von Ulrich Gartner, Inhaber der Agentur Gartner Communications – Strategische Kommunikationsberatung
Angesichts der aktuellen Herausforderungen werden viele Familienunternehmen in Deutschland sich verändern müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Allerdings fokussiert sich das Management in Restrukturierungen häufig auf bilanzielle Faktoren und unterschätzt die Dynamik und Komplexität der operativen Umsetzung. Um den guten Ruf des Unternehmens zu schützen, ist begleitende interne und externe Kommunikation unverzichtbar.
Familienunternehmen geraten hierzulande zunehmend unter Druck. Neben aktuellen Faktoren wie den Covid-19-Maßnahmen sind dafür systematische Entwicklungen ausschlaggebend. So belegt Deutschland mit Blick auf die Rahmenbedingungen im aktuellen „Länderindex Familienunternehmen“ nur noch Platz 17 unter 21 Industrienationen.
Gleichzeitig stellen globale Trends wie Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz tradierte Geschäftsmodelle in Frage. Es ist deshalb absehbar, dass eine steigende Anzahl von Firmen sich durch Restrukturierung zukunftsfähig machen wird.
Risikofaktor Datenfixierung
Die Entscheidung, ein Unternehmen zu restrukturieren, beruht maßgeblich auf betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Bilanz und GUV begründen nicht nur die Notwendigkeit der Restrukturierung, sondern beschreiben auch deren Ziele etwa in Form höherer Umsatzrenditen oder operativer Effizienz.
Diese datenfixierte Betrachtungsweise blendet allerdings wichtige Elemente der Wirkungskette aus. Mitarbeiter und die Öffentlichkeit beurteilen nämlich das Handeln von Unternehmen vor allem emotional. Sie interessieren sich nicht für die rationale Begründung der Maßnahmen, sondern für deren konkrete Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, deren Familien und das Umfeld, in dem sie leben.
Die operativen Entscheidungen des Managements lassen sich daher nicht von ihrer kommunikativen Wirkung trennen. Gerade in kritischen Situationen kann Verhalten sogar eine stärkere kommunikative Wirkung entfalten als verbale Äußerungen: Dem Kapitän, der nach einer Havarie als Erster in ein Rettungsboot steigt, wird niemand seine explizite Versicherung abnehmen, es sei alles in Ordnung und man möge doch bitte nicht in Panik geraten.
Deshalb ist die Frage „Wie wirkt das?“ im Rahmen einer Restrukturierung oft wichtiger als „Wieviel können wir dadurch einsparen?“.
Kompliziertheit vs. Komplexität
Ein Grund dafür, dass Manager die emotionalen, dynamischen Aspekte in Restrukturierungen so häufig unterschätzen, liegt in einer mangelnden Unterscheidung zwischen komplizierten und komplexen Problemen. Viele Management- und Planungsinstrumente wurden für die Bewältigung komplizierter Aufgaben entwickelt: Sie setzen große Datenmengen zueinander in Bezug und ermöglichen Prognosen darüber, wie die Veränderung einzelner Parameter die Werte der übrigen beeinflusst.
Illustrieren lässt sich dies an dem berühmt-berüchtigten „Hockey-Stick-Chart“. Dessen Verlaufskurve sinkt beispielsweise bei der ROI-Kalkulation einer Standortschließung durch die kalkulierten Aufwendungen zunächst nach unten ab, um später angesichts der erwarteten Kosteneinsparungen zuverlässig in den grünen Bereich zu steigen. Setzt man beispielsweise die Abfindungskosten etwas niedriger an, wird der Break-Even schneller erreicht – und umgekehrt. So führen wechselseitige Beziehungen zwischen Daten zu einem Business Case, den das Management anschließend mit operativen Schritten unterlegt.
Emotionale Wirkung ist wichtiger als rationale Herleitung
Die Umsetzungsphase einer Restrukturierung besteht aber nicht aus abstrakten Berechnungen, sondern aus Entscheidungen und Handlungen, die konkrete Auswirkungen auf die beteiligten Menschen haben. Sie führen zu emotionalen Reaktionen und rufen zusätzliche Interessengruppen wie Medien, Bürgerinitiativen oder die Politik auf den Plan, die sich wiederum gegenseitig beeinflussen und eine dynamische Entwicklung in Gang setzen. Eine solche Situation ist nicht nur kompliziert, sondern auch komplex.
In diesem Kontext führen Entscheidungen, die als provokativ, rücksichts- oder respektlos wahrgenommen werden, zu Widerstand, der wiederum operative Auswirkungen hat. So senkt eine nachlassende Motivation der Belegschaft die Produktivität, Streiks beschädigen die Lieferfähigkeit, und kritische Medienberichterstattung verunsichert Kunden und kreditgebende Banken.
Kommunikation als strategische Managementaufgabe
Kommunikation ist deshalb in Restrukturierungssituationen eine strategische Führungsaufgabe. Sie lässt sich nicht „nachschalten“, wenn die wichtigen Entscheidungen bereits getroffen sind, sondern muss in die Entscheidungsfindung eingebunden sein. Nur so kann der oder die Verantwortliche die kommunikative Wirkung unterschiedlicher Handlungsoptionen bewerten und dazu beitragen, dass die gefassten Beschlüsse auch vermittelbar sind.
Ein aktueller methodischer Ansatz operationalisiert diesen Gedanken, indem er die Kommunikationsplanung an die klassische Sanierungsplanung am Beispiel des Branchenstandards IDW S6 anbindet. Das „Restrukom®-Modell“ ergänzt die Analyse- und Umsetzungsphasen des Sanierungsgutachtens um korrespondierende kommunikationsbezogene Module und KPIs. Damit wird die Kommunikationsfunktion von Beginn an systematisch dazu befähigt, den guten Ruf des Unternehmens bestmöglich zu schützen.
Erfolgsfaktoren
Unabhängig von den konkreten Umständen eines Restrukturierungsprojekts kann die Beachtung der folgenden Grundregeln dazu beitragen, dessen Erfolgschancen zu maximieren
- Ziele klären
Definieren Sie, welches Ergebnis Sie anstreben: Geht es um die Senkung flexibler Kosten, einen punktuellen Stellenabbau oder die Schließung eines Standorts? Nur auf der Basis eines klar definierten Ziels lassen sich eine erfolgversprechende Verhandlungs- und damit verbundene Kommunikationsstrategie entwickeln.
- Narrativ entwickeln
Entwickeln Sie eine empathische Erzählung, die aus den Rahmenbedingungen die notwendigen Entscheidungen herleitet und beschreibt, wie das Unternehmen in Zukunft aussehen wird. Machen Sie deutlich, dass Ihnen die negativen Auswirkungen auf die Betroffenen bewusst sind und wie sie diese abmildern wollen.
- Individuell kommunizieren
Identifizieren Sie unterschiedliche Interessengruppen, deren jeweils vordringliche Informationsbedürfnisse und auch Eigeninteressen. Entwickeln Sie darauf abgestimmte, individuelle Kommunikationsinhalte und -instrumente.
- Widerstand antizipieren
Recherchieren Sie, welche Stakeholder möglicherweise aktiven Widerstand leisten werden, und entwickeln Sie Strategien für den Umgang damit.
- Motivation bewahren
Schaffen Sie möglichst früh Klarheit darüber, welche Positionen wegfallen, und gehen Sie fair mit den Betroffenen um – denn dieses Verhalten hat Signalwirkung auf die gesamte Belegschaft. Zeigen Sie der verbleibenden Belegschaft eine klare Perspektive auf und feiern Sie das Erreichen von Meilensteinen, um den Blick nach vorne zu lenken.
- Externe und interne Kommunikation verzahnen
Berichte in klassischen oder sozialen Medien beeinflussen die Wahrnehmung innerhalb der Belegschaft; umgekehrt dringen Informationen aus dem Unternehmen nach außen. Deshalb müssen interne und externe Kommunikation stets aufeinander abgestimmt sein. Ganz wichtig: Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtige Neuigkeiten immer direkt vom Arbeitgeber erfahren und nicht aus den Medien.
Über den Autor
Ulrich Gartner ist Inhaber der Agentur Gartner Communications – Strategische Kommunikationsberatung. Er ist seit fast 30 Jahren auf Unternehmens- und Beratungsseite in der internationalen Unternehmenskommunikation tätig. Im April 2020 erschien von ihm bei Springer-Gabler das Buch „Unternehmenskommunikation in Restrukturierungsphasen“.
E-Mail: beratung@gartnercommunications.com
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