Hans Jürgen Kalmbach ist Vorstandsvorsitzender der Hansgrohe SE in Schiltach
Marco Henry Neumueller: Lieber Herr Kalmbach, Hansgrohe ist nach offizieller Definition noch ein Familienunternehmen, zumal die Familie Klaus Grohe noch 32% der Gesellschaftsanteile hält; 68% der Anteile sind seit 1985 in der Hand der US-amerikanischen Investmentgesellschaft Masco Corporation. Welche Rolle spielt die Unternehmerfamilie heute noch und welchen Einfluss nimmt Masco Corporation wahr?
Hans Jürgen Kalmbach: Von der Gründung durch Hans Grohe im Jahr 1901 bis zur Übergabe des Vorstandsvorsitzes durch seinen Sohn Klaus Grohe im Jahr 2008 wurde das Unternehmen von der Familie geleitet. Mit ihrem Ideenreichtum, ihrer Leidenschaft für Perfektion, dem legendären Schwarzwälder Tüftlertum und auch ihrem unternehmerischen Mut und Einsatz haben sie den Pioniergeist von Hansgrohe geprägt. So identifiziert sich auch heute noch unsere Belegschaft mit diesem Spirit. Die Familie Grohe trug über drei Generationen hinweg maßgeblich zur Weiterentwicklung des einstigen Drei-Mann-Betriebs bei. 120 Jahre später beschäftigt die globale Unternehmensgruppe rund 4.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hansgrohe betreibt weltweit 32 Gesellschaften und 22 Verkaufsbüros und liefert Armaturen und Brausen in über 146 Länder rund um den Globus.
Über die Beteiligungsgesellschaft Syngroh und dessen Vertreter im Aufsichtsrat begleiten die Erben des Firmengründers die Hansgrohe Group weiterhin aus der Gesellschafterperspektive. Klaus Grohe (84) ist Ehrenvorsitzender des Hansgrohe Aufsichtsrats und Ehrenbürger der Stadt Schiltach. Seine Familie und er leben hier im Schwarzwald in der Nähe unseres Firmensitzes. Die Gründerfamilie spielt – durch ihre tägliche Präsenz und auch durch die Klaus-Grohe-Stiftung – eine wichtige gesellschaftliche Rolle in der Region.
Die Masco Corporation aus Livonia / Michigan ist seit 1985 im Unternehmen Hansgrohe als Anteilseigner engagiert. Heute hält der US-amerikanische Konzern als Mehrheitsgesellschafter 68 Prozent der Anteile am Unternehmen. Es handelt sich dabei um eine strategische Investition. Der Aufsichtsrat berät und kontrolliert den Vorstand der Hansgrohe SE. Gemeinsam mit den vier anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats nehmen diese Rolle auch die Vertreter der Masco Corporation wahr. Die Strategie und deren operative Umsetzung obliegen dem Vorstand der Hansgrohe SE, der dabei großen unternehmerischen Freiraum genießt. Die dauerhafte, vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Masco hat dazu beigetragen, dass sich die Hansgrohe Group in den vergangenen drei Jahrzehnten sehr gut entwickeln konnte.
Marco Henry Neumueller: Sie sind 1998 direkt nach Ihrem Studium bei Hansgrohe als Vertriebscontroller und Projektassistent eingestiegen und sind über 22 Jahre später noch immer hier – zugegeben, seit 1. August 2018 als dessen Vorstandsvorsitzender. Kann man so eine Bilderbuchkarriere planen?
Hans Jürgen Kalmbach: Eigentlich bin ich sogar bereits 25 Jahren Hansgrohe treu, wenn ich mein BWL-Studium an der Berufsakademie mitdazurechne. 1995 habe ich dieses Duale Studium angefangen und als Ausbildungsbetrieb Hansgrohe gewählt. Dass ich mehr als die Hälfte meines Lebens in ein und demselben außerordentlichen Unternehmen im schönen Kinzigtal verbringe, hätte ich während meines Studiums nicht gedacht.
Solch eine Karriere ist natürlich nicht in allen Details planbar. Die Chancen, die mir in der ganzen Zeit geboten wurden, waren einzigartig und sehr abwechslungsreich: unterschiedliche Führungspositionen im deutschen Vertrieb, im Business Development, in den Bereichen Finanzen & Controlling, Strategie Unternehmensentwicklung, Internationaler Vertrieb. Gepaart mit einigen Auslandseinsätzen gaben mir diese Stationen die Möglichkeit, viel Erfahrung im Unternehmensverbund zu sammeln. Gleichzeitig hatte ich all die Jahre Mentoren, die mich gefordert und gefördert haben.
Marco Henry Neumueller: Hatten Sie während dieser 22 Jahre nie das Gefühl, dass Sie auch mal das Unternehmen wechseln wollen? Denken Sie, dass Ihnen dadurch heute etwas fehlt?
Hans Jürgen Kalmbach: Definitiv nein. Meine Hansgrohe Zeit war und ist derart abwechslungsreich und herausfordernd. Bisher wurde mir nie langweilig. Alle drei bis vier Jahre konnte ich neue Positionen bekleiden und an den Herausforderungen und Verantwortlichkeiten wachsen. Mit Siegfried Gänßlen, langjähriger CFO und späterer Hansgrohe CEO, stand mir konstant ein erfahrener Manager mit Rat und Tat beiseite. Durch seine Expertise hatte sich Hansgrohe erfolgreich weiterentwickelt und so bin auch ich mit dem Unternehmen gewachsen. On top kamen von 2010 bis 2014 dann quasi meine schönsten und lehrreichsten Jahre als VP International bei Delta Faucet. Damals wurde ich zu dieser Schwestergesellschaft, die auch zum Masco-Verbund gehört, in die USA entsandt. Gemeinsam mit meiner Frau habe ich vier Jahre in Indianapolis gelebt und enorm viel Erfahrung gesammelt.
Marco Henry Neumueller: Wie würden Sie die Kultur bei Hansgrohe beschreiben? Wie sehr macht sich der US-amerikanische Eigentümer in Schiltach bemerkbar?
Hans Jürgen Kalmbach: Unsere Unternehmensphilosophie ist essentieller Teil unserer Unternehmenskultur. Als Unternehmen können wir nur erfolgreich sein, wenn Führung und Zusammenarbeit gut gelingen. Im Fokus stehen die vier Kernwerte: Leidenschaft, Vertrauen, Miteinander und Wertschätzung. Bei Hansgrohe kommt es auf jeden Einzelnen von uns an und gemeinsam sind wir wiederum ein erstklassiges Team. Unseren Spirit beschreiben wir gerne mit: „Hans! Ich. Wir. Weltklasse.“ Jeder ist Vorbild, jeder lebt unsere Werte. Miteinander als ein Team sind wir unschlagbar – also Weltklasse.
Unser amerikanischer Eigentümer übt seine Rolle im Aufsichtsrat aus. Durch die Mehrheitsverhältnisse sind wir beispielsweise verpflichtet, die amerikanische Rechnungslegung US GAAP anzuwenden und haben ebenfalls die Vorgaben der amerikanischen Börsenaufsicht SEC zu beachten wie bei der Einhaltung der SOX Compliance.
Marco Henry Neumueller: Welche Eigenschaften benötigt Ihrer Meinung nach ein familienexterner Manager auf C-Level in einem Familienunternehmen um erfolgreich zu sein?
Hans Jürgen Kalmbach: Wichtig sind starke Kommunikationsfähigkeiten und Überzeugungskraft. Hinzu kommen Verantwortungsbereitschaft, Einsatzwille, Fleiß und Leidenschaft. Und nicht zu vernachlässigen sind Aufmerksamkeit und Verbindlichkeit gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, gepaart mit einer Portion Bescheidenheit und Menschlichkeit. Bildlich gesprochen, ein Manager „zum Anfassen“, dessen Bürotür für alle offen steht, die ein Anliegen haben.
Marco Henry Neumueller: Bitte vervollständigen Sie den Satz: In einem Familienunternehmen tätig zu sein bedeutet für mich …
Hans Jürgen Kalmbach: … mit großer Verantwortung und vollem Einsatz die erfolgreiche Unternehmensgeschichte fortzuschreiben und die Unternehmenswerte und Philosophie an die nächste Generation der Führungskräfte weiterzugeben.
Marco Henry Neumueller: Herr Kalmbach, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Bildquelle: hansgrohe