Wir erleben in diesen Tagen, Wochen, ja, vielleicht sogar Monaten eine beispiellose Krisensituation ungeahnten Ausmaßes. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem künstlichen Koma. Die Szenarien des Ifo-Instituts sind düster. Bei einem dreimonatigen Shutdown der Wirtschaft würde die Wachstumsrate bei einem milden Szenario um 10 Prozentpunkte, bei einem negativen Szenario gar um ganze 20,6 Prozentpunkte zurückgehen. Die britische Investmentgesellschaft Schroders rechnet damit, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,5 Prozent schrumpfen wird. Für die weltweite Ökonomie wäre das Jahr 2020 somit das schlechteste seit den 1930er-Jahren.
Bei solchen unvorhergesehenen Krisen verfallen viele Führungskräfte in eine Art Schreckstarre. Erinnern wir uns an den Beginn der Finanzkrise im Jahre 2008: Viele Top-Manager reagierten hilflos, panisch und ängstlich – die übliche Reaktion bei einem gefühlten Kontrollverlust. Man war schlichtweg mit der Komplexität der Situation überfordert.
Was die Unternehmen nun brauchen, sind keine Top-Manager in einem Zustand völliger Bewegungsunfähigkeit – nichts anderes ist diese Schreckstarre im Tierreich. Wir haben es hier nicht mit einem Fressfeind zu tun, welcher auf Bewegung reagiert.
Aber auch das Gegenteil wäre nun falsch: Sich der Kriegsrhetorik – im Duktus des französischen Präsidenten Emmanuel Marcron – zu bemühen und sich als Kriegsherr im Kampf gegen einen unsichtbaren Feind zu inszenieren.
Um die derzeitige Situation besser einordnen zu können, mögen wir uns für einen Moment an den berühmten US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow erinnern, welcher den Menschen als grundsätzlich bedürfnisgesteuert beschrieben hat. Auf dieser Grundannahme fußt seine Bedürfnispyramide. Ganz unten stehen die physiologischen Bedürfnisse (Luft, Wasser, Nahrung), gefolgt von den Sicherheitsbedürfnissen (Schutz vor körperlicher Beeinträchtigung) und den sozialen Bedürfnissen (Beziehungen, Nähe, Interaktion, Anerkennung). Gefühlt ist für die Bevölkerung binnen weniger Tage die teilweise maßlose Dekadenz dem Bedürfnis nach den primitivsten Überlebens- und Sicherheitsnotwendigkeiten gewichen.
Von den Top-Managern erwartet man in diesen Zeiten der Unsicherheit echte Führungsstärke, ein hohes Maß an Kommunikation und Orientierung.
Wie also sollte sich die Führungsriege der Wirtschaft aktuell verhalten? Vorweg geschickt: Hierauf kann es nicht DIE eine richtige Antwort geben.
Was eine gute Führungskraft in diesen Zeiten auszeichnet
1.) Bewahren Sie Ruhe (nach innen und nach außen)
Haben Sie sich bitte unter Kontrolle – sowohl physisch als auch emotional. Sonst folgt auch der Shut-down Ihres Neocortex, das Areal des Gehirns, das Sie nun dringend benötigen, um bewusste und damit durchdachte Entscheidungen zu fällen. Stress und Negativität lähmen Sie! Emotionen sind meist eine schlechte Grundlage, um rationale Entscheidungen zu treffen.
2.) Denken Sie positiv und zuversichtlich
Bewahren Sie sich gerade in solchen Zeiten Ihren Grundoptimismus. Optimismus ist eine wichtige personale Ressource. Sie sollten sich von einer zuversichtlichen Sichtweise auf das Kommende leiten lassen. Sie sind in Ihrer jetzigen Position aus einem guten Grund. Vertrauen Sie Ihrem Instinkt und Ihrem Verstand.
3.) Seien Sie mutig und entschlossen
Nun ist schnelles und mutiges Handeln gefragt. Sie werden Dinge tun, die Sie seither nicht getan haben. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine schon länger zurückliegende Diskussion mit einem COO eines deutschen OEMs über die wirtschaftlichen Folgen, die es hätte, wenn die Produktion auch nur für eine Stunde stillstehen würde. Nun werden ganze Werke geschlossen, nicht für eine Stunde, sondern für Tage, Wochen. Maßnahmen müssen eben immer in einer gewissen Relation gesehen werden.
4.) Seien Sie empathisch
Zugegeben, Empathie ist nicht die Stärke einer jeden Führungskraft. Darunter verstehe ich emotionale, soziale und mentale Fähigkeiten. Seien Sie nahbar. Sie müssen in diesen Zeiten alle Stakeholder erreichen. Man wird relativ schnell merken, ob die Empathie echt oder gespielt ist. Auch Top-Manager sind Menschen; mit Ängsten, Hoffnungen und Erwartungen. Wirklich bewegend in diesen Tagen war die Rede eines Vorstands, der von der Lungentransplantation seiner Tochter erzählte, die er nun aus Sicherheitsgründen nicht mehr besuchen kann.
5.) Zeigen Sie persönliche Resilienz
Hoffentlich bringen Sie in diesen Zeiten ein hohes Maß an Widerstandsfähigkeit gegenüber äußerer Belastung mit. Sehen Sie auch nach sich selbst. Um Herr dieser Situation zu sein, brauchen Sie Energie: Mens sana in corpore sano. Ignorieren Sie alles, was Sie vom Wesentlichen ablenkt. Konzentrieren Sie sich auf die wirklich wichtigen Aufgaben. Es gilt aber auch die emotionale Balance wiederherzustellen. Aktivieren Sie bewusst positive Gefühle und verdrängen Sie die negativen nicht.
Was eine gute Führungskraft in diesen Zeiten tut
1.) Denken Sie in Szenarien und richten Sie Ziele (neu) aus
Richten Sie Ihren Nordstern bei Bedarf neu aus. Für alle muss klar sein sein, was nun zu tun ist. Welche Vision leitet Sie? Nein, nicht die Vision des Unternehmens, Ihre ganz persönliche! Prozesse und Menschen müssen möglicherweise kurzfristig komplett neu ausgerichtet werden. Auch wenn diese Kurskorrektur in einem harten Kontrast zum bisherigen Arbeitsalltag stehen mag, stellen Sie bitte sicher, dass jeder nun dieselbe Richtung als „Norden“ interpretiert. Dies gibt Sicherheit und Orientierung.
2.) Kommunizieren Sie (viel und authentisch)
Nur Gerüchte sind schneller als Licht. Nicht Rückzug, Abschottung und einsame Entscheidungen sind gefragt, sondern eine offene Kommunikation mit allen Mitarbeitern. Kommunikation gestaltet sich auch durch aktives Zuhören, den strukturierten Dialog und Reflexion. Nehmen Sie die Sorgen und Nöte Ihrer Mitarbeiter Ernst.
3.) Handeln Sie
Hier halte ich es mit Winston Churchill: „I never worry about action, only inaction.“ Seien Sie mutig und treffen Sie Entscheidungen. Korrigieren Sie diese bei Bedarf. Nun ist keine Zeit, jede Handlung im Vorfeld in jede Richtung zu durchdenken. Haben Sie auch den Mut zuzugeben, dass Sie nicht alles wissen können. Seien Sie offen für Vorschläge – aus allen Richtungen.
4.) Schaffen Sie Klarheit
Sehen Sie der Realität ins Auge. Akzeptieren Sie die schlechte Sachlage als das, was sie ist: schlecht. Analysieren Sie die Fakten und beschönigen Sie dabei nichts. Welche Chancen hat Ihr Unternehmen? Wie sieht die Zukunft Ihres Unternehmens möglicherweise aus?
5.) Keep it simple
Alle Handlungen müssen nun zielgerichtet und einfach zu verstehen sein. Sie müssen für ein gemeinsames Verständnis sorgen, was nun wirklich wichtig ist. Missverständnisse darf es nun keine geben. Konsequente Priorisierung lautet das Gebot der Stunde: Die Hauptsache ist, dass die Hauptsache die Hauptsache bleibt.