Martin Büchs ist geschäftsführender Gesellschafter der JOPP-Gruppe in Bad Neustadt a. d. Saale.
Marco Henry Neumueller: Die Jopp Gruppe feierte erst vor wenigen Jahren ihr 100jähriges Jubiläum. Ein beachtliches Alter für ein Unternehmen. Wo liegen die Ursprünge und was hat das Unternehmen groß werden lassen?
Martin Büchs: Die Firma Jopp wurde von Theodor Jopp gegründet, der aus Zella-Mehlis nach Bad Neustadt kam. Die Firma ist mit der Produktion von Fahrradteilen groß geworden. Später ist die Gründerfamilie in die Fertigung von Teilen für Kraftfahrzeuge eingestiegen. Mein Vater übernahm JOPP vor etwa 30 Jahren unter schwierigen Vorzeichen. In einer Krise verzichteten die Mitarbeiter auf einen Monatslohn, um einen Neuanfang in einer Insolvenz zu ermöglichen. Später wurde das Geld zurückbezahlt und wir haben uns bei Jopp zum Systemanbieter für unsere Kunden aus der Fahrzeugindustrie hochgearbeitet. Heute liefern wir mehr als die Hälfte des Umsatzes direkt an die Fahrzeughersteller mit eigenen Entwicklungsumfängen.
Marco Henry Neumueller: Welche mittel- bis langfristigen Ziele verfolgt das Familienunternehmen? Gibt es ein Szenario, wo das Unternehmen in 5 bis 10 Jahren stehen möchte?
Martin Büchs: Die Automobilindustrie steht vor gewaltigen Veränderungen. Der Antrieb verändert sich und zunehmende Assistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren bestimmen die Trends. Wir sind dabei unser Produktportfolio entsprechend umzubauen. Dabei spielen auch neue Kundengruppen und Fahrzeuge eine Rolle. Wir wollen die Zukunft der Mobilität weiter aktiv mitgestalten mit unseren Lösungen.
Marco Henry Neumueller: Sie sind als Automobilzulieferer in Teilen mit Ihrem Produktportfolio vom klassischen Verbrenner abhängig. Welche Bestrebung gibt es, diese Abhängigkeit mittel- bis langfristig zu reduzieren und wie stellen Sie sich hierzu auf?
Martin Büchs: Wir liefern heute ungefähr die Hälfte unseres Umsatzes in den Antriebsstrang. Wir sind aber von unserer technischen Kompetenz her grundsätzlich unabhängig vom Antrieb. Neben der Mechanik haben wir uns in den letzten 10 Jahren viel Know-How in der Elektronik erarbeitet und können heute mechatronische Systeme aus Stahl, Kunststoff und Elektronik entwickeln und selbst herstellen. Mit unseren wichtigsten Produktbereichen sind wir bereits in Elektrofahrzeugen vertreten. Wir werden in Kürze unseren Umsatz in Innenraumanwendungen erhöhen, an dessen Schnittstelle wir mit unseren Schaltungssystemen bereits aktiv sind. Wir sind außerdem mit 12 Standorten in den wichtigsten Märkten weltweit vertreten und können unsere Kunden aus jeweiliger lokaler Fertigung versorgen.
Marco Henry Neumueller: Selbstzufriedenheit ist der größte Feind von Innovation und Qualität. Wie innovieren Sie?
Martin Büchs: Wir haben eine offene Firmenkultur, durchlässige Führungsstrukturen und sehr dynamische Mitarbeiter. Wir geben unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einige Freiräume neues auszuprobieren und mitzuentscheiden. Dadurch sind wir als Arbeitgeber sehr interessant und können im Gegenzug immer wieder von neuen Ideen profitieren. Traditionell entstehen bei uns Innovationen auch durch die Übernahme neuer Technologien, um viel Wertschöpfung im eigenen Haus erzielen zu können. Wir experimentieren auch mit „Open Innovation“, indem wir technisch anspruchsvolle Aufgaben extern ausschreiben. Wir waren vor einigen Jahren einer der ersten, der automatisierte Drohnenflüge für leichte Transporte in unserem Stammwerk getestet hat. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen waren aber damals noch nicht ausreichend für ein größeres Projekt. Aber auch das gehört zu Innovation – zu erkennen wann eine Idee noch nicht reif für den Markt ist.
Marco Henry Neumueller: Nachhaltigkeit ist schon lange kein Modewort mehr, sondern hat Einzug in die deutschen Industrieunternehmen gehalten. Viele Unternehmen rufen eine „Go Zero“ Strategie aus. Wie stellt sich die JOPP Gruppe hierzu auf?
Martin Büchs: Wir haben uns bei JOPP vorgenommen bis 2035 in unseren Werken CO2-neutral zu werden. Strom macht 90% unseres Energieverbrauchs aus. Daher investieren wir gerade in Photovoltaik auf den Dächern unserer großen Standorte. Darüber hinaus werden wir in Kürze nur noch grünen Strom einkaufen. Seit über 7 Jahren fahren einige Mitarbeiter Elektrofahrzeuge, die wir an firmeneigenen Ladesäulen laden. Unsere Ladesäulen können den Stromspeicher in den Fahrzeugen aber auch nutzen, um das Stromnetz der Firma in Spitzenzeiten zu unterstützen, indem die Fahrzeuge wieder entladen werden. Wir überlegen diese Möglichkeiten weiter auszubauen in der Zukunft, um unser Stromnetz zu stabilisieren. Das hängt aber auch von den Rahmenbedingungen ab, die uns die Politik vorgibt.
Marco Henry Neumueller: Bitte vervollständigen Sie den Satz: Im eigenen Familienunternehmen tätig zu sein, bedeutet für mich…
Martin Büchs: …eine Chance in der Unternehmerfamilie, in der Firma und für die Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.
Marco Henry Neumueller: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Über Martin Büchs
Martin Büchs studierte Wirtschaftsmathematik in Bayreuth und schloss später berufsbegleitend ein Ingenieurstudium der Mechatronik ab. Daneben ist er Alumnus der Bayerischen Eliteakademie. Die ersten 6 Jahre seines Berufslebens verbrachte er in Frankfurt und London bei Reuters. Dort erwarb er den Titel des Chartered Financial Analysts. Seit 2006 ist er in wechselnden Positionen bei JOPP tätig, seit 2008 als Geschäftsführer, zuständig für die Bereiche Finanzen, IT und Personal.