Isabelle Himbert geb. Mang, Junior Managing Director der Arno Arnold GmbH
Marco Henry Neumueller: Liebe Isabelle, Du bist seit Anfang dieses Jahres offiziell Mitglied der Geschäftsführung des Familienunternehmens Arno Arnold GmbH und bezeichnest Dich selbst als „Junior Managing Director“. Warum hast Du Dir ganz bewusst diesen Titel gegeben?
Isabelle Himbert: Bei Google habe ich ein spannendes Konzept namens „Effective Listening“ kennengelernt. Es geht dabei um das „Aktive Zuhören“; dass man seinem Gegenüber ganz bewusst und sorgfältig zuhört und in einem Feedback widerspiegelt, was man verstanden hat. Das ist eine wesentliche Grundlage dafür, dass man eine Beziehung zueinander aufbauen, Konflikte vermeiden, ja gar Probleme lösen kann. Als ich damals zum ersten Mal davon hörte, empfand ich das Konzept als selbstverständlich. Mir kam sofort in den Sinn, dass ich das doch schon immer so handhaben würde. Ich stelle viele Fragen, da ich ein neugieriger Mensch bin und dann natürlich – schon aus Interesse – die Antwort hören möchte. Ich hatte also nicht verstanden, warum Google darauf so viel Wert legte und uns intensiv im „Effective Listening“ coachen wollte. Erst als meine Managerin zu mir sagte: „Naja, in dem Moment, wenn ich Dir eine Frage stelle, bereitest Du im Kopf schon die Antwort vor“, wurde mir bewusst, dass ich dies unterbewusst tatsächlich tat. Genauso verhält es sich mit einer gedanklich vorbereiteten Erwiderung auf das Gesagte. Bei „Effective Listening“ versucht man, seine eigenen Gedanken zurückzustellen; man kann sich natürlich Notizen machen, was man im Nachgang sagen möchte, aber man versucht sich zu 100% auf das zu konzentrieren, was das Gegenüber sagt.
Im Grunde wollte ich genau dieses Konzept mit meinem Titel „Junior Managing Director“ zum Ausdruck bringen. Ich möchte den Mitarbeitern zuhören, da sie schon viel länger im Unternehmen sind und das Unternehmen damit auch im Detail kennen. Ich hingegen lerne noch und ich lerne von unseren Mitarbeitern. Ich möchte von ihnen wissen, was ihrer Ansicht nach wichtig für unser Unternehmen ist. In meiner Antrittsrede habe ich diesen Gedanken vorgestellt. Um zu zeigen, dass ich es auch ernst gemeint habe, habe ich an jedem Arbeitsplatz einen Tag verbracht. Beispielsweise habe ich in der Logistik gearbeitet und habe mich im Ameise fahren geübt.
Marco Henry Neumueller: Wann stand für Dich der Einstieg ins eigene Unternehmen fest? War es der explizite Wunsch Deiner Eltern?
Isabelle Himbert: Ich glaube in einem Familienunternehmen wächst man als Kind ganz selbstverständlich mit dem Unternehmen auf, insbesondere da meine Eltern beide operativ tätig waren und weiterhin sind. Das Familienunternehmen war neben meinem großen Bruder und mir immer wie ein drittes Kind, es war allgegenwärtig. Ich hatte in meiner Kindheit eine blühende Fantasie. Als kleines Mädchen bin ich hier durch die Produktionshallen gerannt und hatte immer die Vorstellung, dass ich mal Erfinderin werde und selbst Maschinen erfinde, die – aus meiner damaligen kindlichen Vorstellung – etwas ganz Tolles machen könnten, z.B. Brötchen am Morgen automatisch mit Nutella bestreichen. Insofern hatte ich von Anfang an das Interesse an unserem Unternehmen. Es war sozusagen immer auch ein Teil von unserer Familie.
„Das Familienunternehmen war neben meinem großen Bruder und mir immer wie ein drittes Kind, es war allgegenwärtig.“
Isabelle Himbert, Junior Managing Director der Arno Arnold GmbH
Dass ich in unser Familienunternehmen einsteigen würde, konnte ich mir zwar immer vorstellen, aber dass ich nun explizit in diesem Jahr in die Geschäftsführung einsteigen würde, hängt eher mit einem anderen Umstand zusammen: Mein Vater wird dieses Jahr noch 63 und mir war es definitiv wichtig eine Übergangszeit zu haben. So kam der konkrete Einstieg im September 2019, seit Januar 2020 bin ich nun Teil der Geschäftsführung. Im Rückblick hätte sich der Zeitpunkt meines Einstiegs nicht besser treffen können, da ich die jetzige durchaus wirtschaftlich herausfordernde Situation noch an der Seite meiner Eltern erleben darf und lernen kann, wie man mit solchen Situationen umgeht.
Marco Henry Neumueller: Was hast Du von Google für Deine jetzige Aufgabe mitgenommen?
Isabelle Himbert: Eine spannende Frage, da viele davon ausgehen, dass meine Antwort mit Digitalisierung oder mit Themen rund um IoT oder der Industrie 4.0 zu tun haben muss. Das, was ich wirklich mitgenommen habe, ist das Coaching, das Feedback, das Miteinander im Unternehmen; wie schafft man ein Team und wie arbeitet man am besten im Team. Gerade die erste Zeit bei Google ist sehr intensiv. Es fängt damit an, dass man die ersten Monate im Unternehmen geschult wird und an vielen Trainings teilnimmt. Coaching steht im Vordergrund. Aus den Bewerbungsgesprächen kennt man die Frage nach seinen Stärken. Ich habe vor Google immer geantwortet, dass ich sehr kritikfähig sei. Bei Google sagte man mir am Anfang, dass man den Begriff Kritik durch Feedback ersetzen solle. Kritik habe oftmals eine negative Konnotation. Man geht automatisch in eine Abwehrhaltung. Man ist nicht mehr aufnahmefähig und kann daher aus der Konversation nicht lernen. Ich habe bei Google so viel Feedback bekommen, wie noch nie in meinem Leben zuvor, was durchaus auch sehr anstrengend sein kann. „Effective Listening“ heißt dann auch, sich das Feedback anzuhören und anzunehmen. Ob man sein Verhalten ändert, kann jeder im Nachgang selbst entscheiden. Wie man Feedback gibt und sich auf dieser Grundlage weiterentwickeln kann, ist ein wichtiges Learning aus meiner Zeit bei Google.
Marco Henry Neumueller: Dein Unternehmen hat eine ganz spannende Historie. Wo liegen die Ursprünge, wofür steht ihr heute und was ist für die Zukunft geplant?
Isabelle Himbert: Im Jahre 1864, also vor 156 Jahren, wurde unser Unternehmen gegründet. Wir produzierten seinerzeit Bandoneons, ein Handzuginstrument. Das Bandoneon ist das charakteristische Musikinstrument des Tangos. So wurde damals Argentinien zum größten Exportmarkt und Arno Arnold wurde zum Weltmarktführer. Ca 90% des Weltmarkts von Bandoneons wurde von unserem Unternehmen produziert.
„Ca 90% des Weltmarkts von Bandoneons wurde von unserem Unternehmen produziert.“
Isabelle Himbert, Junior Managing Director der Arno Arnold GmbH
Einige Zeit später kam mein Urgroßvater auf die Idee, das Mittelteil, also den Faltenbalg des Bandoneons, für etwas anderes zu nutzen. Wenn man den Faltenbalg zum Schutz der Führungsbahnen in Werkzeugmaschinen nutzt, erhält man eine Schutzabdeckung für Maschinen. Sie schützt Mensch und Maschine gleichzeitig, beispielsweise vor Spänen, die während eines Fräsprozesses in der Werkzeugmaschine entstehen können. Mein Urgroßvater hat für diese Idee schon recht früh ein Patent angemeldet. Als die Hammond-Orgel auf den Markt kam, nahm die Nachfrage nach Bondoneons stark ab. Zum einen war das Bandoneon schwer zu spielen, zum anderen konnte die Hammond-Orgel sehr viele andere Instrumente imitieren. 1971 ging das letzte Bandoneon „vom Band“. Gerade in dieser Zeit gewann der Maschinenbau immer mehr an Bedeutung und so kam es, dass mein Urgroßvater, mein Großvater und später meine Eltern mit sehr viel Leidenschaft die Schutzabdeckungen nach vorne brachten.
Als sich die Corona Pandemie abzeichnete, sind wir als Team mutig in die Produktion von Gesichtsvisieren eingestiegen. Heute haben wir unter dem Namen „arnocare“ eine Vielzahl an Lösungen zum Schutz von Menschen. Ich denke mit unseren arnocare Produkten, haben wir eine spannende neue Kategorie geschaffen und gezeigt, dass wir sehr innovativ sind. Wenn wir uns diese Leidenschaft auch zukünftig bewahren, mit der wir gerade ein kleines Start-up für Gesichtsvisiere aufgebaut haben, wenn wir ein Familienunternehmen mit Tradition und innovativen Produkten bleiben, werden wir langfristig erfolgreich sein.
Marco Henry Neumueller: Wie gestaltet sich die tägliche Arbeit, wenn Deine Eltern beide auch noch in der operativen Geschäftsführung sind? Da kommt es doch sicher zu der ein oder anderen Meinungsverschiedenheit. Wie geht man in der Familie damit um?
Isabelle Himbert: Ich denke, dass Meinungsverschiedenheiten ganz normal sind. Wenn man in einem Team arbeitet, wird man immer auf heterogene Ansichten treffen. Doch gerade das macht die Teamarbeit fruchtbar. Ob ich nun eine Meinungsverschiedenheit mit meinen Eltern habe, oder mit einem anderen, familienfremdem aus dem Team, darf am Ende des Tages keine Rolle spielen. Der Umgang damit ist derselbe: Diskussionen müssen fruchtbar und auf einer professionellen Ebene bleiben. Dazu gehört auch, dem anderen mal Recht geben zu können. Solange das in einer gesunden Balance steht, wird die Teamarbeit durch solche Diskussionen eher gestärkt. Glücklicherweise geben meine Eltern mir die Freiheit in den Punkten, die mir sehr wichtig sind, während ich gerne auch auf ihre Meinung höre, wenn ich glaube, dass sie da vielleicht mehr Erfahrung haben als ich.
Marco Henry Neumueller: Heißt das, Euch gelingt es im Unternehmen das Familiäre hintenanzustellen?
Isabelle Himbert: Ich finde, das muss man differenzieren. Gerade in dem Moment, wenn man ein wirtschaftliches, unternehmensrelevantes Thema bespricht. Dieses Gespräch muss auf einer rationalen Grundlage basieren und auf professioneller Ebene geführt werden. Das bekommen wir bisher meiner Meinung nach gut hin. Es hilft dabei ganz entscheidend, dass wir innerhalb der Familie dieselben christlichen Werte teilen. Wir haben alle dasselbe Ziel: Wir möchten das Unternehmen langfristig erfolgreich machen und haben den für Familienunternehmen typischen Anspruch, das Unternehmen in die nächste Generation weiter geben zu können. Es geht nie um den direkten Erfolg, sondern um den langfristigen. Solange Diskussionen auf der gleichen Wertebasis und mit demselben Ziel stattfinden, macht es jede Diskussion einfacher.
Marco Henry Neumueller: Hat sich das Verhältnis zu Deinen Eltern verändert, seitdem Du Teil der Geschäftsführung wurdest?
Isabelle Himbert: Ich glaube, hier muss ich insofern ausholen, als dass ich privat schon immer ein sehr persönliches, enges Verhältnis zu meinen Eltern hatte. Als ich mit Google im Ausland war, haben sich meine Eltern stets dafür interessiert, womit ich mich beschäftige und ob man möglicherweise etwas davon für unser Unternehmen ableiten kann. Umgekehrt hat mich auch immer interessiert, wie es ihnen geht und mit welchen besonderen Herausforderungen meine Eltern konfrontiert waren. Insofern kann man durchaus sagen, dass wir schon immer ein sehr persönliches, enges Verhältnis hatten.
„Nun ist noch ein Verhältnis hinzugekommen: Das professionelle, berufliche Verhältnis. Das private Verhältnis hat sich dadurch nicht verändert; es wurde lediglich um eine Dimension erweitert.“
Isabelle Himbert, Junior Managing Director der Arno Arnold GmbH
Nun ist noch ein Verhältnis hinzugekommen: Das professionelle, berufliche Verhältnis. Das private Verhältnis hat sich dadurch nicht verändert; es wurde lediglich um eine Dimension erweitert. Ungewöhnlich ist sicherlich auch, dass ich darauf bestanden habe, dass sich mein Vater und ich ein Büro teilen. So kann ich immer bei allen Entscheidungen live dabei sein.
Marco Henry Neumueller: Bitte beende den Satz: Operativ in der Geschäftsführung des eigenen Unternehmens tätig zu sein bedeutet für mich…?
Isabelle Himbert: Verantwortung zu übernehmen für Menschen, für das Team, für meine Kunden und unsere Lieferanten. Ich glaube aber, dass ich diese Verantwortung in der Geschäftsführung eines jeden Unternehmens hätte. Was in einem Familienunternehmen hinzu kommt, ist die Verantwortung zur Tradition. Das hatte ich eben ausgeführt. Da das Unternehmen schon 156 Jahre existiert, habe ich den Anspruch, es irgendwann einmal der nächsten Generation zu übergeben. Das ist eine Dimension der Verantwortung, die ich in der Geschäftsführung eines anderen Unternehmens, mit welchem ich nicht persönlich verbunden bin, nicht in derselben Weise hätte.
Marco Henry Neumueller: Ich danke Dir ganz herzlich für dieses Gespräch.
Über Isabelle Himbert und das Familienunternehmen Arno Arnold
Isabelle Himbert geb. Mang ist seit 01.01.2020 Junior Geschäftsführerin der Arno Arnold GmbH. Das Familienunternehmen stellt Schutzabdeckungen für den Maschinenbau her und geht mit ihr in der Nachfolge stolz in die 6. Generation. Vor ihrem Einstieg im Familienbetrieb war Isabelle Mang mit großer Begeisterung für Google in der Europazentrale tätig. Nun führt sie mit neuen, innovativen Ideen das Traditionsunternehmen in die Zukunft.
Bild: Wolf Mang