Nur 3,7 % der deutschen Aufsichtsräte bilden sich regelmäßig fort.
Das bedeutet, nur 3,7 % der 250.000 Aufsichtsräte besuchen qualitativ hochwertige Lehrgänge und Seminare oder nutzen seminarähnliche digitale Formate. Diese dürre Zahl – 3,7 % – ergab eine Untersuchung der Directors Academy Hamburg. 96,3 % der Aufsichtsräte bilden sich demnach nicht fort oder informieren sich nur gelegentlich nach dem Zufallsprinzip.
Druck macht nun auch die DPR (Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung) auf den Aufsichtsrat und will ihn künftig zu den Abschlüssen befragen. DPR-Chef Edgar Ernst verspricht sich davon nicht unbedingt mehr Erkenntnisse sondern einen erheblichen Druck auf die Aufsichtsräte, sich intensiver mit der Rechnungslegung der Unternehmen zu beschäftigen.
In dieselbe aufrüttelnde Kerbe schlägt die jüngst publizierte DWS -Untersuchung (Deutsche Gesellschaft für Wertpapierbesitz) unter DAX-Kontrolleuren: Die dort interviewten 90 Aufsichtsrätinnen und –räte gaben ihren Kollegen im Schnitt 48 von 100 Kompetenzpunkten. Sich selbst bewerteten sie mit durchschnittlich 79 von 100 Qualifikationspunkten immerhin deutlich besser.
Spätestens zu Beginn der kommenden Hauptversammlungs-Periode wird es in den Unternehmen, unter den Aufsichtsräten böses Erwachen geben.
Die Empfehlung D.12 des Deutschen Corporate Governance Kodex fordert die Weiterbildungsverantwortung der Aufsichtsratsmitglieder ein und sieht eine Informationspflicht des Aufsichtsrats bzw. der Gesellschaft gegenüber der Hauptversammlung und der Öffentlichkeit ab 1.1.2021 vor.
Vor diesem Hintergrund werden Investoren, Proxy Advisors und Analysten – nicht zuletzt befördert durch aktuelle und spektakuläre Unternehmensschieflagen – in der kommenden Hauptversammlungs-Periode verstärkt die Qualifikation der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder wie auch ihre Weiterbildung öffentlich ansprechen..
Es ist anzunehmen, dass 2021 noch ermahnt wird, ab 2022 soll bei Fehlen des Weiterbildungsnachweises dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigert werden.
Das Weiterbildungsangebot für Aufsichtsräte in Deutschland beruht fast ausschließlich auf traditionellen Präsenzseminaren, erst Covid-19 bedingt sind auch Aufsichtsräte auf digitale Formate umgestiegen. Im Idealfall – so die befragten Kontrolleure – wird es in Zukunft nur mehr Kombinationsangebote geben: Digitale Formate zum Lernen, Präsenz-Veranstaltungen zum Diskutieren und Netzwerken.
Bleibt zu hoffen, dass die 96,3 % Weiterbildungs- Asketen unter den Aufsichtsräten ihre Verantwortung für die durch sie beaufsichtigten Unternehmen realisieren – und sich selbst vor Haftung schützen wollen. Das Landgericht Münster hat soeben eine Anklage gegen zwei Vorstands-Mitglieder und gegen den ehemaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrats einer Bank zugelassen.
Über die Directors Academy Hamburg
Die Directors Academy ist die multimediale Wissenssammlung für Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften Zum qualifizierten Fortbilden & zum Nachschlagen. Ausschließlich Online. Der Inhalt besteht zu 2/3 aus kurzen Informations-Videos, ergänzt um schriftliche Präsentationen bis hin zu Gesetzestexten und richtet sich individuell an Kontrollorgane von Aktiengesellschaften.