Julian Utz und Philipp Utz sind Mitglieder des Vorstands der Uzin Utz AG in Ulm
Marco Henry Neumueller: Der Übergang von einer Generation auf die nächste markiert immer eine Schlüsselstelle im Lebenszyklus von Familienunternehmen. Im Hause Uzin Utz scheint die Nachfolge gut vorbereitet worden sein – soweit man dies extern beurteilen kann. Verlief es denn am Ende wirklich so reibungslos und wann haben Sie in der Familie angefangen, die Nachfolge zu planen?
Julian Utz (links im Bild): Mein Bruder und ich repräsentieren die vierte Generation. Darüber hinaus haben wir noch eine Schwester. Genau genommen sind wir Drillinge. Bei uns kann es so etwas wie das „Ältestenprinzip“ also gar nicht geben. Mit Drillingen haben unsere Eltern aber eine breite Nachfolgebasis in die Welt gesetzt. Wir sind alle grundsätzlich recht frei vom Unternehmen aufgewachsen. Aber so ganz wegzudenken war es natürlich nie aus unserem Alltag und es spielte auch in unserer akademischen Laufbahn eine Rolle. Wir selbst haben natürlich als Teenager immer wieder reingeschnuppert und den ein oder anderen Ferienjob im Haus gemacht.
Wir sind alle grundsätzlich recht frei vom Unternehmen aufgewachsen. Aber so ganz wegzudenken war es natürlich nie aus unserem Alltag und es spielte auch in unserer akademischen Laufbahn eine Rolle. Wir selbst haben natürlich als Teenager immer wieder reingeschnuppert und den ein oder anderen Ferienjob im Haus gemacht.
Julian Utz, Mitglied des Vorstands der Uzin Utz AG
Schon während des Studiums hatten wir Gespräche mit unserem Vater. Als wir 2011 unser 100-jähriges Jubiläum feierten und gleichzeitig den 30. Geburtstag von uns drei, kam alles zusammen. Im Vorfeld kamen unser Vater und auch der Aufsichtsrat auf uns zu und sprachen uns auf unsere Zukunft an. Wir waren zu diesem Zeitpunkt alle in externen Anstellungsverhältnissen. Man sprach mit uns über unsere privaten Zielsetzungen, wie wir uns entwickeln wollen, aber auch welche Aufgabenstellung das eigene Familienunternehmen bieten könne. Bei der ein oder anderen Firmenveranstaltung wurde uns klar, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr daran interessiert waren, zu erfahren, in welche Rolle der Nachwuchs tendiert. Das ist die große Visitenkarte eines Familienunternehmen. Mitarbeiter erwarten im Familienunternehmen logischerweise eine Kultur, die von der Familie mitgeprägt wird, wenngleich wir als Gesellschaftsform die börsennotierte Aktiengesellschaft gewählt haben. Wir vereinen das Beste aus zwei Welten. Gerade mit dieser Gesellschaftsform bieten wir eine Transparenz im Zahlenwerk, die anderen Familienunternehmen so vermutlich nicht immer haben. Auf der einen Seite mag man dadurch schon eine gewisse Absicherung sehen, andererseits weiß man natürlich auch, dass sich die Familie ganz einfach von ihrem Anteil trennen könnte. All dies hatten wir sicherlich immer im Hinterkopf und haben uns mit Ende unserer 20er Jahre die Frage nach den einzelnen Lebenszielen gestellt, verbunden mit der Fragestellung, was einem das eigene Unternehmen an Möglichkeiten bieten kann. Mein Bruder und ich sind dann intensiver mit unserem Vater in den Austausch gegangen. Unsere Schwester ist im diplomatischen Dienst tätig und fühlt sich dort auch sehr wohl. Wir haben uns am Ende der Herausforderung im Unternehmen gestellt. Unsere Schwester ist seit 2019 Mitglied im Aufsichtsrat.
Philipp Utz (rechts im Bild): Aus heutiger Sicht – der Prozess, dass wir ins Unternehmen eingestiegen sind, ist nun auch schon wieder fast 10 Jahre her – kann ich sagen: Es gibt keinen Königsweg. Es hängt stark vom Individuum und von den Neigungen und Interessen des Einzelnen ab. Bei meinem Bruder und mir ist die Ergänzung der Erfolgsfaktor. Wir beide haben nicht nur unterschiedliche Schwerpunkte, wir verfügen auch über unterschiedliche Berufserfahrung.. Während mein Bruder eher regional verwurzelt ist, bin ich sehr gerne international tätig. Dies muss immer berücksichtigt werden, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie der gemeinsame Fit später passen könnte. Das schließt auch die Frage ein, in welchen Strukturen, in welchem Konstrukt man zusammenarbeiten möchte und kann. Darüber hinaus stellt man sich die Frage, wie man sich ganz bewusst von den großen Fußstapfen des Vaters lösen kann. Das ist ja üblicherweise in den meisten erfolgreichen Unternehmen so. Gerade dann ist es für die nachfolgende Generation wichtig, sich im Vorfeld Gedanken dazu zu machen, was man einmal im Unternehmen erreichen und bewegen möchte. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch.
Sicherlich gibt es Unternehmerfamilien, die einmal im Quartal über das Thema Nachfolge mit ihren Kindern sprechen, bei denen es schon einen Familienrat gibt und alles minutiös im Vorfeld geplant ist. Und dann kommt alles anders als gedacht [lacht]. Dann ist die Frustration groß. Bei uns gab es diesen einen Zeitpunkt X, an dem wir wussten, jetzt sind wir karrieretechnisch außerhalb des Unternehmens schon an einem gewissen Punkt, an dem der berühmte „point of no return“ in Kürze kommen würde. Und bevor dieser dann eintritt, sollten wir über die Möglichkeiten eines Einstiegs sprechen. Dann stand das 100-jährige Firmenjubiläum bevor. Dies war der perfekte Momentzur richtigen Zeit. In der Rückschau war es bei uns daher eine eher kurzfristige Entscheidung.
Ich persönlich würde jeder Nachfolgerin, jedem Nachfolger empfehlen, sich nicht direkt auf den Chefsessel zu setzen, also nicht direkt die Nachfolge des Vaters oder der Mutter anzutreten. Es empfiehlt sich, sich selbst zunächst einmal die Hörner abzustoßen, ein Profil zu entwickeln, damit die Mitarbeiter einen dann später so wahrnehmen, wie man wahrgenommen werden möchte.
Philipp Utz, Mitglied des Vorstands der Uzin Utz AG
Marco Henry Neumueller: Welchen Ratschlag würden Sie anderen Unternehmerfamilien geben, die sich ebenfalls in einer Nachfolgesituation befinden?
Philipp Utz: Ich persönlich würde jeder Nachfolgerin, jedem Nachfolger empfehlen, sich nicht direkt auf den Chefsessel zu setzen, also nicht direkt die Nachfolge des Vaters oder der Mutter anzutreten. Es empfiehlt sich, sich selbst zunächst einmal die Hörner abzustoßen, ein Profil zu entwickeln, damit die Mitarbeiter einen dann später so wahrnehmen, wie man wahrgenommen werden möchte. So war es zumindest bei uns beiden. Wir haben uns unbewusst bewusst dafür entschieden, dass wir zunächst außerhalb von Ulm, weg von der Zentrale, tätig sein wollen. Mein Bruder war damals noch in der Nähe von Stuttgart in unserer Maschinenfabrik tätig, ich bin dann ins Ausland nach England zu unserer Tochtergesellschaft. Dabei lernt man das Geschäft von einer anderen Seite kennen, als wenn man in der Zentrale sitzt, umgeben von einer großen administrativen Organisation, wo für alles Spezialisten vor Ort sind. Wenn man in einer kleinen Gesellschaft das Unternehmen und die Branche kennenlernt, dann muss man sich in manche Dinge ganz anders hineinversetzten. Das kann ich jedem Nachfolger nur empfehlen. Es ist wichtig, dass man die Branche und das Unternehmen von der Pike auf lernt und versteht. Das haben wir beide auch so gemacht.
Julian Utz: Mir persönlich halfen bei der Frage nach dem Einstieg ins Familienunternehmen verschiedene Veranstaltungen, die mittlerweile für Unternehmerfamilie angeboten werden. So kann man frühzeitig in den Austausch gehen und mit älteren, die einen solchen Prozess bereits hinter sich gebracht haben, in einen Austausch einsteigen. Die Fragen sind meist dieselben: der Vater lässt nicht los oder ein plötzlicher Schicksalsschlag führte dazu, dass man in sehr jungen Jahren die Führung übernehmen musste etc. Auch gibt es unterschiedliche Größenordnungen. Von Kleinstunternehmen mit fünf Angestellten bis hin zu Unternehmen mit vielen Tausenden Mitarbeitern. Solche Personen kann man darüber kennenlernen und man ist relativ schnell auf einer sehr privaten Ebene. Insofern kann ich jedem, der in eine Unternehmerfamilie geboren wurde, nur empfehlen, möglichst früh diese Netzwerke für sich zu öffnen und in den Austausch mit anderen Junioren oder solchen, die die Leitungsfunktion bereits übernommen haben, einzusteigen. Oder eben auch mit solchen, die sich bewusst gegen eine operative Funktion entschieden haben und ihren Platz im Aufsichts- oder Beirat gefunden haben.
Marco Henry Neumueller: Wie darf ich mir die Zusammenarbeit von Ihnen beiden vorstellen? In einer Familie ist es ja durchaus üblich, dass sich Geschwister auch mal in die Haare kriegen. Können Sie Privates und Berufliches immer trennen?
Julian Utz: Wir sind jetzt erst einmal durch die Maske gegangen, deswegen sieht man unsere blauen Augen nicht. [lacht]. Klar, wie mein Bruder schon sagte, haben wir zunächst in Gesellschaften gearbeitet und Anfang 2018 dann die Verantwortung als Vorstände übernommen. Wir haben aber auch noch einen dritten Vorstandskollegen im Team. Nachdem wir uns die Verantwortung für einzelne Ressorts im Vorstand aufgeteilt haben, führte dies schon zu einer strutkurellen Trennung der Themen. Darüber hinaus haben mein Bruder und ich unterschiedliche Wohnorte. Wir befinden uns also nicht zu jedem Zeitpunkt am selben Fleck. Unsere Familie ist jetzt auch nicht so traditionell, dass es immer ein gemeinsames Mittagessen am Sonntag gäbe. Außerhalb des beruflichen Alltags geben wir uns genügend Freiraum, so dass jeder seinen Wünschen und Hobbies nachgehen kann.
Sich auf eine klare Ressortverteilung zu verständigen war sicherlich vernünftig, gerade wenn man beruflich sehr eng zusammenarbeitet und dann auch noch gleich alt ist; man kann bei uns ja auch nicht sagen, der Ältere ist irgendwie der Weisere oder der Jüngere ist immer der Unerfahrene. Also muss man sich beruflich entsprechend arrangieren. Im Privaten geben wir uns dann auch den nötigen Freiraum zum Durchatmen.
Philipp Utz: Wir sind nun mal Geschwister. Was das bedeutet, kann jeder nachvollziehen, der selbst einen Bruder oder eine Schwester hat und ggf. mit ihm oder ihr zusammenarbeitet. Das ist eine andere Konstellation. Ich denke aber auch, dass wir einen sehr vernünftigen Modus der Zusammenarbeit gewählt haben. Natürlich kappeln wir uns auch mal. Allerdings haben wir für uns klar beschlossen, dass wir dies immer nur in geschlossenen vier Wänden tun. Wir treffen uns regelmäßig, mindestens einmal pro Woche und setzen uns zusammen. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Vorstandsmeetings, wo wir uns dann auch mal einen ganzen Tag einsperren und diskutieren. Es gibt aber auch Themen, bei denen wir im Vorfeld wissen, dass wir anderer Meinung sein werden. Das ist auch der Vorteil eines Geschwisterpaares in der Unternehmensleitung. Man kennt sich eben gut. Ich weiß, wie mein Bruder denkt und umgekehrt genauso. Wir kennen uns immerhin seit 39 Jahren. Klar fechtet man dann Themen mit Argumenten aus; aber man findet dann auch eine Lösung und geht mit einer Stimme nach draußen. Das ist wichtig, dass wir dann auch mit einer Stimme sprechen. Man darf auch nicht unterschätzen, dass jedes Geschwisterpaar eine gewisse Zeit benötigt, bis sich das Miteinander eingespielt hat.
Marco Henry Neumueller: Jedes Familienunternehmen hat eine spezifische Unternehmenskultur mit ganz eigenen Werten. Wie würden Sie die Kultur bei Uzin Utz in wenigen Worten beschreiben und wie hat sich diese möglicherweise mit dem Generationswechsel von Ihrem Vater auf Sie verändert?
Philipp Utz: Bei uns gab es keinen direkten Übergang von unserem Vater auf uns. Es gab einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren mit einem familienfremden Manager, der selbst davor schon viele Jahre bei uns im Unternehmen war. Thomas Müllerschön zog aber keine direkte Trennlinie ein, aber er sorgte dennoch für eine gewisse Neutralität, da es nicht einen direkten Übergang von Vater auf die Söhne gab. Das kann man auch als Abnabelungsprozess von unserem Vater verstehen. Er hatte sich dann am Ende seiner Laufbahn etwas zurückgezogen. Das war sicherlich ein Prozess von fünf Jahren. In der Zeit mit einem Fremdmanager an der Spitze war die Auffassung der Mitarbeiter – zumindest ist das meine Meinung –, dass wir etwas abgerückt sind von einem klassischen Familienunternehmen, da eben auch niemand aus der Familie in dieser Zeit an der Spitze stand.
Wir sind derzeit dabei, das Thema Familienunternehmen sowohl in der Innen- als auch Außenwahrnehmung wieder ins Zentrum zu rücken. Auf der einen Seite sind wir eine börsennotierte Aktiengesellschaft und gewissermaßen auch ein Großkonzern mit rund 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber dennoch ein Familienunternehmen, in welchem wir versuchen die Hierarchien so flach wie möglich zu halten und versuchen, ein nahbarer Vorstand zu sein. Ein Kulturwechsel ist gewiss da. Wir haben aber auch auf Grund von gewissen Themen fernab von Vorstand und von unserer Persönlichkeit einen kulturellen Wandel erzwingen müssen. Zum Beispiel beim Thema Digitalisierung. Wir lernen uns vor diesem Hintergrund gerade erst kennen. Durch virtuelle Gespräche findet ein anderer Austausch statt, der bestimmt auch Einfluss auf die Kultur hat oder diese in gewissem Maße beeinflusst.
Wir haben aber natürlich vor vielen Jahren kulturelle Werte definiert; Wertschätzun, Verlässlichkeit, Internationalität. Das sind Kernwerte, die geblieben sind, die sich aber möglicherweise in der Ausrichtung oder Gewichtung etwas verschoben haben.
Marco Henry Neumueller: Soweit ich dies von extern beurteilen kann, sind Sie im Vorstand drei gleichberechtigte Vorstandsmitglieder. Ich erkenne weder einen Vorsitzenden noch einen Sprecher. Was muss ein familienfremder Manager in Ihren Augen mitbringen, um in einem Vorstand mit zwei Familienmitgliedern erfolgreich sein zu können? Diese Sandwich-Position mag nicht immer einfach sein?
Julian Utz: Einfach sicherlich nicht, aber wir haben hier den Vorteil, dass unser drittes Vorstandmitglied, Heinz Leibundgut, unser Unternehmen seit vielen Jahren kennt und begleitet hat. Er verfügt über ein gesundes Selbstvertrauen und ist als Schweizer auch nicht so leicht unterzukriegen [lacht]. Mein Bruder und ich zollen ihm auch auf Grund seiner Erfahrung und seinen unternehmerischen Erfolgen, die er ins Unternehmen eingebracht hat, Respekt. Klar muss man das aushalten können, dass man sich manchmal in dieser Schraubstockrolle vorfindet, dass man dabei nicht „erdrückt“ wird, aber das meistert er mit Bravour und er hat viel Freude in der Zusammenarbeit mit uns. Umgekehrt ist das genauso. Hätten wir 2018 alle drei unsere erste Vorstandsrolle übernommen, wäre es sicherlich wesentlich schwieriger geworden für den dritten. Nachdem Heinz Leibundgut gerade seinen Vertrag verlängert hat, scheint es ihm bei uns nicht ganz so schlecht zu gehen. Wir haben eine gemeinsame Strategie für 2025 erarbeitet. Diesen Weg möchte er auch gemeinsam mit uns gehen, sie umsetzen und dann die Ernte einfahren.
Philipp Utz: Er muss sich in Familienunternehmer hineindenken können. Es ist etwas anderes, wenn man in einem Unternehmen tätig ist, in dem ständig der eigene Familienname präsent ist. Das ist für jeden familienexternen Manager eine Herausforderung. Wir als Familienmitglieder betrachten manche Dinge sicherlich anders, als dies ein Fremdmanager tut. Wir haben aber glücklicherweise bei uns in den Führungsebenen überwiegend Mitarbeiter, die sich so stark mit dem Unternehmen identifizieren, dass man ihnen als zweiten Nachnamen „Utz“ geben könnte und sie würden sich nicht daran stören; soll heißen, es gibt da kaum eine wirkliche Trennung bei uns. Wir haben aber auch nicht den klassischen Konzern-CEO oder C-Level Manager, der mit der Intention einen solchen Job annimmt, in den kommenden fünf Jahren alles mitzunehmen was möglich ist und danach wieder ausscheidet. Das entspricht nicht unserer Kultur. So jemanden würden wir niemals in unserem Unternehmen einstellen. Hier ticken wir anders. Insofern gibt es gar nicht so die klare Trennung zwischen Familienmitgliedern und externen Mitarbeitern. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Heute Morgen habe ich mit unserem Areamanager aus Osteuropa gesprochen. Er ließ mich wissen, dass er sich zu Weihnachten ein blaues Rennrad schenken wird. Ich musste nicht nachfragen, warum es ein blaues Rennrad werden wird. Es ist die Farbe unserer stärksten Marke UZIN. Da fließt eben gewisser Maßen blaues Blut durch seine Adern.
Tanja Peter (Head of Corporate Communications & Marketing): Aus meiner Sicht muss man sich vielleicht auch ein bisschen zurücknehmen können, zumal natürlich das Interesse an den Söhnen häufig größer ist. Aber das hält Heinz Leibundgut ganz gut aus und kommt damit klar. Das ist sicherlich aber etwas, womit man diplomatisch umgehen können muss.
Philipp Utz: Es ist vielleicht auch ein plakatives Beispiel. Als wir damals die Bewerbungsunterlagen für den „EY Entrepreneur of the Year Award“ zugeschickt bekommen haben, waren diese schon vorausgefüllt. Da standen mein Bruder, meine Schwester, mein Vater und ich drin. Man wollte quasi die Familie ehren. Wir haben dann aber klargestellt, dass es hier nicht um die Unternehmerfamilie geht, sondern um die Personen, die operativ an der Spitze des Unternehmens stehen. So haben wir Heinz Leibundgut aufnehmen lassen und unserer Schwester und unserem Vater freundlich zu verstehen gegeben, dass sie zwar Teil der Familie sind, aber als Aufsichtsrat nicht Teil des operativen Vorstands sind. Diese Reaktion zeigt und ist ein klares Signal dahingehend, wie wir Heinz Leibundgut in unsere Reihe aufgenommen haben. Wir differenzieren da nicht.
Marco Henry Neumueller: Das Unternehmen scheint gut durch diese besondere Zeit zu kommen. Jüngst konnte ich einer Pressemeldung entnehmen, dass Sie im Umsatz und Ergebnis über Vorjahr liegen, während andere Unternehmen ums Überleben kämpfen. Was machen Sie anders?
Julian Utz: Ich bin der Auffassung, dass wir hier auch etwas Glück mit unserer Branche haben. Sicherlich haben wir die richtigen Mitarbeiter. Sie haben es selbst vorher erwähnt. Es ist eine Frage der Kultur. Es darf nicht nur das Fachliche passen. Es ist unserem Vater in der Vergangenheit und hoffentlich auch uns jüngst gut geglückt, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unser Unternehmen zu begeistern und gewinnen zu können, die auch in so einer Krise hinter uns stehen und weiterhin 110% Leistung bringen. Fairerweise muss man aber auch ergänzen, dass in unserer Branche die Bauzulieferer und unsere Handwerkskunden aber auch Großhändler, an die wir verkaufen, nicht von irgendwelchen Lockdowns betroffen waren. Wir konnten einfach weiterverkaufen. Wir haben aber auch internationale Märkte. Hier waren wir durch den Lockdown besonders beschränkt. In manchen Ländern, beispielsweise in UK, konnten wir einige Wochen überhaupt nicht ausliefern, zumal die Infrastruktur lahmgelegt war. Aber im Großen und Ganzen konnten wir in den Märkten, wo wir aktiv sind, mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Geschäftstätigkeit aufrechterhalten und sogar ein Wachstum verzeichnen, da wir eben nicht, wie andere Großkonzerne, die wir zu unseren Mitbewerbern zählen, plötzlich ihre ganzen Mitarbeiter in die Kurzarbeit nach Hause geschickt haben. Hier sind wir als Familienunternehmen etwas pragmatischer damit umgegangen. Unsere Mitarbeiter wissen: wenn wir nichts verkaufen können und keinen Umsatz machen, wird es irgendwann schwer, das Personal zu halten und zu beschäftigen. Für uns ist es auch keine Alternative, auf Staatskosten zu vertrauen und mal zu schauen, was die Zeit so bringt. Wir nehmen unser Schicksal selbst in die Hand und gehen nach vorne.
Marco Henry Neumueller: Wenn wir uns im Jahre 2030 wieder träfen und die vergangenen 10 Jahre Revue passieren ließen, worauf wären Sie besonders Stolz und welche Ziele verfolgen Sie?
Philipp Utz: Unseren Strategieprozess, den wir vor zwei Jahren angestoßen haben, hatte ich vorher schon erwähnt. Wir haben damals einen Bottom-up und keinen Top-down Ansatz gefahren. Es waren viele Geschäftsführer und Mitarbeiter in leitenden Positionen in diesen Strategieformulierungsprozess eingebunden. Damit stieg die Akzeptanz der Strategie deutlich von Anfang an und man konnte sich besser mit dieser identifizieren, da man selbst mitgewirkt hat. Auch die Implementierung ging dann deutlich reibungsloser und schneller. In zehn Jahren werden wir sicherlich darauf zurückblicken und – denke ich – feststellen, dass das der richtige und ein erfolgreicher Ansatz war. Darüber hinaus wollen mein Bruder und ich dem Unternehmen auch eine gewisse eigene Note geben. Hierzu zählen auch solche Themen, die von unserem Vater in der Vergangenheit weniger in Angriff genommen wurden. Beispielsweise das Thema Digitalisierung. Hier wollen wir gerade was die digitalen Geschäftsmodelle angeht Vorreiter werden. Wir verfolgen auch sehr aufmerksam den Wandel, der sich im Handel vollzieht. In zehn Jahren wollen wir als ein führender Anbieter in diesem Umfeld wahrgenommen werden. Daneben hat das Thema Nachhaltigkeit für uns einen besonderen Stellenwert. Dies ist derzeit durch Corona leider etwas in den Hintergrund getreten. Hier streben wir eine komplett durch das Unternehmen gelebte Nachhaltigkeit – ökologisch, sozial, aber natürlich auch ökonomisch – an. Hier wollen wir in zehn Jahren als Nachhaltigkeitsprimus in unserer Branche gesehen werden. Wenn wir das bis 2030 erreichen, wäre ich persönlich sehr zufrieden.
Julian Utz: Wir waren in der Vergangenheit ein erfolgreiches Unternehmen – sicherlich sehr geprägt durch unseren Vater. In diese Fußstapfen wollen wir treten und das Unternehmen weiterentwickeln. Generell haben wir auch das Ziel weiterhin zu wachsen; Wachstum muss aber auch mit Gewinn unterfüttert sein. Daran arbeiten wir intensiv. Und wir hoffen, dass wir auch die fünfte Generation überzeugen können, dass sie ihre Zukunft im Familienunternehmen sieht. Einerseits haben wir als Aktiengesellschaft die Quartalsberichte vor Augen, andererseits geben wir uns als Familienunternehmen auch langfristige Ziele, an denen wir konsequent arbeiten. Hieran halten wir fest.
Marco Henry Neumueller: Ihnen beiden ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
Über die Gesprächspartner
Julian Utz
Mitglied des Vorstands seit 2018
Seit 2011 im Unternehmen
Ressorts: Produktion, Forschung und Entwicklung, Personal und Recht, Unternehmensentwicklung
Julian Utz war vor seinem Einstieg ins Familienunternehmen für das Bankhaus Sal. Oppenheimer in Zürich tätig – eine Vermögensverwaltungsbank die Privatkunden und Familien sowie institutionelle Anleger bei weltweiten Investments unterstützt. Im Bereich Real Estate Investment Management (Immobilienmanagement) konzentrierte er sich auf Selektion, Akquisition, Monitoring sowie Disposition von indirekten Immobilienanlagen. Dort strukturierte und managte er als Teamleiter Fonds Analyst Immobilienfonds (sowohl Dachfonds als auch Separate Accounts). Herr Utz studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und Zürich mit den Schwerpunkten Geldtheorie und -politik sowie Bewertung von Finanzinstrumenten.
Philipp Utz
Mitglied des Vorstands seit 2018
Seit 2011 im Unternehmen
Ressorts: Marketing, Vertrieb, Logistik und Einkauf, Unternehmensentwicklung
Philipp Utz war vor dem Einstieg ins Familienunternehmen für Kerkhoff Consulting in Düsseldorf tätig – eine international agierende Unternehmensberatung für Projekte im Einkauf, in der Beschaffung und im Supply Chain Management. Hier trug er als Projektleiter/Principal die operative sowie strategische Verantwortung für Kundenprojekte und entwickelte für den Kunden zugeschnittene Konzepte zur Optimierung der Wertschöpfungskette. Herr Utz studierte Betriebswirtschaft an der Universität Regensburg mit den Schwerpunkten General Management, Innovation Management und Entrepreneurship.
Über das Familienunternehmen Uzin Utz
Die Uzin Utz Group, Ulm, ist mit über 1.300 Mitarbeitern und einem Konzernumsatz von 372,4 Mio. Euro (2019) führend in der Entwicklung und Herstellung von Produkten und Maschinen für die Bodenverlegung. Die bauchemischen Produktsysteme für die Verlegung von Bodenbelägen aller Art bis hin zur Oberflächenveredelung sowie die Maschinen für die Bodenbearbeitung werden von den Konzernunternehmen nahezu alle selbst entwickelt und hergestellt und unter den international erfolgreichen Marken Uzin, Wolff, Pallmann, Arturo, codex, RZ und Pajarito weltweit vertrieben. Als Systempartner des Handwerks, von Planern, Architekten und Bauherren widmet sich Uzin Utz seit über 100 Jahren der Aufgabe, Endkunden wie Verarbeiter in allen Bereichen der Bodenverlegung professionell zu unterstützen. Weitere Pressemitteilungen unter
Bildquelle: Uzin Utz