco Henry Neumueller: Was steckt hinter dem Programm „Hostafari“ – und was hat es im Familienunternehmen bereits verändert?
Laura Opferkuch: Das entstand aus dem Bedürfnis heraus, eine Vision und Mission für HOSTA zu entwickeln – etwas, das es vorher gar nicht gab. Während der Corona-Zeit gab es einmal den Versuch, schnell etwas „an die Tafel zu schreiben“. Das hat sich für mich aber nicht richtig angefühlt. Später haben wir dann gemeinsam überlegt: Wie holen wir alle Mitarbeitenden ab? Schließlich sind manche schon seit 30 oder 40 Jahren im Unternehmen. Sie kennen es besser als ich, die es vor allem aus einer anderen Perspektive als aus der meiner Familie kannten.
Wir haben in Workshops gemeinsam erarbeitet, wie wir HOSTA in Zukunft sehen. Das Schöne war, zu erkennen: Meine Vorstellungen und die meiner Mitarbeitenden lagen gar nicht so weit auseinander. Der Name „Hostafari“ soll dieses Abenteuer widerspiegeln – den gemeinsamen Weg in die Zukunft.
Marco Henry Neumueller: Welche Rolle spielen Deine Mitarbeitenden in diesem Transformationsprozess und wie holst Du skeptische oder zurückhaltende Kollegen und Kolleginnen ab?
Laura Opferkuch: Ich sehe meine Mitarbeitenden nicht als „Befehlsempfänger“, sondern als Mitgestalter. Wir verbringen so viel Zeit auf der Arbeit – da möchte ich, dass alle das Gefühl haben, einen Beitrag leisten zu können. Skepsis entsteht oft aus Angst vor Veränderung, zum Beispiel der Angst, nicht mehr gebraucht zu werden. Diese Ängste nehme ich ernst. Man muss zuhören und verstehen, woher sie kommen. Wenn man das erkennt, kann man viel lösen.
Marco Henry Neumueller: Welche konkreten Erfahrungen hast Du als junge Frau in einer eher männergeprägten Branche gemacht? Gab es Hürden, Vorurteile oder auch überraschende Unterstützung?
Laura Opferkuch: Ich habe beides erlebt. Viele Männer wollten mir helfen, aber oft eher im Sinne von „Du kleines junges Ding, ich mach das schon für dich“. Das war nicht mein Anspruch. Gleichzeitig gab es zwei Personen, auf die ich mich bis heute verlassen kann, und dafür bin ich dankbar. Natürlich habe ich auch Erfahrungen mit Sexismus gemacht, vor allem auf Messen. Diese oberflächlichen Smalltalk-Situationen empfinde ich als wenig hilfreich. Ich setze lieber auf echte Gespräche mit Substanz.
Marco Henry Neumueller: Wo siehst Du das Unternehmen in fünf bis zehn Jahren?
Laura Opferkuch: Ich möchte zurück zu den Wurzeln meines Großvaters – nicht im Sinne des Produktportfolios, sondern der Innovationskraft. HOSTA war früher extrem innovativ: Bunter Puffreis, Fondanteier, Gelee-Bananen – vieles, was damals neu war, kam von uns. Ich möchte wieder Produkte entwickeln, bei denen der Markt sagt: „Wow, das gab es so noch nicht!“ Besonders spannend finde ich dabei die Frage: Wie verändern sich die Bedürfnisse der Menschen durch Themen wie Klimawandel oder neue Ernährungsgewohnheiten?
Marco Henry Neumueller: Was war Dein wichtigstes Learning als CEO?
Laura Opferkuch: Es gibt kein Lehrbuch für Unternehmensführung. Jede Krise ist neu. Ich habe alles „learning by doing“ gelernt. Das Wichtigste ist für mich: Die Mitarbeitenden sind der Schlüssel. Wenn sie hinter dir stehen, kannst du alles schaffen.
Ein zweites Learning: Ich musste erst herausfinden, wer ich als Führungskraft bin. Anfangs habe ich versucht, dem Stil meines Vaters zu folgen – eher kontrollierend. Doch schnell habe ich gemerkt, dass Vertrauen statt Kontrolle der richtige Weg ist, damit Menschen sich entfalten können.
Marco Henry Neumueller: Welchen Rat würdest Du jungen Nachfolgerinnen in Familienunternehmen geben?
Laura Opferkuch: Habt keine Angst vor dem, was kommt. Man wächst mit seinen Aufgaben. Es gibt keine perfekte Vorbereitung, und Fehler sind okay. Schlimmstenfalls scheitert man – aber es kann genauso gut etwas Großartiges entstehen. Wichtig ist, Mut zu haben und den eigenen Weg zu gehen.
Marco Henry Neumueller: War das Unternehmen denn in Deiner Kindheit schon sehr präsent?
Laura Opferkuch: Absolut. Es war allgegenwärtig – am Frühstückstisch, den ganzen Tag, sieben Tage die Woche. Die Stimmung zu Hause hing eng mit der Unternehmenslage zusammen: Lief es gut, war die Stimmung besser; lief es schlecht, war sie schlechter. Das Unternehmen war wie ein Familienmitglied.
Marco Henry Neumueller: Ganz herzlichen Dank für dieses ehrliche und offene Gespräch.