Mark Eslamlooy ist Vorsitzender der Geschäftsführung der ARDEX Group GmbH in Witten
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Eslamlooy, seit nunmehr über 20 Jahren sind Sie für das Familienunternehmen Ardex tätig und haben sich dort vom Leiter Strategie und Beteiligungscontrolling zum CEO hochgearbeitet. Was macht Ardex so besonders, dass Sie diesem Unternehmen so lange treu geblieben sind?
Mark Eslamlooy: Weil ich von Anfang an als junger Mensch unheimlich viel Gestaltungsspielraum bekommen habe, keinen Tag Langeweile erlebte oder gar „pretty standard work.“ Ardex ist eine Kombination aus gutem traditionellen Familienunternehmen und Startup-Mentalität, und das war höchst attraktiv. Es war dann kein Tag wie der andere und wir konnten viel bewegen in all diesen Jahren. So kam zu dem Gestaltungsspielraum auch eine positive Entwicklung dazu. Als ganz besonders positiv empfinde ich bei Ardex die Unternehmenskultur.
Marco Henry Neumueller: Wie würden Sie die Unternehmenskultur beschreiben?
Mark Eslamlooy: Ich habe es gerade schon versucht mit den beiden genannten Begriffen zu beschreiben: traditionelles Familienunternehmen mit den klassischen Werten, nachhaltiges Wirtschaften, sehr viel Fokus auf die Menschen, gleichzeitig aber auch eine unheimlich hohe Agilität. Das ist in einem Familienunternehmen, das in einem eher konservativen Umfeld tätig ist, schon sehr besonders.
Marco Henry Neumueller: Das Unternehmen ist in der Vergangenheit häufig durch Zukäufe aufgefallen, so jüngst durch die vollständige Übernahme von Knopp. Welche Rolle spielt anorganisches Wachstum für Ardex?
Mark Eslamlooy: Ab 1997 war ich Berater des Unternehmens. Im Jahre 2000 hatte man mich dann gefragt, ob nicht als M&A- und Strategieberater ins Unternehmen einsteigen möchte. Damals war es eine unheimlich starke Marke, allerdings mit zu wenig Wachstum und zu wenig diversifizierten Distributionskanälen, Produkten und Regionen. Nach eingehender Analyse haben wir festgestellt, dass wir das geplante Wachstum nicht schnell genug aus eigener Kraft stemmen können. Vor diesem Hintergrund haben wir uns dann strategisch für ein anorganisches Wachstum entschieden.
Marco Henry Neumueller: Welche Entwicklung ist für die nächsten Jahre geplant, sofern Sie derzeit überhaupt eine verlässliche Prognose abgeben können? Bis wann soll die Milliarde Umsatz geknackt werden?
Mark Eslamlooy: Sie können sich vorstellen, dass ich diese Frage gefühlt täglich mehrfach bekomme, aus internen und externen Kreisen, auch von den Gesellschaftern und Aufsichtsräten. Meine klassische und ehrliche Antwort ist: Die Milliarde ist kein Datum und auch keine Zielfunktion für uns. Zielfunktion ist werthaltiges, profitables Wachstum. Gleichwohl gebe ich auch zu, dass wir einen Business Plan haben, der die Milliarde vorsieht; bitte sehen Sie es mir nach, dass ich da heute nach außen kein genaues Datum nennen kann. Es wird passieren, es wird auch nicht 10 Jahre dauern, aber durch Corona kommt es etwas verspätet. Wenn man realistisch ist, haben wir durch Corona etwa zwölf Monate verloren. Wir müssen nun abwarten, welche Auswirkungen die Rohstoffkrise und die aktuelle Lieferkettenproblematik auf die zweite Jahreshälfte haben wird.
Wir hatten einen fantastischen Start in diesem Jahr. Wir haben auch keinen Umsatz verloren im letzten Jahr. Wir sind auf gleichem Niveau wie im Vorjahr geblieben. Wir wollten aber 100 Millionen Euro mehr Umsatz machen. Diese 100 Millionen Euro fehlen uns jetzt. Ich würde sagen, die Milliarde ist langfristig nicht zu verhindern, wenn wir weiter konsequent an unserer Strategie festhalten.
Marco Henry Neumueller: Die Unternehmerfamilie hinter Ardex ist weitgehend unbekannt. Welche Rolle spielen die Mitglieder der Familien Fortmann und Krafft heute noch?
Mark Eslamlooy: Natürlich eine große für das Unternehmen. In diesem Haus hat beispielsweise Frau Fortmann-Drühe gelebt. Das war die Nichte der Gründerin. Aber auch die Gründerin selbst wohnte bereits in diesem Haus. Im Keller war das erste Labor. Ardex hat sein Headquarts in diesem Haus. Sie können sich vorstellen, das legt man nicht einfach ab. Wenn ich Sie gleich einmal durch das Haus führe, werden Sie sehen, dass man alles mit viel Liebe und in Erinnerung an die Gründerfamilie erhalten hat. Auf das operative Geschäft wird von den Nachkommen der Gründerfamilien kein Einfluss genommen. Wir haben einen klassischen Beirat oder Aufsichtsrat, der vier Mal im Jahr tagt, und da werden zustimmungspflichtige Geschäfte besprochen, aber auch die Strategie und wichtige Personalentscheidungen, auch Nachfolgethemen usw. Hierbei wird sehr viel Einfluss genommen; vor allem durch großes Interesse und durch große Unterstützung. Ich will nicht sagen, wir bekommen komplett freie Hand in unserem Tun, aber wir dürfen uns unternehmerisch mit großem Spielraum betätigen. Wir als Geschäftsführung geben aber auch eine 100%ige Transparenz über die Entwicklung zurück; dabei sprechen wir nicht nur die Dinge an, die gut gelaufen sind, sondern auch die, die problematisch sind oder weniger gut liefen. Ich würde es daher wie folgt formulieren: Der Einfluss der beiden Familienstämme ist immens groß, indem sie uns ganz viel Spielraum geben und uns das Vertrauen schenken, damit wir nachhaltig wirtschaften dürfen.
Marco Henry Neumueller: Sie stehen dem Unternehmen als familienfremder Manager vor. Welche Eigenschaften benötigt Ihrer Meinung nach ein familienexterner Manager auf C-Level in einem Familienunternehmen um erfolgreich zu sein?
Mark Eslamlooy: Also für mich gibt es eine Maxime, die ich von Ihrem Wittener Doktorvater, Arist von Schlippe, habe: Man muss sich davon lösen, dass man in einem Familienunternehmen Gutsherr ist, man ist vielmehr Gutsverwalter. Und dies mit sehr viel Demut und immer im Hinterkopf behaltend, dass man irgendwann nicht mehr in der Verantwortung steht und das Unternehmen besser hinterlassen sollte, als man es vorgefunden hat. Hinzu kommt ein hohes Maß an Selbstreflexion.
Marco Henry Neumueller: Bitte vervollständigen Sie den Satz: In einem Familienunternehmen tätig zu sein bedeutet für mich …
Mark Eslamlooy: …eine große Freude. Zumal der Faktor Mensch im Zentrum stehen darf, aber gleichzeitig auch eine viel größere Verpflichtung, emotional wie ethisch. Also sowohl Freude als auch manchmal großer Druck, und, dass man sinnstiftend arbeiten darf. Es macht meines Erachtens keinen Sinn zu einem Familienunternehmen zu gehen, wenn man ausschließlich den klassischen Shareholder-Gedanken pflegt und in dieser Denkweise arbeiten möchte. Man muss hier schon wesentlich breiter denken. Die sinnstiftende Tätigkeit ist nicht nur für unsere Familieneigentümer wichtig, sondern auch für unsere Mitarbeitenden und natürlich auch ganz besonders für einen selbst.
Marco Henry Neumueller: Herr Eslamlooy, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Über das Familienunternehmen Ardex
Die Ardex GmbH ist einer der Weltmarktführer bei hochwertigen bauchemischen Spezialbaustoffen. Als Gesellschaft in Familienbesitz verfolgt das Unternehmen seit über 70 Jahren einen nachhaltigen Wachstumskurs. Zur Ardex-Gruppe gehören neben ARDEX noch weitere Marken, die je nach Region und Kundensegment unterschiedlich ausgerichtet sind: Aba, Ardex, Endura, Bal, Cemix, Dunlop Adhesives, Gutjahr, Henry, Lugato, Pandomo, Quicseal, Seire, Wakol. Die Ardex Gruppe hat weltweit 48 Produktionsstandorte und beschäftigt heute über 3.300 MitarbeiterInnen. Das Unternehmens ist in mehr als 100 Ländern auf allen Kontinenten präsent, im Kernmarkt Europa nahezu flächendeckend. Mit mehr als zehn großen Marken erwirtschaftet Ardex weltweit einen Gesamtumsatz von mehr als 820 Millionen Euro.
Über Mark Eslamlooy
Mark Eslamlooy ist Vorsitzender der Geschäftsführung der ARDEX GmbH, der ARDEX Group GmbH sowie der ARDEX Holding Gesellschaften. Ebenso bekleidet Mark Eslamlooy die Position des CEO der ARDEX-Gruppe. Als Vorsitzender der Geschäftsführung verantwortet Mark Eslamlooy die Felder Strategieentwicklung, Emerging Markets, Digital Transformation, HR und die gruppenweite Kommunikation. Der Diplom-Ökonom wurde 1966 geboren und kam im Jahr 2000 zu ARDEX. Zuvor war er im In- und Ausland für Beratungsunternehmen wie PwC, Rödl & Partner und Ernst & Young tätig.
Bildquelle: Ardex