Dr. Andreas Albath lebt in München und ist zertifizierter digitaler Beirat, Investor und Mitglied diverser Beiräte
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Albath, Sie sind „Zertifizierter Digitaler Beirat“ und Mitglied der Initiative „Deutsche Digitale Beiräte“. Was hat es mit diesem Netzwerk auf sich und wie unterscheidet sich diese Initiative von anderen?
Andreas Albath: Die Deutschen Digitalen Beiräte – kurz DDB – sind ein Netzwerk von Digitalunternehmern mit Erfahrung und zeitlicher Verfügbarkeit für die Tätigkeit in Beiräten, insbesondere im Mittelstand. Dahinter steht kein kommerzieller Betreiber, getragen werden die DDB von ihren Mitgliedern. Es ist also ein unabhängiges Netzwerk, das vor allem über die Reputation seiner Mitglieder Wirkung erzeugt. Dies erreichen wir durch die Beachtung unserer Aufnahmekriterien. Um aufgenommen zu werden, müssen strikte Zertifizierungskriterien erfüllt sein. Die Kriterien sind transparent auf der Website https://www.deutsche-digitale-beiraete.de zu finden. Es geht um nachgewiesenes Unternehmertum und/oder echte, Geschäftsführungsverantwortung. Wer das nicht mitbringt, passt nicht in diesen Kreis. Die zweite Komponente ist Gründungserfahrung. Entweder man hat selbst einmal ein Start-up gegründet oder eine Innovation entwickelt und zum Laufen gebracht, oder man hat Erfahrung als Startup Investor. Weiterhin bedarf es einer nachgewiesenen Digital- und Innovationskompetenz. Der Begriff „Digital“ ist recht breit, deswegen haben wir in unserem Netzwerk auch ganz unterschiedliche Digitalexpertise, die unterschiedlichsten Bedürfnissen Rechnung tragen kann. Um Digitaler Beirat zu werden, und das setzt schon der Name voraus, ist eine Kompetenz in diesem Umfeld unerlässlich. Wir halten uns sehr konsequent an unsere Voraussetzungen und daher ist das Wachstum naturgemäß limitiert. Wir setzen auf Qualität statt Quantität.
Marco Henry Neumueller: Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Digitalkompetenz im Mittelstand?
Andreas Albath: Die Antwort hängt von den einzelnen Branchen ab. Es gibt Branchen, in denen die „Digitalisierung“, also die durch Technologie ausgelöste Transformation des Geschäftssystems, heute schon Realität ist und die Geschäftstätigkeit wesentlich bestimmt. In Unternehmen aus diesen Branchen, auch wenn sie eher mittelständisch geprägt sind, ist das inzwischen oft bereits eine Kernkompetenz, die sie sich erarbeitet haben. Und es gibt tolle Initiativen, in denen sich mittelständische Familienunternehmen gezielt austauschen, um kontinuierlich daran weiterzuarbeiten, zB. der https://www.maschinenraum.io, bei dem über 50 Mittelständler mitmachen.
Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch Branchen, in denen die digitale Transformation noch in einer frühen Phase steckt, oder ihr Einfluß vielleicht auch gar nicht so offensichtlich ist. Mein Eindruck ist, dass auch in diesen Branchen das Thema auf der Tagesordnung ist und man sich damit beschäftigt. Aber es ist auch sehr viel Unsicherheit damit verbunden, da man manchmal nicht genau weiß, wie das einzuordnen ist und was es konkret für das eigene Unternehmen bedeutet. Oft genug hat es nicht die oberste Priorität und Aufmerksamkeit der Geschäftsführungen. Dabei geht es um zentrale strategische Fragen zur Sicherung der langfristigen Zukunftsfähigkeit. Ich nenne ihnen ein Beispiel. Es gibt Branchen, in denen heute physische Güter hergestellt werden, die es wahrscheinlich auch in 10 Jahren noch braucht. Hier geht es vielleicht nicht um die „digitale Transformation“ aber ganz sicher zumindest um die möglichst stringente Digitalisierung aller Geschäftsprozesse. Damit kann ich dann eine Produktivitätsverbesserung erreichen, die mir gegenüber meinen Wettbewerbern einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichert. Es gibt keine Branche, für die „Digitalisierung“ nicht entscheidender Erfolgsfaktor ist oder wird.
Marco Henry Neumueller: Die Landschaft der Beiräte in deutschen (Familien-)Unternehmen scheint sich zu verändern. Welche Veränderungen nehmen Sie persönlich wahr?
Andreas Albath: Es kommt sicherlich darauf an, was man unter „Beirat“ versteht. Der Begriff ist ja nicht fest definiert. Zum einen gibt es „Beiräte“, die die Funktion ähnlich einem Aufsichtsrat in der AG übernehmen, also e eine klare Organfunktion innehaben. Das kann man im Gesellschaftsvertrag zB. einer GmbH so entsprechend regeln, natürlich auch in Abstufungen. In diesen Fällen ist es dann Ausdruck einer professionellen Strukturierung und Governance. In anderen Fällen haben Beiräte oft keine Organverantwortung, hier gibt es unterschiedliche Ausprägungsformen und Mischformen. Diese „Beiräte“ würde ich eher als „Advisory Board“ bezeichnen, wo es im Kern um eine Begleitung des Unternehmens in unterschiedlichen Fragestellungen geht. In der Regel auch in Bezug auf die Fragen nach der mittel- und langfristigen Entwicklung des Unternehmens. Hier sehe ich eine Veränderung dahingehend, dass viel mehr Bemühungen unternommen werden, sich unabhängige Expertise in solch einen Beirat zu holen. Idealerweise mit unterschiedlichen Perspektiven; beispielsweise, dass man zwei oder drei externe Beiräte gewinnt für ein solches Gremium, die unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen mitbringen und damit als Gremium einen echten Mehrwert darstellen. Das wird es zukünftig häufiger geben.
Marco Henry Neumueller: Noch immer gibt es viele Familienunternehmen, die keinen Beirat installiert haben. Welche Empfehlung würden Sie diesen Unternehmern geben?
Andreas Albath: Wenn man einen Beirat aufstellen will, dann sollte man es professionell angehen. Dazu gehört, sich darüber klar zu werden, was die Gesellschafter wirklich möchten, welchen Mehrwert sie sich von dem Beirat versprechen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn es möglicherweise mehrere Gesellschafterstämme oder Gesellschafter gibt, die dann oft auch noch aus unterschiedlichen Generationen stammen, wo dann vielleicht manchmal auch unterschiedliche Perspektiven eine Rolle spielen. Gerade in solch einem Umfeld kann ein Beirat einen enormen Mehrwert bieten, wenn seine Rolle und Aufgaben klar formuliert sind und von allen getragen werden. Das ist natürlich auch umgekehrt die Erwartungshaltung von qualifizierten Beiräten, die man gewinnen möchte.
Das ist auch der wesentliche Unterschied zu einem Unternehmensberater, der in zeitlich begrenzten Projekten bzw. an den Folgeauftrag denkt. Als mittelständischer Unternehmer können sie aber in Ihrem Beirat Persönlichkeiten an sich binden, die das nicht aus primär monetären Gründen machen, sondern weil sie ein echtes Interesse und die nötige Leidenschaft mitbringen, ihr Unternehmen über eine längere Zeit zu begleiten. Solche Personen bekommen sie nur, wenn der Unternehmer ein klares Verständnis hat, wo man gemeinsam hin möchte. Und dann ist eine seriöse Vergütung das geringste Problem.
Marco Henry Neumueller: Wie komme ich an geeignete Beiräte?
Andreas Albath: Es ist heute wohl noch oft so, aus dem eigenen Netzwerk, über Empfehlungen von Dritten usw. einen Beirat zusammenzustellen. Das kann auch sehr gut funktionieren. Man kann aber auch einen Personalberater beauftragen, der einen professionellen Prozess dazu aufsetzt und Beiräte identifziert, an die man sonst nicht gekommen wäre. Wenn das Thema „Digitalisierung“ wichtig ist, können sie aber natürlich auch das Angebot der Deutschen Digitalen Beiräte nutzen. Unsere Webseite ist darauf ausgelegt, sehr komfortabel einen guten Überblick über potenziell geeignete Beiräte zu bekommen, die man dann über diesen Weg gewinnen kann. Und es ist dann nicht mal eine Vermittlungsgebühr damit verbunden!
Marco Henry Neumueller: Sie selbst haben das ein oder andere Beiratsmandat. Welche Empfehlung geben Sie Managern, die an solchen Aufgaben Interesse haben, aber nicht wissen, wie sie sich für ein solches Mandat empfehlen können.
Andreas Albath: Prüfe als erstes, ob das wirklich zu Dir und Deiner beruflichen Lebensphase passt. Möchte man das nur so nebenbei und zur Bestätigung der eigenen Bedeutung tun, ist das die denkbar schlechteste Motivation. Man muss sich klar darüber sein, wenn man solch eine Beiratsfunktion wirklich ernsthaft übernehmen möchte, gehört dazu ein zeitliches Investment. Wenn man den Vorsitz in einem solchen Gremium übernimmt, gilt das noch in deutlich gesteigertem Maße und ist mit einem „Hauptjob“ oft nicht kompatibel. Aber auch bei einem „normalen“ Beirats-Mandat muss es mit der eigenen hauptberuflichen Aktivität ernsthaft vereinbar sein. Also: Die Motivation, warum ich gerne solch einen Schritt gehen möchte, sollte sauber und ehrlich beantwortet werden können. Generell kann ich nur sagen, man sollte Präsenz zeigen und visibel sein, da wo es zu einem passt. Natürlich auch den Kontakt zu Personalberatern pflegen, mit denen man ohnehin schon in Verbindung steht. Ein gepflegtes LinkedIn-Profil oder ähnliche Aktivitäten helfen dabei, sichtbar zu sein, dass andere auf einen aufmerksam werden.
Marco Henry Neumueller: Herzlichen Dank für diesen Austausch.