Andreas Beaucamp (beaucamp & partner)

Eigenverantwortlich, selbstbestimmt, flexibel – warum gerade jetzt?

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von Andreas Beaucamp, Gründer und Inhaber von beaucamp & partner in München.

Ordentliche Bezahlung, Kicker und Obstkorb genügen nicht.

Immer mehr Firmen machen positive Erfahrungen mit selbstorganisierten Teams, mit Selbstverantwortung und einem Miteinander auf Augenhöhe. Teams unserer Kunden gestalten so neue agile Hardware-Entwicklungsprozesse, digitalisieren Ihr eigenes Unternehmen oder designen die Vertriebs- und Service-Organisation in einer ganzen Region neu für mehr Kundennutzen, mehr Geschwindigkeit und mehr Effizienz. Andere Beispiele sind dokumentiert, von dem Familienunternehmen W.L. Gore bis zum Pharmakonzern Novartis:

Der Folienspezialist W.L. Gore mit rund 3 Mrd $ Umsatz verfolgt diese Überzeugung seit seiner Gründung durch Bill Gore vor über 50 Jahren: „Wir sind von der Stärke kleiner Teams überzeugt. Dank Gores Netzwerkstruktur mit flachen Hierarchien können Associates (so nennt Gore die Mitarbeiter) frei miteinander kommunizieren und so ihre Talente und unterschiedliche Perspektiven bündeln. Dadurch können wir rasch die richtigen Entscheidungen treffen, hochwertige Arbeit leisten und unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden erfüllen.“

Selbst Novartis mit fast 100.000 Mitarbeitern propagiert seit 2019 „Unboss the Company“: Unboss ist hier die radikale Umschreibung, um Teams und Selbstbestimmtheit mehr Raum zu geben. Eine Reihe weiterer Beispiele finden sich in dem Buch oder Video „Musterbrecher“: Von hippen IT- Agenturen bis hin zur Regionalbahn Ostbayern. In seinem Buch „Reinventing Organizations“ beschreibt Frederic Laloux Firmen, die auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation gesetzt haben: Von einer großen ambulanten Pflegeorganisation über eine Spezialschmiede bis hin zu einer Softwarefirma.

Bislang haben sich diese Ansätze nicht flächig durchgesetzt. Wir sehen, dass jetzt die Zeit dafür gekommen ist. Warum?

  1. Unsere Welt wird immer komplexer, volatiler, schneller und vernetzter. Dezentrale, agile und selbstbestimmte Entscheidungsstrukturen scheinen die einzige Option. Nur so können Firmen schnell reagieren, Chancen wahrnehmen und Ihre Kunden erfolgreich bedienen.
  2. Wir erleben einen extremen Arbeitskräftemangel quer durch alle Qualifikationen und Branchen. Die Jüngeren akzeptieren keine traditionellen Strukturen mehr. Die Kohorte der 25-40 Jährigen erwartet flexibles, agiles und selbstbestimmtes Arbeiten auf Augenhöhe mit Verantwortung, Sinn und Wirksamkeit. 
  3. Wir beginnen die Wirkung selbstbestimmten Arbeitens im Gehirn besser zu verstehen. Der Gehirnforscher Prof. G. Hüther beschreibt: Wenn wir gemeinsam etwas schaffen können, was uns wichtig ist (ein Anliegen), und die Teammitglieder sich selbstbestimmt einbringen, entsteht ein Zustand von höherer Kohärenz im Gehirn. Dann „passt“ wieder vieles besser zusammen. Das Nervensystem setzt Dopamin und endogene Opiate wie Endorphin frei. Diese Botenstoffe bewirken zweierlei: Erstens Motivation; wir fühlen Freude, Energie und Glück. Zweitens werden durch diese Botenstoffe gerade die Regionen des Gehirns „gedüngt“, die für pfiffige Lösungen maßgeblich sind. Je mehr Düngung, um so besser werden wir im Finden von Lösungen: Ein Kreislauf von positiven Erfahrungen, der die Struktur unseres Gehirns und unsere Haltung prägt.

Immer wieder kann man gerade bei Familienunternehmen sehr charismatische Führungspersönlichkeiten beobachten. Sie leiten mit viel Erfahrung, Leidenschaft und Verantwortung die Geschicke des Unternehmens im Sinne des französischen Worts „Patron“: Der Patron ist nicht nur Chef sondern auch die schützenden Hand. In vielen Familienunternehmen hat dies zu einem guten Miteinander und Vertrauen geführt – zwischen der Führung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung; denn hier geht es um die nächste Stufe des Vertrauens: Loslassen und darauf setzen, dass die Teams die besten Lösungen für die gemeinsame Zukunft selbst gestalten: Mit mehr Agilität, mehr Verantwortung, mehr Selbstbestimmtheit, mehr Spaß. Familienunternehmen sind für solche Ansätze prädestiniert. Wie oben skizziert, nehmen immer mehr Firmen agile Prinzipien an, behandeln Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Augenhöhe, vertrauen auf Selbst-Organisation und Eigenverantwortung. Unsere Erfahrungen und die Beispiele oben sind nur ein Ausschnitt. Jede Organisation wird selbst herausfinden, vielleicht auch experimentieren, welches Vorgehen und welche Formen am besten passen.

Als Gastkommentar gekennzeichnete Texte geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.

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