Philipp Steinberger (Wöhner) mit Dr. Marco Henry Neumueller

FiFo Talk mit Philipp Steinberger über Geschwindigkeit als Teil der Unternehmenskultur, die Herausforderungen als erster familienfremder Geschäftsführer und wie er von einem Beamten das Netzwerken lernte

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Philipp Steinberger ist CEO der Wöhner GmbH & Co. KG in Rödental.

Marco Henry Neumueller: Das Unternehmen Wöhner feiert in diesem Jahr sein 95. Firmenjubiläum. Wo liegen die Ursprünge und was macht das Unternehmen besonders?

Philipp Steinberger: Die Firma Wöhner wurde 1929 von Alfred Wöhner, dem Großvater des heutigen Firmeninhabers Frank Wöhner, gegründet. Mut und Erfindergeist ließen Alfred Wöhner, in der Wirtschaftskrise arbeitslos geworden, einen Sicherungshalter konstruieren. Diese Entwicklung war eng mit der Herstellung von Keramik sowie der Keramik verarbeitenden Industrie verknüpft, die die Region damals prägte. Für diesen Sicherungssockel bekam Alfred Wöhner einen Exportauftrag aus den USA, dem weitere folgten.

Fünf Jahre später, im Jahr 1934, erhielt die Firma von Alfred Wöhner dann einen Auftrag von Siemens. Ein weiterer Meilenstein. Und eine weitere Innovation. Der platzsparende Sicherungshalter für Siemens war ein dreieckiger Sicherungshalter mit Schraubsicherungen, welcher ermöglichte, drei Sicherungen auf extrem kleinem Raum zu verbauen.

So entstand die noch heute andauernde Geschäftsbeziehung und Partnerschaft zu Siemens, die unsere Philosophie mit Blick auf Marke, Design und Wettbewerb geprägt hat. Denn diese von Wöhner stammende Innovation wurde am Markt als Siemens-Innovation gesehen.  Daher legen wir sehr großen Wert auf Marke und Design, zwei Aspekte, die uns heute stark am Markt agieren lassen. Wettbewerber betrachten und schätzen wir als indirekten Vertriebskanal. So können wir auch Märkte bedienen, die wir als Wöhner alleine nicht erreichen könnten.

Wöhner steht somit seit über 95 Jahren für zukunftsweisende Technologien in der Verteilung und Steuerung elektrischer Energie. Innovationsleidenschaft und -fähigkeit sind fest in unserer DNA verankert. Viele der Energieverteilsysteme, auch wenn sie nicht direkt von Wöhner bezogen werden, stammen von uns, bzw. beinhalten unsere Technologie.

Wöhner ist Teil der Holding Wöhner Industries, die vier starke Geschäftseinheiten vereint: Neben Wöhner gehören Sinit, Metalltechnik Annaberg und Future Systems dazu. Dahinter steckt die Idee, die komplette Wertschöpfungskette nicht nur im Haus zu behalten, sondern diese auch extern Partnern zur Verfügung zu stellen. Das heißt konkret, Sinit produziert intern unsere industriellen Kunststoffteile, hat aber auch Drittkundengeschäft. Dasselbe gilt im Metallbereich bei MT Annaberg. Hier werden sehr spezielle und technologisch anspruchsvolle Metallteile produziert, die wir für unsere Produkte verwenden. Sie werden aber auch extern am Markt angeboten. Der Bereich Future Systems umfasst Hard- und Softwareentwicklung. Das ist unser Start-up und Think Tank, der 2019 gegründet wurde. Zusammen mit Future Systems wurde C14-Technologie entwickelt, ein höchst innovativer sicherungsloser, wiedereinschaltbarer Kurzschlusss- und Überlastschutz. Diese Geschäftseinheit hat trotz des noch jungen Alters bereits etwa ein Drittel externes Business.

Was uns darüber hinaus auszeichnet ist unsere internationale Präsenz. Wir agieren nicht nur im deutschen Markt, sondern sind in den vier großen Wirtschaftsregionen Nordamerika, Südamerika, Europa und Asien präsent. Asien muss man sich anschauen mit und ohne China, Indien boomt gerade.

Marco Henry Neumueller: Das war der Blick zurück. Nun richten wir den Blick nach vorne. Wo siehst Du das Unternehmen in 5 bis 10 Jahren? Welche Vision verfolgst Du?

Philipp Steinberger: Unser Markt ist ein eher konservativer, der aber durchaus auf Innovationen anspricht, wie auf unsere C14-Technologie. Man kennt Sicherungen, man kennt Leitungsschutzschalter oder Motorstarter. Alle bislang elektromechanisch. Wir haben mit der C14-Technologie eine Lösung erfunden, mit der alles voll elektronisch erfolgt. Und das wesentlich schneller und effizienter, mit Messtechnik, Kommunikation etc. Das legt die Basis für die Energiewende.

Von solchen disruptiven Ideen haben wir noch einige in der Schublade.

Ich empfinde es als sehr motivierend, dass man in einem familiengeführten Unternehmen und einem eher traditionellen Umfeld durch Disruption immer wieder den Markt gestalten kann. Wir versuchen das sehr konsequent, und setzen weltweit Standards.

Für die Zukunft sehen wir uns noch stärker den Wandel von der Elektromechanik zur Elektronik an. Ebenso ist der Bereich der Materialien unter Beobachtung, das betrifft zum Beispiel  bio-basierte Kunststoffe. Getreu der Überlegung: Wie bekomme ich möglichst ressourcenschonend die Anforderungen umgesetzt. Es gilt effizient mit den Ressourcen umzugehen und die Produkte möglichst langlebig zu gestalten.

Marco Henry Neumueller: Familienunternehmen zeichnen sich für gewöhnlich durch eine besondere Unternehmenskultur aus. Wie würdest Du diese bei Wöhner beschreiben?

Philipp Steinberger: Etwas, was uns sehr stark prägt, ist Geschwindigkeit. Dinge einfach mal machen. Wenn wir uns eine Strategie und einen vernünftigen Plan überlegt haben, setzen wir diesen zügig auch um. Hier geht man auch mal ins Risko. Keiner von uns wusste, ob wir die C14-Technologie wirklich realisiert bekommen. Am Ende hat es aber funktioniert.

Neben der Geschwindigkeit prägt uns auch der Mut. Nicht aufzuhören, auch wenn ein Produkt vermeintlich als fertig und die Spezifikation zu erfüllen scheint. Ich selbst komme aus der Produktentwicklung und bin auch hier bei Wöhner in der Produktentwicklung gestartet. Auch wenn ein Produkt vermeintlich fertig ist, fällt einem immer noch etwas auf, was man besser machen kann. Vielleicht geht es noch kleiner und kompakter? Vielleicht kann man an der technischen Performance noch etwas verbessern? Wenn wir denken, wir sind fertig, gehen wir immer noch ein, zwei Schritte weiter. Unsere Fehlerkultur hat sich über die Jahre hinweg sehr positiv entwickelt. Man lernt mit Fehlern umzugehen und versucht, daraus etwas Positives zu ziehen.

Aber auch Design zeichnet Wöhner aus. Wir haben verstanden, wenn man sich mit Gestaltung auseinandersetzt, kann man auch die technische Funktion optimieren. Wir betrachten Produkte oder eine Lösung ganzheitlich.

Und das Wichtigste: Dem Kunden zuhören, wirklich verstehen, was dem Kunden wichtig ist und daraus ein geniales Produkt generieren.

Marco Henry Neumueller: Was muss ein familienfremder Manager mitbringen, um in einem Familienunternehmen erfolgreich sein zu können?

Philipp Steinberger: Ich glaube, es fängt damit an, seinen Inhaber ein Stück weit als Kunden zu sehen und zu verstehen. Dabei sollte man sich die Fragen stellen: Was ist ihm denn wirklich wichtig? Was ist der wirkliche Auftrag? Was ist die Mission? Wohin möchte er seine Firma entwickelt haben? Was ist davon realisierbar und was nicht? Darüber muss man dann zu gegebener Zeit sprechen, um ein Verständnis aufzubauen. Innerhalb dieser Beziehung kann und muss man aber auch mal „Nein“ sagen. Ich sehe mich in einer Rolle, in der ich offen anspreche, wenn ich Probleme sehe. Wenn ich immer nur zu allem „Ja“ sagen würde, käme ich nicht weit. Es geht darum Schritt für Schritt seinen Plan in die Realität umzusetzen. Damit baut man Vertrauen auf, Vertrauen muss man sich erarbeiten. Man wird in eine bestimmte Funktion berufen und bekommt damit gewisse Befugnisse. Vertrauen aufzubauen ist aber harte Arbeit. Sowohl gegenüber seinem Inhaber als auch gegenüber seinen Mitarbeitenden. Wenn das Vertrauen fehlt, hat man niemanden, der für einen läuft oder mit dem man zusammen laufen kann.

Marco Henry Neumueller: Eine persönliche Frage zum Schluss: Welches prägende Ereignis in Deinem Leben ist Dir am meisten in Erinnerung und warum?

Philipp Steinberger: Da gibt es tatsächlich verschiedene. In der jüngeren Vergangenheit hat mich sehr stark die Geburt unseres vierten Kindes geprägt. Es war ein Frühchen und das mitten in der Corona-Zeit. Ein einschneidendes Erlebnis, das unsere Familie sehr geprägt hat. Deswegen engagiere ich mich seither in diesem Umfeld. Das Thema Gesundheitsvorsorge, insbesondere für die Kleinsten, ist mir wichtig.

Beruflich gesehen ist es eine besondere Herausforderung, die Funktion als erster familienfremder Geschäftsführer bei Wöhner wahrzunehmen und zu spüren, wie man Schritt für Schritt mehr in diese Rolle hineinwächst und souveräner wird.

Technologisch betrachtet hat mich unsere C14-Technologie Erfindung nachhaltig beeindruckt.

In der früheren Jugend waren es sicherlich meine Eltern. Ich habe erst kürzlich verstanden, dass mein Vater mir unbewusst das Netzwerken beigebracht hat. Mein Vater war Leiter des Ordnungsamts. Gefühlt kannte ihn jeder. Egal, wo wir mit der Familie hinkamen, irgendjemand sprach ihn immer an oder wollte etwas von ihm. Er hat immer versucht, allen so gut wie möglich zu helfen. Dadurch hatte er sich eine besondere Stellung in der Region aufgebaut. Diese Erfahrung hat bei mir unbewusst den Grundstein für das Netzwerken gelegt. Ich habe darüber gelernt, wie wichtig die Interaktion mit Menschen ist.

Marco Henry Neumueller: Philipp, ich danke Dir für dieses offene Gespräch.