Kopfnicker oder Neinsager? Beiratsmitglieder werden nicht selten in Schubladen gesteckt. Dabei braucht es grundsätzlich weder noch. Während bei vielen Kapitalgesellschaften qua Rechtsform ein Aufsichtsorgan gesetzlich vorgeschrieben ist, so trifft dies für Familienunternehmen, so sie nicht gelistet sind, nicht in gleichem Maße zu. Und dennoch findet sich in vielen Familienunternehmen ein Beirat, der sich in Form, Zusammensetzung und Funktionszuweisung häufig unterscheidet und vom persönlichen Gusto der Eigentümer abhängt.
In vielen Familienunternehmen besteht daher der Wunsch, einen anderen Familienunternehmer für die Mitwirkung im Beirat zu gewinnen. Von einem anderen Unternehmer verspricht man sich offenbar gewisse Kompetenzen, die man bei anderen Personen nicht erwartet. Entsprechende Hinweise findet man auch in der einschlägigen Literatur. „Die Fragen danach allerdings, was sie genau erwarten, inwieweit die Hoffnungen und Wünsche im Vorfeld bei der Gewinnung des Beiratsmitglieds kommuniziert wurden und vor allem, ob und unter welchen Bedingungen die Erwartungen sich erfüllen (und was passiert, wenn dem nicht so ist), waren zumindest von wissenschaftlicher Seite her weitgehend unbeantwortet.“
Hier setzt die von Otto W. Obermaier in der Wittener Schriftenreihe für Familienunternehmen veröffentlichte Arbeit mit dem Titel „Familienunternehmer als externe Beiräte – Empirische Untersuchung einer häufig gewählten Besetzung: Wie gut ist sie wirklich?“ an.
Im Wesentlichen sucht die Arbeit zwei zentrale Forschungsfragen zu beantworten. Zum einen stellt der Autor die Frage, welche Erwartungen Familienunternehmer und Eigentümer mit der Berufung familienfremder Familienunternehmer in ihren Beirat verknüpfen, zum anderen wie zufrieden die Eigentümer mit einer solchen Berufung sind. Nebenbei verfolgt die Arbeit die Zielsetzung, den Besetzungserfolg externer Familienunternehmer in Beiräten zu steigern.
Im Rahmen einer qualitativ-empirischen Forschungsarbeit wurden branchenunabhängig deutsche Familienunternehmen mit einer Größe von mindestens dreistelligen Millionenumsätzen einbezogen. Familienunternehmen lassen sich grundsätzlich in verschiedene mentale Modelle eingruppieren, die die beiden Dimensionen, nämlich die Komplexität des Familienunternehmens sowie die Komplexität der Unternehmerfamilie, würdigen. In die Auswertung wurden solche untersuchte Familienunternehmen einbezogen, die entweder dem Mentalen Modell „Logik der operativen tätigen Familie (OF)“ (d.h. eine Unternehmerfamilie führt das Unternehmen gemeinsam in Geschwister-Gesellschaften, mindestens ein Mitglied der Familie in der operativen Geschäftsführung zu finden sein, Beiräte nehmen an Bedeutung zu) oder dem Mentalen Modell „die Logik der aktiven Eigentümerfamilie (AE)“ (hierbei handelt es sich um größere Familienunternehmen mit hoher Familienkomplexität, das Unternehmen wird in der Regel durch ein Fremdmanagement geführt, Aufsichtsgremien sind die Regel, die familiale Nachfolgethematik fokussiert sich auf die professionelle Besetzung des Beirats) folgen. Acht Fallstudienunternehmen repräsentierten das Modell (OF), wohingegen sieben weitere Fallstudienunternehmen dem mentalen Modell AE zuzuordnen waren.
Im Rahmen der durchgeführten Interviews mit den Fallstudienunternehmen wurde jeweils mit drei Expertengruppen gesprochen. Die erste wird gebildet aus Mitgliedern der Eigentümerfamilien des Unternehmens, in dem der Beirat eingerichtet ist. Die zweite Expertengruppe wird ebenfalls aus Familienunternehmern gebildet, die dem externen Beirat des Familienunternehmens angehören. Wenngleich auf diesen vorgenannten beiden Expertengruppen der Fokus in dieser Forschungsarbeit lag, so wurde eine dritte Perspektive miteinbezogen. Die Mitglieder jener Expertengruppe waren Angehörige der jeweils in die Untersuchung einbezogenen Beiräte, aber keine Familienunternehmer (z.B. Fremdmanager anderer Unternehmen, Führungskräfte und hochkarätige Spezialisten oder professionelle Dienstleister unterschiedlicher Herkunft).
Zunächst sollen die zentralen Ergebnisse auf die Frage, welche Erwartungen Familienunternehmer (A) mit der Berufung familienfremder Familienunternehmer (B) in ihren Beirat verknüpfen.
Eine erste Erwartungsgruppe lässt sich mit der Überschrift „Respekt“ betiteln. A erwartet verständlicherweise von B, dass er die Führungsrolle von A respektiert und Kritik lediglich in moderater Form äußerst und – im Beirat – keinen offenen Dissens entstehen lässt. Weiterhin erwartet A, dass B Interesse, Engagement und den gebotenen Zeiteinsatz für seine Tätigkeit im Beirat zeigt. Zumal jeder Wertekodex familienspezifisch ist, erwartet A von B den nötigen Respekt in Bezug auf den eigenen.
Eine zweite Erwartungsgruppe lässt sich mit „Kompetenz“ überschreiben. A erwartet von B eine Reihe definierter Kompetenzen für die Tätigkeit in seinem Beirat. Zum einen soll B bei strategischen Entscheidungen im Beirat als Familienunternehmer denken, argumentieren und handeln, zum anderen wird von B ein fachlicher Beitrag erwartet und dass er sein Netzwerk für das Unternehmen von A einsetzt. Darüber hinaus besteht die Erwartungshaltung, dass B insoweit eine aktive Lernbereitschaft mitbringt, als dass er gewillt ist, sich in die spezifischen Themen des Unternehmens von A einzuarbeiten und eine am Bedarf des A orientierte Beratung im Beirat bieten kann.
Eine dritte Erwartungsgruppe ist die „Unterstützung“. A erwartet von B, dass er seine Position stärkt, indem er im Rahmen von Diskussionen innerhalb der Beiratsarbeit möglichst für A Stellung bezieht. Darüber hinaus wird von B erwartet, dass er sich einbringt, wenn Führungsdefizite kompensiert werden müssen. Hierzu zählt neben einer Unterstützung im Rahmen der Nachfolgefrage auch die Hilfe in Übergangs- oder Krisensituationen. Zudem wird von B erwartet, dass er sich in Bezug auf die Pflege der Familienbeziehungen engagiert, will heißen, dass B für moderierende Gespräche innerhalb der Eigentümerfamilie des A zur Verfügung steht.
Betrachtet man die Erwartungshaltung nun aus Sicht des B, zeigen sich folgende Ergebnisse:
In der Erwartungsgruppe „Respekt“ erwartet B von A Respekt für seine Person und seine eigene kulturelle Prägung. Dies zeigt sich darin, dass B erwartet, dass er als Berater den gebotenen Respekt erfährt und mit seiner Tätigkeit eine Wirkung bei A erzielt. Darüber hinaus erwartet B von A ein gewisses Verständnis für seine eigene Interessenlage, so zum Beispiel im Rahmen der Beiratstätigkeit seinen eigenen Horizont zu erweitern. Ferner erwartet B eine weitgehende Übereinstimmung der Wertvorstellung und Kultur.
In der Erwartungsgruppe „Kompetenz“ erwartet B, dass er seine Kompetenz in den Beirat des A einbringen kann, er möchte gehört werden und Einfluss nehmen, wenn Entscheidungen anstehen, die strategisch wichtig sind. Hierzu gehört auch, dass B Feedback erwartet in Bezug auf seine Arbeit und in die wichtigen Informationsströme regelmäßig automatisch eingebunden sein möchte.
In einer Erwartungsgruppe „Governance“ erwartet B von A die Einhaltung professioneller Governance -Regeln und Respekt für die Unabhängigkeit von B als Beiratsmitglied. Dies zeigt sich beispielsweise in der Trennung von Unternehmerfreundschaft und Beiratsfunktion. B erwartet weiterhin von A, dass sowohl Beirat als auch Management qualifiziert besetzt werden. Auch eine professionelle Gremienarbeit und Governance im Umgang mit allen Themen, die den Beirat, betreffen, sind Teil der Erwartungshaltung des B.
Der zweite Teil der Forschungsfrage beschäftigte sich mit der Frage nach der Zufriedenheit. Zum einen soll die Frage nach der globalen Zufriedenheit der Eigentümer mit dieser Berufung beantwortet werden, zum anderen welche Auswirkungen Enttäuschungen einzelner Erwartungen auf die Zufriedenheit haben.
Bei A ließ sich die höchste Zufriedenheit (oder geringste Enttäuschung) bei drei Erwartungen verzeichnen:
- A erwartet, dass B bei strategischen Entscheidungen im Beirat als Familienunternehmer denkt, argumentiert und handelt.
- A erwartet, dass B sich einbringt, wenn Führungsdefizite zu kompensieren sind
- A erwartet, dass B sich in der Pflege der Familienbeziehung engagiert.
Die Arbeit kommt zum Ergebnis, dass interessanterweise genau diese drei Erwartungen mit den Eigenschaften verbunden sind, die B am deutlichsten von externen Beiratsmitgliedern (C) unterscheidet.
Die größten Enttäuschungen für A waren folgende Gründe:
- Fehlende aktive Lernbereitschaft bei B zur Einarbeitung in die spezifischen Themen des eigenen Unternehmens. Folglich gelang es B nicht, eine am Bedarf des A orientierte Beratung zu leisten
- Mangelnder Respekt für die Führungsrolle des A und fehlender sensibler Umgang mit kritischen Themen
- Fehlender Respekt für den Wertekodex der Familie des A
Umgekehrt fühlen sich die im Beirat sitzenden Familienunternehmer (B) besonders wohl durch die Erfüllung folgender Erwartungen:
- Möglichkeit, auf strategische Entscheidungen von A Einfluss nehmen zu können
- Wahrung des Eigeninteresses und Erweiterung des Horizonts durch die Beiratsarbeit
- Automatisch Einbindung in wichtige Informationsflüsse und Feedback zum eigenen geleisteten Beitrag.
Die größten Enttäuschungen bzw. Störgefühle bei B resultieren aus der Tatsache,
- dass B sich unwohl fühlte, wenn A die Trennung zwischen Unternehmerfreundschaft und Beiratsrolle bei B nicht respektierte
- wenn B als Berater nicht umfassenden Respekt erfuhr und keine ausreichend Wirkung erzielen konnte
- dass B ganz generell unprofessionelle Governance und Gremienarbeit beklagte
Die Forschungsarbeit gibt darüber hinaus auch eine Antwort auf die Frage nach der Qualität und Stabilität der Zusammenarbeit zwischen A und B. In jenen Beiratskonstellationen, in denen A die Bestnote vergab, arbeiten trotz vereinzelter Störgefühle die Partner A und B in fast allen Fällen weiterhin gut zusammen. Auch in den Fällen mit geminderter Zufriedenheit waren keine Absichten erkennbar, die Verbindung in Frage zu stellen oder gar zu beenden. Dies liegt laut Erkenntnis des Autos darin, dass bei A die Zufriedenheit überwiegte, mit B einen Partner im Beirat zu haben, der so „tickt“ wie er selbst. B konnte nicht selten Entscheidungen im Beiratsgremium erwirken, die in einem reinen C-Gremium möglicherweise so nicht gefallen wären.
Das Verhältnis von A und B, gleichwohl verschiedener Unternehmerfamilien angehörend, zeigt gewisse Parallelen zu Mitgliedern derselben Unternehmerfamilie. Vor diesem Hintergrund entsteht eine besondere Hürde für kritische Gespräche oder gar einer Trennung als ultima ratio. Wenn man sich zu Beginn nicht auf Abklärungen einigt, erfolgen sie im Laufe der Beiratstätigkeit nicht mehr. Man bleibt einfach zusammen und macht das Beste daraus, auch wenn die Verbindung – objektiv betrachtet – nicht optional funktioniert.
In Summe lässt sich jedoch konstatieren, dass das „Tandem von A und B“ eine mental bedingte Sonderbeziehung darstellt. Das Wirken eines externen Familienunternehmers B im eigenen Beirat wird als „geschätztes Element“ der Beiratstätigkeit betrachtet, das zur „langfristigen Existenzsicherung und zur Verbesserung der Governance“ beiträgt. Dennoch sind die Risiken und Grenzen dieser Rolle nicht zu vernachlässigen. Sicherlich ist ein gesunder Mix im Beirat bestehend aus Mitgliedern anderer Familienunternehmen (B) und qualifizierter externer C-Mitglieder, die nach den spezifischen Bedingungen des jeweiligen Unternehmens ausgewählt werden, ratsam.
Die Forschungsarbeit schließt mit einer Zusammenfassung zu Vorzügen und Grenzen des Profils B in einem Beirat sowie mit konkreten (Handlungs-) Empfehlungen für Familienunternehmer A und B.
Die Lektüre dieser Arbeit wird jedem Familienunternehmen empfohlen, das im Begriff ist, die eigene Arbeit im Beirat zu bewerten und/oder über die Aufnahme von Mitgliedern anderer Familienunternehmen in den eigenen Beirat nachdenkt.