Dipl.-Phys. Ulrich Wallenhorst, Geschäftsführer der KNIPEX – Werk C. Gustav Putsch KG in Wuppertal
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Wallenhorst, Sie sind im Oktober 2018 als COO / CTO zum Familienunternehmen KNIPEX gekommen, seit Mitte 2019 sind Sie Geschäftsführer. Welche Situation haben Sie bei KNIPEX zu Ihrem Start vorgefunden und wo soll die Reise hingehen?
Ulrich Wallenhorst: KNIPEX als DER Zangenprofi ist ein typisches und auch besonderes mittelständisches Familienunternehmen mit sehr viel technischen Produkt- und Fertigungswissen und hoher Fertigungstiefe, welches seit 138 Jahren sehr erfolgreich am Markt agiert. Insbesondere in den letzten fünf bis zehn Jahren ist das Wachstum sehr stark. Es gilt nunmehr diesen Wachstumspfad weiter zu gehen, dabei die für KNIPEX geeigneten passgenauen Führungsstrukturen und -werkzeuge zu etablieren und systematisch und konsequent diese Marktführerschaft in dem Bereich der Handwerkzeuge zu festigen und mit weiteren Innovationen auszubauen. Dabei besinnen wir uns auf die Stärke der Marke KNIPEX, die für höchste Präzision und unschlagbare Qualität steht. Hierbei steht der Kundennutzen ebenso im Zentrum unseres Handelns wie die Werte- und Mitarbeiterorientierung.
Marco Henry Neumueller: KNIPEX befindet sich zu 100% im Eigentum der Familie Putsch? Welche Rolle spielt die Gesellschafterfamilie und wie gestaltet sich die tägliche Zusammenarbeit mit ihr?
Ulrich Wallenhorst: Seit Gründung im Jahr 1882 befindet KNIPEX im Besitz der Familie Putsch in vierter Generation. Ralf Putsch führt mit viel Weitsicht und Marktwissen seit vielen Jahren das Unternehmen und hat ein auf hohe menschliche Werte basierendes Leitbild entwickelt und Führungsgrundsätze etabliert, die die DNA von KNIPEX ausmachen. Dabei wird auf ausufernde Ziele-Metriken ebenso verzichtet, wie auf nicht zielführendes PowerPoint-Reporting. Die Familie Putsch lebt KNIPEX und wird aufgrund der Menschlichkeit und Mitarbeiterachtung bei allen KNIPEXianern sehr hoch geschätzt. Meine Zusammenarbeit ist geprägt von tiefen gegenseitigen Vertrauen und Freiraum der Handlung mir gegenüber, die ich sehr wert zu schätzen weiß. Wir sprechen mehrmals in der Woche, geplant und auch Ad Hoc sowohl über langfristig strategische Fragestellungen als auch über operative Dringlichkeiten.
Marco Henry Neumueller: Trifft die derzeitige konjunkturelle Eintrübung auch KNIPEX? Was tun Sie konkret um gegenzusteuern?
Ulrich Wallenhorst: Wie viele andere Unternehmungen auch sind wir zwar von der Corona Krise betroffen. Hauptsächlich aber im ersten Quartal des Jahres und auch nicht so stark, wie andere Firmen, was auch auf unser breites Kunden- und Marktspektrum, welches wir bedienen, zurück zu führen ist. Auch die in 2018/19 stark bemerkbare Automobilkrise spürten wir zwar, aber nur unwesentlich. Sehr ärgerlich sind dagegen die US-amerikanischen Strafzölle. Konkret haben wir unsere Lagerbestände und Sicherheitspuffer angepasst, massive Überstunden kontrolliert und auf das geeignete Maß reduziert und uns so aufgestellt, dass wir einen „Hockeystick des Marktes“ bei Anzug der Konjunktur problemlos mitgehen können. In keinem Fall haben wir uns corona-bedingt von Mitarbeitern getrennt und sind bis dato auch ohne Kurzarbeit ausgekommen.
Marco Henry Neumueller: Familienunternehmen und Mittelständlern wird vielfach fehlende Innovations- und Digitalisierungsfähigkeit unterstellt. Wie kommt es zu dieser negativen Einschätzung?
„Ich habe in meinem Berufsleben mehr innovative und technologiebegeisterte Mittelständler kennen gelernt im Vergleich zu Konzernen.“
Ulrich Wallenhorst, Geschäftsführer (CTO/COO) der KNIPEX-Werk C. Gustav Putsch KG
Ulrich Wallenhorst: Meine Vermutung und Erfahrung ist, dass man den Mittelständlern weniger Wagnis bei neu zu gehenden Wegen unterstellt oder aber auch die langfristige profitable Ausgestaltung von neuen Aktivitäts- und Geschäftsfeldern als nicht kompatibel zur DNA des Unternehmens ansieht. Ich denke, dass das generell nicht die richtige Analyse ist. Sind kleine und mittelgroße Unternehmen bisher z.B. noch nicht stark vorangeschritten mit Ihren Digitalisierungsbestrebungen und -Strategien, so ist das nicht notwendiger Weise eine Folge von mangelnder Weitsicht, finanzieller Stärke oder geeigneten Personal, sondern auch – und vielleicht auch besonders – geprägt dadurch, dass die Unternehmen sehr wohl wissen, wie stark ihr klassisches Geschäft trotz aller Digitalisierung noch leben und wachsen kann, denn das „Internet der Dinge“ benötigt nicht nur „das Internet“ sondern auch „die Dinge“. Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass einige Mittelständler das Zeitalter der Digitalisierung zu spät erkennen und in Handlungsstarre verfallen oder schlicht unfähig sind darauf geeignet zu reagieren, aber monokausal diese Schlussfolgerung zu treffen ist nicht akzeptabel. Ich habe in meinem Berufsleben mehr innovative und technologiebegeisterte Mittelständler kennen gelernt im Vergleich zu Konzernen. Bei KNIPEX haben wir nicht nur im Jahr 2017 eine Mehrheitsbeteiligung an dem IT Unternehmen LMIS aus Osnabrück erworben, sondern arbeiten massiv an unserer Digitalisierung. Das schließt sehr innovative digitale Geschäftskonzepte ein als auch die Etablierung von MES-Systemen zur effizienten Produktions- und Geschäftsprozess-Verbesserung sowie die flächendeckende Nutzung von Online-Tools und Nutzung von Remote-Arbeitsplätzen.
Marco Henry Neumueller: Welche Rolle spielt heute und zukünftig des CTO in Familienunternehmen? Welche Voraussetzungen sollte er dafür mitbringen?
Ulrich Wallenhorst: Der CTO (oft auch „Technischer Leiter“) muss ein starker Teamplayer sein, der in der Lage ist als hochwirksame Führungskraft in einer Kultur zu wirken, in der Führung eher durch Einfluss als durch Erlass erfolgt. Dabei ist es essentiell wichtig effektiv zu kommunizieren mit der Fähigkeit, komplexe Informationen klar und präzise zu synthetisieren und darzustellen, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern oder diese Entscheidungen zu fällen. Der CTO agiert dabei wie ein solider Unternehmer in sehr engem Schulterschluss mit der Inhaberfamilie, der sich sowohl strategisch als auch operativ für die Verbesserung der Produktivität und Rentabilität des Unternehmens einsetzt. Die Rolle erfordert unbestrittene persönliche und geschäftliche Integrität, die sowohl innerhalb des Unternehmens als auch gegenüber Externen als glaubwürdig und vertrauenswürdig angesehen wird. Ein „Big-Picture-Denker“, der Vision und Strategie versteht und komplexe Produktkonzepte in die Realität umsetzt. Immer stark mit dem Leitbild des Unternehmens verbunden agiert er nicht nur im reinen technologischen Sinne eng mit dem Inhaber verbunden, sondern agiert über diese Grenzen hinaus auch beratend und unterstützend. Dazu hilft es ihm tiefe Kenntnisse über die Arbeitsweise von Organisationen zu haben und zu wissen, wie man Dinge sowohl über formelle Kanäle als auch über das informelle Netzwerk erledigt. Und ganz pragmatisch natürlich besonders für den inhabergeführten Mittelstand: er muss handlungsorientiert und entscheidungsfreudig sowie in der Lage sein, Ergebnisse pünktlich zu liefern und Ziele zu erreichen / zu übertreffen.
Marco Henry Neumueller: Bitte vervollständigen Sie den Satz: Familienunternehmen bedeuten für mich …
Ulrich Wallenhorst: …gesundes langfristiges Unternehmertum mit Fokus auf Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft und Nachhaltigkeit, welches Freiraum zur beruflichen Entfaltung ermöglicht sowie Freude an der Leistung und Spaß an der Teamarbeit mit Kollegen und dem Wesen des Unternehmens als Stütze, Rückgrat und Ansporn.
Marco Henry Neumueller: Herr Wallenhorst, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.