Wolf-Dieter Adlhoch ist Sprecher des Vorstands der Dussmann Group in Berlin.
Marco Henry Neumueller: Dussmann feiert in zwei Jahren sein 60-jähriges Jubiläum. Wo liegen die Ursprünge?
Wolf-Dieter Adlhoch: Die Ursprünge des Unternehmens hängen sehr eng mit der Familie Dussmann zusammen und mit dem Menschen Peter Dussmann, der eine unternehmerische Idee hatte. Heute haben wir unseren Hauptsitz in Berlin, wurden 1963 aber in München gegründet. Es war in einer Zeit, in der junge Menschen, die von zu Hause auszogen und zum ersten Mal allein in einer eigenen Wohnung lebten, mit der Frage, wie man einen Haushalt führt, stellenweise überfordert waren. Als Peter Dussmann davon erfuhr, dass es an anderen Orten in Deutschland eine Art „Heimpflegedienst für Junggesellen“ zum Waschen der Wäsche und zum Putzen der Wohnung im Kleinen gab, stellte er die Überlegung an, dass der Bedarf in München vielleicht größer sein würde und er etwas in diese Richtung aufbauen könnte. Peter Dussmann organisierte Menschen, die sich um etwas kümmerten, was andere nicht so gut konnten, wofür andere keine Zeit hatten, oder was andere aus betriebswirtschaftlichen Gründen von einem Dritten machen lassen wollten. So entstand in München ein professionelles Dienstleistungsunternehmen. Auch war er sich am Anfang nicht zu schade dafür, sich gelegentlich selbst aufs Fahrrad zu setzen und mit Putzeimer und Besen bewaffnet loszufahren.
Da Peter Dussmann ein kluger Unternehmer war, begeisterte er andere Menschen dafür, dieses Geschäftsmodell auch in anderen Städten auszuprobieren, sei es in Hamburg oder in Italien.
Marco Henry Neumueller: Wie steht das Unternehmen heute aus Ihrer Sicht da?
Wolf-Dieter Adlhoch: Heute ist die Dussmann Group eine Unternehmensgruppe mit über zwei Milliarden Euro Umsatz, die in 21 Ländern aktiv ist und rund 60.000 Menschen beschäftigt. Und wir haben einige wichtige Antworten auf große Megatrends unserer Zeit: Wir bieten innovative und professionelle Hygiene- und Desinfektionsservices an, die auch in Zukunft wichtig bleiben werden. Wir stellen moderne Catering- und Reinigungskonzepte für die Arbeitswelt von heute und morgen bereit. Wir rüsten mit unserer 2019 gegründeten Anlagenbausparte Rechenzentren mit Elektrotechnik aus und steuern damit sozusagen Leistungen zum Rückgrat des Web bei. Und für die alternde Gesellschaft in Europa werden immer mehr hochwertige und dabei bezahlbare Pflegeplätze nötig; auf der anderen Seite auch mehr Kinderbetreuungsplätze mit langen Öffnungszeiten – wir haben das Know-how und den Unternehmergeist, beides zu schaffen.
Marco Henry Neumueller: Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf das Unternehmen?
Wolf-Dieter Adlhoch: Wir haben die Corona-Krise extrem gut gemeistert. Wir sind dabei allerdings sicherlich kein Krisengewinner, insbesondere im Catering-Bereich nicht. Denn teilweise wurden ja Bürostandorte geschlossen, in denen wir die Mitarbeiterrestaurants betreiben. Die Corona-Krise war für uns dabei nicht existenziell bedrohend. Insgesamt haben wir unsere Mitarbeiterzahl relativ stabil gehalten und sind ohne betriebsbedingte Kündigungen durch die Krise gekommen. Allerdings hat die Krise bei manchen unserer Kunden Spuren hinterlassen, wodurch manche Aufträge nicht verlängert wurden oder jedenfalls im Volumen reduziert werden mussten. Wir haben viel mit dem Element der Kurzarbeit gearbeitet.
Marco Henry Neumueller: Welche Rolle hat Ihre breite Aufstellung dabei gespielt?
Wolf-Dieter Adlhoch: Wir haben gezeigt, dass die Dussmann Group mit ihrem breiten Portfolio krisensicher aufgestellt und für Kunden ein verlässlicher und kompetenter Partner ist. Unsere Leute waren und sind an vielen Stellen weltweit in vorderster Linie im Einsatz: Krankenhäuser, Schulen, Öffentliche Verkehrsmittel, Pflegeeinrichtungen. Wir sind dank unseres Spezial-Know-hows unverzichtbar dafür, das wirtschaftliche und soziale Leben in vielen Ländern aufrechtzuerhalten. Denken Sie an die Reinigung und Desinfektion von Krankenhäusern einschließlich Covid-19-Intensivstationen seit Beginn der Corona-Pandemie, die Seniorenpflege oder die Kinderbetreuung.
Entscheidend war auch, dass wir den Bereich Dussmann Technical Solutions aufgebaut haben. Hierdurch sind wir neben dem Gebäudemanagement auch im Installations- und im Neubaugeschäft vertreten: Wenn heute neue Datacenter oder pharmazeutische Fabriken in Europa entstehen, sind wir beim erstmaligen technischen Innenausbau dabei; wenn Kabel gezogen werden, die Kältetechnik installiert und die Elektrotechnik angeschlossen werden muss. Ein Geschäft, in dem wir besonders aktiv sind. Damit profitieren wir auch von den Wachstumstrends.
Marco Henry Neumueller: Welche mittel- bis langfristigen Ziele verfolgt das Familienunternehmen? Gibt es ein Szenario, wo das Unternehmen in 5 bis 10 Jahren stehen möchte?
Wolf-Dieter Adlhoch: Einerseits wollen wir uns natürlich auf der Umsatzseite weiterentwickeln, andererseits wollen wir auch die Ertragsqualität verbessern. Sicherlich ist es ein Vorteil eines Familienunternehmens, dass man nicht vor allem am nächsten Quartalsergebnis gemessen wird. So kann ich das Geschäft an den Megatrends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Globalisierung ausrichten und schauen, welche Chancen und Möglichkeiten sich hier ergeben. Gerade mit unserem Anspruch als Qualitätsdienstleister sehen wir, dass das Thema Nachhaltigkeit all unsere Geschäftsfelder betrifft, egal ob es im Facility-Management, in der Seniorenbetreuung, in den Betriebskindergärten oder im KulturKaufhaus ist. Gerade das Gebäudemanagement ist Studien zufolge einer der großen Hebel für CO2-Einsparungen weltweit. Wir wollen hier ganz klar der „Solution Provider“ sein und uns schneller, stärker und besser entwickeln. Unser Ziel dabei ist eine nachhaltige Gebäudebewirtschaftung.
Doch das Konzept der Nachhaltigkeit betrifft – neben dem Klimaaspekt – natürlich auch die Menschen, die bei uns arbeiten: Wir sind ein Unternehmen, das viele Jobs für Menschen verschiedenster Qualifikationsstufen bereithält. Wir betreiben einen erheblichen Aufwand für Recruiting und Personalmarketing und bemühen uns weiterhin um eine gute Ausbildung und darum, den Leuten Perspektiven aufzuzeigen.
Marco Henry Neumueller: Familienunternehmen zeichnen sich für gewöhnlich durch eine besondere Unternehmenskultur aus. Wie würden Sie diese bei Dussmann beschreiben? Welche Rolle spielt die Gesellschafterfamilie heute?
Wolf-Dieter Adlhoch: Die Kultur bei Dussmann war historisch immer eine, die Unternehmer im Unternehmen zugelassen hat. Peter Dussmann hat sich dabei sehr stark persönlich eingebracht. Er war Geschäftsführer und Eigentümer in Personalunion – und dies 24/7. Das hat sich mit seiner Erkrankung natürlich schlagartig geändert. Seine Frau Catherine von Fürstenberg-Dussmann ist dann an seine Stelle getreten. Wir haben mit der Stiftungsstruktur eine sehr langfristige und sichere Perspektive für den Bestand und die Weiterentwicklung des Unternehmens. Es ist eine Stärke unserer Unternehmenskultur, dass wir die Projekte gern mit hoher eigener Wertschöpfung umsetzen. So greifen wir vergleichsweise selten auf Subunternehmer zurück. Dies zahlt wiederum auf unser Ziel ein, ein Qualitätsanbieter zu sein, denn die eigenen Mitarbeitenden fühlen sich einem Unternehmen stark verbunden und sind mit Herz und Seele dabei. Gleichzeitig gehen wir dort flexibel Partnerschaften ein, wo es sinnvoll und vorteilhaft ist.
Marco Henry Neumueller: Sie sind selbst ein „Manager von außen“ . Welche Eigenschaften benötigt Ihrer Meinung nach ein familienexterner Manager auf C-Level in einem Familienunternehmen, um erfolgreich zu sein?
Wolf-Dieter Adlhoch: Ob diese Voraussetzungen nur auf Familienunternehmen zutreffen, weiß ich nicht. Vielleicht sollte man sie aber besonders im Familienunternehmen erfüllen: Zunächst einmal sollte man gut zuhören können, sich für die Historie, für die Leistung und für die aktuellen Stärken des Unternehmens interessieren. Dann kann man durchaus mit dem kritischen Blick von außen hingehen und Überlegungen anstellen, was man dann damit anfängt: Was kann man anders oder vielleicht auch ein bisschen besser machen? Was nicht funktioniert: Ich komme von außen und glaube, ich habe die Weisheit mit Löffeln gefressen und mache jetzt erst einmal alles anders. Wenn ich in ein erfolgreiches Unternehmen komme, wurde vermutlich auch schon vorher vieles richtiggemacht. Ganz häufig haben es Familienmitglieder aufgebaut und erfolgreich gemacht. Zuhören, Verstehen, das Sehen von Stärken und Schwächen und der Einsatz der Menschen an den richtigen Stellen. Gleichzeitig braucht man aber auch den Mut, eine eigene Perspektive auf die Dinge zu entwickeln. Wenn man akzeptiert, dass meist eine solide, gesunde Basis existiert und man nun mit einem frischen Wind von außen, mit einem frischen Blick ins Unternehmen kommt, kann man an den guten Dingen der Vergangenheit festhalten und das Unternehmen mit neuen Ideen in eine erfolgreiche Zukunft führen. Wenn ich einfach nur damit weitermache, womit das Unternehmen in den letzten zehn oder zwanzig Jahren erfolgreich war und groß wurde, dann reicht das vermutlich nicht.
Marco Henry Neumueller: Bitte vervollständigen Sie den Satz: In einem Familienunternehmen tätig zu sein, bedeutet für mich…
Wolf-Dieter Adlhoch: … eine ganze Menge Spaß an der Arbeit, weil ich eine sehr solide Basis in einem Unternehmen habe, mit vielen erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und der Möglichkeit, eine nachhaltige Entwicklungsperspektive für das Unternehmen selbst mitzugestalten. Das habe ich bei Dussmann vorgefunden und wir sind inmitten eines Entwicklungsprozesses; und das macht unheimlich viel Spaß.
Marco Henry Neumueller: Herr Adlhoch, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.