Moritz Ritter ist Vorsitzender des Beirats der Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG in Dettenhausen.
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Ritter, heute wollen wir nicht über Schokolade sprechen, sondern über ein eher weniger bekanntes Unternehmen, die Ritter Energie- und Umwelttechnik. Wann und warum wurde das Unternehmen damals gegründet und wie hängt die Gründung mit Ritter Sport zusammen?
Moritz Ritter: Auslöser war im Endeffekt die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl im Jahre 1986. Damals trat sehr viel Radioaktivität aus, die auch in der Türkei niederregnete. Hierdurch wurde die komplette Haselnussernte in verstrahlt. Haselnüsse sind für uns bei Ritter Sport neben dem Kakao, eine sehr wichtige Zutat. Und die Nüsse, die für Schokolade verwendet werden, kommen zu 80% aus der Türkei. Demnach konnten wir in diesem Jahr keine Haselnüsse kaufen. Erstmals hatte das Energiegeschäft, noch dazu ein räumlich weit entferntes, direkten Einfluss auf unser Schokoladengeschäft. Mein Vater war zwar davor auch schon immer ökologisch motiviert und hatte schon ein paar Investments in dem Bereich getätigt, aber dies gab ihm den letzten Anstoß selbst im Bereich erneuerbare Energien aktiv zu werden. Zwei Jahre später gründete er gemeinsam mit einem Ingenieur und einem Marketing-Experten die Ritter Energie- und Umwelttechnik. Das Geschäftsmodell ist allerdings nicht im Bereich Strom angesiedelt, wie man nach Tschernobyl annehmen könnte, sondern im Bereich Wärme. Und das mit gutem Grund: Der Gesamtenergieverbrauch in Deutschland wird etwa zur Hälfte für Wärme benötigt, ein Viertel für Verkehr und lediglich ein Viertel für Strom. Im Bereich Wärme hat man also den viel größeren Hebel, wenn man wirklich etwas bewegen möchte.
Zudem war es auch das eigene Erleben: Meinem schwäbischen Vater hat es nicht gefallen, dass im Sommer der Ölkessel ansprang, wenn man sich nur die Hände waschen möchte. Bei uns steht die Sonne deshalb im Zentrum, eine Energie die vor Ort direkt verfügbar ist und einige Monate im Jahr für ausreichend Wärme sorgt, ohne dass ein Kessel anspringen muss. Wir maximieren den Nutzen der Sonne, das ist der Kern unseres Unternehmens. Wir stellen uns die Frage, wie wir möglichst viel Solarwärme direkt vom Dach holen und diese möglichst effektiv in einem intelligenten Heizungssystem integrieren können.
Marco Henry Neumueller: Deutschland steckt mitten in der Energiewende. Energie aus erneuerbaren Quellen, wie Sonne und Wind, soll Energie aus fossilen Energieträgern, wie Kohle, und Kernenergie ablösen. Welche Rolle spielt dabei die Ritter Energie- und Umwelttechnik?
Moritz Ritter: Wir hatten gerade schon darüber gesprochen, dass die Hälfte der Energie im Bereich der Wärme verbraucht wird. Bei der von uns verwendeten Technologie holen wir drei bis vier Mal so viel Energie pro Quadratmeter vom Dach wie mit einer Photovoltaikanlage für Strom, haben also einen sehr effizienten Wirkungsgrad. Zudem ist die Speicherung von warmem Wasser deutlich günstiger als bei Strom. Im Grunde genommen braucht man nur einen großen Behälter und kann heißes Wasser über mehrere Tage speichern. Wenn man sich dieses Gesamtsystem ansieht, ist die Solarthermie im Vergleich zu Photovoltaik mit Batterie und Wärmepumpe deutlich günstiger.
Darüber hinaus lässt sich die Solarthermie mit so gut wie jedem Wärmeerzeuger kombinieren, egal ob Pelletkessel, Gaskessel, Wärmepumpe oder auch Ölkessel. Zudem ist sie lange erprobt, kostengünstig und im Markt etabliert. Sozusagen der Allrounder für das Ein- und Mehrfamilienhaus.
Darüber hinaus sind wir mit Ritter XL auch im Projektgeschäft. Wir bauen solarthermische Großanlagen für industrielle Prozesswärme und insbesondere für Wärmenetze. Wir haben gerade in diesem Jahr in Greifswald die größte solarthermische Anlage Deutschlands eingeweiht. Sie liefert pro Jahr über 8 GWh Wärme an die Stadtwerke Greifswald. Solche Projekte sind insofern spannend, da man 15 bis 20 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs sehr günstig direkt durch die Sonne ersetzen kann. Mit anderen Worten eine „low hanging fruit“ in der Wärmewende. Wenn es noch mehr Solare Deckung sein soll, kann ich die Fläche der Solaranlage weiter vergrößern und das System durch einen Speicher erweitern.
Klar ist, wenn ich den Schritt mit der Solarthermie gehe, mache ich nie etwas falsch, da ich den Energieverbrauch schon einmal deutlich senke. Und das mit einer Kostensicherheit für die nächsten 25 Jahre.
Marco Henry Neumueller: Digitalisierung der Heiztechnik“ und „Elektrifizierung der Wärmeversorgung“ werden in der Branche seit Jahren intensiv diskutiert. Wie positionieren Sie sich dazu?
Moritz Ritter: Die Digitalisierung der Heizungstechnik kann man in zwei Bereiche unterteilen. Der eine ist die Bedienung er Heizung. Also, dass ich beispielsweise mit meinem Smartphone auf die Heizung zugreifen kann, oder dass sie mit meinem Haus vernetzt ist.
Dafür haben wir natürlich Produkte, die Kunden fragen auch zunehmend danach. So kann ich die Effizienz des gesamten Heizungssystems optimieren. Aber im Sinne der Energiewende bringt das leider nur kleine Fortschritte.
Der andere Bereich ist die Digitalisierung des Vertriebs der Heizung, mit anderen Worten: Man kann seine Heizung direkt über das Internet bestellen. Das ist sicherlich eine interessante Lösung. Meiner Meinung nach wird sie wird aber immer nur einen Teil der Kunden ansprechen. Die Digitalisierung des Vertriebsweges macht vor allem Sinn, wenn ich ein einfaches Heizungssystem habe, bei dem etwas ausgetauscht oder erneuert wird. So etwas kann man vergleichsweise gut digital abbilden.
Auch wenn ich mich nun schon viele Jahr in dieser Branche bewege, fasziniert mich immer noch, dass im Grunde genommen jede Heizung eine Individualanfertigung ist. Das gibt es in unserer hochautomatisierten Welt immer seltener. Man schaut sich die Begebenheiten vor Ort an und entwickelt eine individuelle Lösung. Hierfür ist das deutsche Fachhandwerk der Schlüssel. Auch wenn man sicherlich versuchen kann, gewisse Standards zu etablieren oder Teile vorzukonfigurieren oder vorzumontieren; am Ende wird es immer eine Individuallösung sein, da die Bedingungen bei jedem Haus anders sind. Insbesondere im Sanierungsmarkt, der etwa 99 Prozent des Marktes ausmacht. Daher glaube ich, dass die Digitalisierung des Vertriebs interessant ist. Aber ich glaube nicht, dass sie den Heizungsmarkt grundlegend revolutionieren wird.
Kommen wir zur Elektrifizierung, das ist etwas ganz Anderes. Die aktuelle Regierung möchte dieses Thema massiv vorantreiben. Nach den aktuellen Plänen soll die Neuinstallation von klassischen Gas- und Ölkesseln ab 2024, also in weniger als in einem Jahr quasi verboten werden, da jeder neue Wärmeerzeuger mindestens 65% erneuerbare Energien verwenden soll. Gas- und Ölkesseln macht aber aktuell noch 60 – 70 Prozent des Neuanlagenmarktes aus. Ich kann mir noch nicht so richtig vorstellen, wie diese rapide Kehrtwende funktionieren soll. Ursprünglich sollte die Regelung ab 2025 gelte, was schon extrem sportlich war. Nun wurde sie durch den Ukraine-Krieg sogar noch um ein Jahr verkürzt. Das ist krass. Einen Gesetzentwurf gibt es aktuell (Ende Februar 2023) immer noch nicht. Bei so grundlegenden Eingriffen in den Mark ist ein Transformationsplan über mehrere Jahre mehr als wünschenswert.
Die Elektrifizierung ist an sich eine gute Sache mit schönen Wirkungsgraden. Eine grundlegende Voraussetzung, um mit der Elektrizität im Wärmemarkt einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten ist aber, dass auch im Winter die notwendige Menge an regenerativem Strom in ganz Deutschland verfügbar ist. Selbst wenn wir endlich die Genehmigungsverfahren beschleunigen, wird das aber noch viele Jahre brauchen.
Kritisch für die Elektrifizierung des Wärmemarktes sehe ich auch, dass für eine Heizung mit Wärmepumpe zum einen die richtige Gebäudehülle (Dämmung) und das richtige Wärmeverteilsystem (Flächenheizung) gegeben sein muss. In den meisten Bestandsimmobilien ist aber beides nicht der Fall. Beides muss aber vor einem Tausch der Heizung in Angriff genommen werden. Lediglich eine reine Elektrifizierung durchzuführen ist für mich zu kurz gedacht.
Dass der Weg zu CO2-neutralen Heizungen absolut richtig ist, ist glasklar. Genau das ist unsere DNA, dafür sind unsere Gründer vor 35 Jahren angetreten.
Aber wir können jetzt nicht das, was in der Vergangenheit über 16 Jahre hinweg verschlafen wurde, nun im Hauruck-Verfahren durchboxen. Klar ist aber auch, dass wir uns beeilen müssen. Genau deswegen bitte mit Plan und technologieoffen. Durch die extreme Fokussierung auf den Strom werden anderen nachhaltige Lösungen an den Rand gedrängt. Wenn wir schnell sein wollen, benötigen wir alle Technoliegen, die wir haben und wir benötigen Planungssicherheit, um alle an einem Strang ziehen zu können.
Marco Henry Neumueller: Wo möchten Sie mit Ihrem Unternehmen in den nächsten 5 oder gar 10 Jahren stehen?
Moritz Ritter: Das ist eine gute Frage. Wir wären froh, wenn wir wüssten, wie sich das nächste Jahr entwickelt. Im Wärmemarkt beziehungsweise im Energiemarkt sind wir extrem von politischen Rahmenbedingungen abhängig; insbesondere was das Thema Förderung oder Regularien angeht. Somit kann beispielsweise ein Regierungswechsel oder die angesprochene 65%-Regel schon eine erhebliche Marktverschiebung mit sich bringen.
Aber in unserer Vision sind wir ganz klar: Wir sind Technologieführer bei ökologisch, konsequenten Heizungssystemen. Im Bereich der Ein- und Mehrfamilienhäuser bieten wir eine erstklassige, durchdachte und nachhaltige Energieversorgung mit Schwerpunkt Solarthermie an. Wer eine hohe Autarkie im eigenen Haus sucht, kommt an uns eigentlich nicht vorbei. Bei den solarthermischen Großanlagen ist es ähnlich. Unsere Kunden wissen den großen Flächenvorteil der Solarthermie und die Kostensicherheit über 25 Jahre zu schätzen. Dies fällt bei sehr großen Anlagen natürlich noch stärker ins Gewicht. Auch hier ist unsere Vision klar: Marktführer in Deutschland bleiben.
Marco Henry Neumueller: Wie hat sich Ihr persönliches Verhalten in den letzten Jahren verändert. Leben Sie bewusster?
Moritz Ritter: Nein – aber nicht, weil ich unbewusst lebe, sondern weil ich es schon immer gemacht habe. Für mich hat sich somit eigentlich wenig verändert. Das Unternehmen wird nun 35 Jahre alt und hat mich sozusagen von klein auf begleitet. Ich hatte eben erwähnt, dass mein Vater schon immer ökologisch motiviert war. Man kann jetzt nicht sagen, dass wir im Verzicht lebten, sondern es ist eher die Faszination, eine ökologische Lösung zu finden, die den Komfort erlaubt. Die Lösung ist eben nicht, kalt zu duschen, sondern die Technik zu haben, dass man ohne ökologischen Schaden warm duschen kann. Und das geht. Meiner Meinung nach ist das auch der Schlüssel zur ganzen Energiewende: Man sucht Lösungen, die den Komfort erhalten und die Einschränkungen so gering wie möglich sind. Verzicht ist kein attraktives Geschäftsmodell. Ganz wird es nicht funktionieren, wenn ich beispielsweise an Flugreisen denke. Hier habe ich mein Verhalte geändert. Ich war schon immer ein Fan der Deutschen Bahn, auch wenn gerade sicherlich etwas Abenteuerlust dazu gehört. Aber Inlandflüge versuche ich immer zu vermeiden und plane etwas mehr Zeit ein oder mache den Termin digital.
Marco Henry Neumueller: Sie sind in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen. Wie präsent war in Ihrer Kindheit das Unternehmen und was hat Sie bewogen nach Ihrem Studium ausgerechnet in die Ritter Energie- und Umwelttechnik und nicht bei Ritter Sport einzusteigen?
Moritz Ritter: Die Unternehmen waren immer ein Stück weit präsent in der Familie. Aber mein Vater achtete darauf, dass es nicht zu dominant im Vordergrund steht, da er in seiner Generation damit nicht nur positive Erfahrungen gemacht hatte. So konnte ich zunächst auch meinen eigenen Interessen folgen und habe einen eher untypischen Weg eingeschlagen. Ich habe Technische Informatik studiert, war danach am Fraunhofer Institut tätig und drauf und dran, dort meine Doktorarbeit zu schreiben. Doch dann kam mein Vater in einer herausfordernden Geschäftslage mit der Bitte um Unterstützung bei der Ritter Energie auf mich zu, da er sich zu der Zeit voll auf Ritter Sport konzentrieren wollte. Das war keine leichte Entscheidung, denn ich habe mich in meinem vorigen Job sehr wohl gefühlt. Am Ende war es der Respekt vor dem was über viele Jahre aufgebaut wurde und eine Frage der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Bei meiner Entscheidung hat sicherlich auch eine Rolle gespielt, dass die Ritter Energie für mich absolut positiv besetzt ist, da wir dem Klimawandel aktiv etwas entgegensetzen. Somit wurde mir dann klar, dass ich diesen Weg gehen möchte. Heute liegt diese Entscheidung über 13 Jahre zurück und ich würde mich wieder genauso entscheiden.
Marco Henry Neumueller: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Ritter.