Dr. David Klett, Mitglied des Vorstands der Ernst Klett AG, Stuttgart
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Klett, im März dieses Jahres wurde der Vorstand der Klett Gruppe um zwei Mitglieder erweitert. Eines davon waren Sie. Was war der Grund dafür, dass man den Vorstand auf fünf Personen erweiterte und wie sieht Ihr Aufgabengebiet zukünftig aus?
David Klett: Streng genommen müssten Sie da den Aufsichtsrat fragen, denn wir als Familienunternehmen haben uns eine ordentliche Family Governance gegeben. Dem Aktienrecht folgend entscheidet der Aufsichtsrat, wie sich der Vorstand zusammensetzt. Die Klett Gruppe ist in den letzten Jahren immens gewachsen, so auch im letzten Jahr. Wir sind mittlerweile 90 Unternehmen in 17 Ländern und betreiben sehr verschiedene Bildungsgeschäfte: Von Kindergärten, über Schulen, Fernschulen und Präsenzhochschulen (Fachhochschulen) bis hin zu einer ganzen Reihe an Verlagen. Mein Cousin, Philipp Haußmann, Sprecher des Vorstands, hatte dort bis zur Erweiterung des Gremiums einen ganz großen Teil dieser Unternehmen vertreten, und ich gehe davon aus, dass der Aufsichtsrat im Einvernehmen mit dem damaligen Vorstand gesehen hat, dass es sinnvoll ist, wenn die Spartengeschäftsführer wie ich für ihre Geschäfte im Vorstand direkt sprechen.
Ich bin bei Klett verantwortlich für acht Verlage in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, welche Fachinformationen für pädagogische Fachzielgruppen, also Fachzeitschriften, Kopiervorlagen, Loseblattwerke usw. anbieten. Das sind Marken, die wohl nur Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleiterinnen und Schulleiter kennen. Darüber hinaus bin ich noch für einen großen Schulbuchverlag in Holland zuständig. Dieses Aufgabengebiet vertrete ich nun auch im Vorstand.
Marco Henry Neumueller: Sie sprechen gerne über Digitale Bildung. Was fasziniert Sie daran besonders und was bedeutet das Thema für den Schulträger sowie für Lehrkräfte und Schüler?
Ich denke, wir müssen Klarheit darüber gewinnen, wie wir unsere Kinder lebensfest für eine Welt machen, in der das Digitale eine entscheidende Rolle spielt und spielen wird.
Dr. David Klett, Mitglied des Vorstands der Ernst Klett AG
David Klett: Digitale Bildung interessiert die Lehrkräfte, die Lernenden und die Schulträger auf verschiedene Weise. Etwa stellen sich einige die Frage, ob wir mit Hilfe von digitalen Medien das, was wir schon immer lernen wollten, nun besser lernen können. Kann ich etwa mit dem Computer besser Geschichte oder Mathematik lernen. Andere haben eher die Medienkompetenz im Auge, also wie Kinder und Jugendliche für die digitale Welt gemacht werden können. Mich beschäftigen beide Fragen sehr. Ich denke, wir müssen Klarheit darüber gewinnen, wie wir unsere Kinder lebensfest für eine Welt machen, in der das Digitale eine entscheidende Rolle spielt und spielen wird. Eine Welt, die wir so auch noch gar nicht kennen. Mit dieser Frage beschäftige ich mich nicht nur persönlich sehr intensiv, sondern auch wir als Unternehmen.
Marco Henry Neumueller: Gerade in Zeiten von Corona zeigt sich nun sehr deutlich, welche (Hoch-)Schulen frühzeitig in das Thema Digitalisierung investiert haben. Dort konnte die Vorlesung oder der Unterricht weitergehen. Glauben Sie, wir werden nun eine Beschleunigung bei diesem Thema in Deutschland erleben? Wenn man sich Estland oder Dänemark ansieht, haben wir sehr deutlichen Nachholbedarf.
David Klett: Ja und nein. Natürlich denkt man in jeder Schule sehr viel über digitale Bildung nach und wie man sich als Schule verändern muss. Bedingt durch Corona waren viele Schulen aber nun gezwungen, diese Veränderung von heute auf morgen in Angriff zu nehmen, über die man seither vielleicht nur diskutiert hat. Damit werden natürlich nun Erfahrungen gesammelt, bei denen auch die Chancen und Vorteile gesehen werden, die man nur ungern in der Zukunft wieder aufgeben möchte. Das ist der Ja-Teil der Antwort.
Wir müssen sehen, dass der Grund, dass Computer nun [während der Corona-Zeit] so vielfältig eingesetzt wurden, nicht der war, dass Lehrer der Überzeugung waren, dass sie mittels des Computers einen besseren Fachunterricht anbieten oder die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler stärken konnten. […] Es war also kein pädagogisches Thema, sondern eine Notfallsituation.
Dr. David Klett, Mitglied des Vorstands der Ernst Klett AG
Es gibt aber auch einen Nein-Teil. Wir müssen sehen, dass der Grund, dass Computer nun so vielfältig eingesetzt wurden, nicht der war, dass Lehrer der Überzeugung waren, dass sie mittels des Computers einen besseren Fachunterricht anbieten oder die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler stärken konnten. Der Grund für die Zunahme lag schlicht darin, dass Schule ohne den Computer in so einer Zeit einfach nicht mehr funktionierte. Es war also kein pädagogisches Thema, sondern eine Notfallsituation, in welcher der Computer die Lösung des Problems darstellte, wenn Lehrer plötzlich nicht mehr mit ihren Schülern an einem Lernort zusammenkommen konnten.
Wenn die Schulen jetzt wieder einigermaßen zur Normalität zurückkehren, ist auch der Grund nicht mehr vorhanden, der die Nutzung von digitalen Medien quasi erzwungen hatte. Ich beobachte das bei meinem eigenen Kind. In der Hochphase von Corona war Microsoft Teams unsere tägliche Anlaufstelle und seitdem die Schule wieder auf Präsenzunterricht umgestellt hat, passiert dort rein gar nichts mehr.
Marco Henry Neumueller: Werden unsere Schüler in zehn Jahren noch ein gedrucktes Mathematikbuch von Klett in den Händen halten?
Wenn also Lehrer, wie ich finde, oft mit guten Gründen darauf bestehen, mit einem gedruckten Medium zu arbeiten, dann werden wir das auch weiterhin anbieten.
Dr. David Klett, Mitglied des Vorstands der Ernst Klett AG
David Klett: Ich sage zunächst ja; ich weiß nur nicht, wie viele es sein werden. Es werden sicherlich weniger sein als heute, aber es werden vielleicht mehr sein, als Sie denken. Zwei Gründe spielen hier eine Rolle: Bildungssysteme entwickeln sich unterschiedlich schnell. Sie haben gerade selbst auf Estland und Dänemark hingewiesen. Deutschland wird sich bestimmt anders entwickeln als Dänemark. Zum anderen haben gedruckte Medien auch ihre Vorteile, die die Lehrkräfte schätzen. Lehrkräfte nutzen stets das Medium, von dem sie den Eindruck und die Sicherheit haben, dass es ihnen hilft, einen guten Unterricht zu machen. Wenn also Lehrer, wie ich finde, oft mit guten Gründen darauf bestehen, mit einem gedruckten Medium zu arbeiten, dann werden wir das auch weiterhin anbieten.
Marco Henry Neumueller: Nachdem wir beide an der Universität Witten/Herdecke promoviert wurden, ist uns das Spannungsfeld zwischen Unternehmerfamilie und Familienunternehmen hinlänglich bekannt. Mit Ihrem Einzug in den Vorstand arbeiten Sie vermutlich direkt mit Ihren Vater, den Aufsichtsratsvorsitzenden. Wie gut schaffen Sie es, Familiäres und Berufliches zu trennen?
David Klett: Ich meine, dass wir das sehr gut schaffen, zumal wir das lange eingeübt haben. Einüben heißt hier, dass man versteht und erkennt, welche Probleme und Fallstricke in einer Doppelrolle Vater-Sohn, Aufsichtsrat-Vorstand usw. stecken können. Ich glaube, dass mein Vater und ich, aber auch mein Cousin und ich, der auch lange mein Vorgesetzter war, ziemlich gut erkennen, welche Fallstricke es gibt und wie wir diese vermeiden können.
Wir geben uns sehr klare, explizite Regeln, wie wir kommunizieren und wo über was kommuniziert wird. Wir wissen, wann über Familienthemen, wann über Unternehmensthemen gesprochen wird. Wir haben uns eine Ordnung gegeben – was wir Family Governance nennen – und das ist eigentlich die Blaupause, der wir hier folgen. Wir wissen genau, was im Aufsichtsrat, im Vorstand oder im Familienrat besprochen wird, und genauso gut wissen wir, was unter dem Weihnachtsbaum gesprochen wird. Wir haben an dieser Stelle keine Schwierigkeiten – vielleicht auch, weil wir wissen, wie schlecht es in anderen Familienunternehmen laufen kann.
Marco Henry Neumueller: Bitte beenden Sie den Satz: Operativ im Vorstand des eigenen Unternehmens tätig zu sein, bedeutet für mich…?
David Klett: …dass ich fleißig und umsichtig alles gebe, um mit meinen Kollegen diese Unternehmensgruppe voranzubringen. Ich muss gestehen, dass ich mich bei Ihrer Frage fast etwas an dem Begriff des „eigenen“ Unternehmens gestört habe. Am Ende empfinde ich nur, dass ich hier eine ernste Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen bearbeite. Dabei erinnere ich mich selten daran, dass ich auch noch einen kleinen Anteil am Unternehmen habe. Ich sehe keinen Unterschied zu meinen anderen Vorstandskollegen, die mit einem großen Verantwortungsbewusstsein jeden Tag ihr Bestes für das Unternehmen geben. Sie sind alle mit Herz und Seele für die Zukunft des Unternehmens unterwegs.
Über Dr. David Klett
David Klett (Jg. 1977) studierte Wirtschaftswissenschaften, sowie Philosophie und Kulturreflexion an der Universität Witten/Herdecke. Nach Studium und Promotion im Bereich Soziologie bei Prof. Dirk Baecker trat Klett 2009 ins Familienunternehmen ein. Bevor er in den Vorstand der Ernst Klett AG berufen wurde, war er Geschäftsführer der Klett Lernen und Information GmbH. David Klett ist verheiratet und hat drei Kinder.
Über das Familienunternehmen Klett
Die Unternehmensgruppe Klett ist ein führendes Bildungsunternehmen in Europa und ist international in 17 Ländern vertreten. Das Angebot umfasst klassische und moderne Bildungsmedien für den Schulalltag sowie die Unterrichtsvorbereitung, Fachliteratur und schöne Literatur. Darüber hinaus betreibt die Klett Gruppe zahlreiche Bildungseinrichtungen von Kindertagesstätten über Schulen bis hin zu Fernschulen, Fernfach- und Präsenzhochschulen.