von Dr. Hiltrud Ludwig, Senior Advisor und Qualifizierter Aufsichtsrat
Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit das Tech-Buzzword schlechthin. Insbesondere generative KI versetzt Medien und Chefetagen gleichermaßen in Aufregung. Während große Konzerne umfangreiche Ressourcen besitzen, um das enorme Potenzial KI-basierter Anwendungen zu heben, fühlen sich kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) oft überwältigt oder überfordert.
Tatsächlich binden viele KI-Projekte enorme finanzielle und personelle Ressourcen – und viele, ähnlich wie in einem Forschungs- und Entwicklungsportfolio, müssen früher oder später erfolglos abgebrochen werden. Im schlimmsten Fall ist das Scheitern nicht nur teuer, sondern schädigt auch den guten Ruf des Unternehmens, wenn Risiken wie beispielsweise Datenschutz oder Urheberrecht vernachlässigt werden.
Gehen Sie das Ganze systematisch und strategisch an. Lassen Sie uns gemeinsam für Ihre nächste Strategiediskussion die Chancen und Risiken von KI entlang von vier zentralen Themenblöcken näher beleuchten: strategisches Verständnis, Prioritäten, Mitarbeiterentwicklung sowie Datenschutz und Compliance.
1. Strategisches Verständnis: KI als Chance oder Spielzeug?
Die erste Frage lautet: Haben Sie ein klares strategisches Verständnis, wie KI Ihr Geschäftsmodell, Ihre Produkte oder Prozesse wesentlich voranbringen kann? Einige Beispiele als Denkanstöße gefällig?
Forschung & Entwicklung: Digitale Zwillinge können Ihre Entwicklungsgeschwindigkeit, -qualität und -kosten dramatisch verbessern. Aber wissen nur, wenn Sie wissen wie!
Produktion: Predictive Maintenance kann ungeplante Maschinenstillstände reduzieren. Haben Sie die Voraussetzungen, um sie in Ihrer Fertigung effektiv und effizient einzusetzen?
Logistik: KI-gestützte Bedarfsplanung könnte Ihre Lieferketten optimieren. Aber passen Datenqualität und Algorithmen zu Ihrem Geschäftsmodell?
Marketing: KI kann Ihre Angebote und Kampagnen personalisieren. Aber wollen Ihre Kunden wirklich noch mehr und noch stärker individualisierte Werbung?
Kundenservice: Chatbots sind oft nett, aber tragen Sie wirklich zu einer besseren Kundenerfahrung bei oder frustrieren sie Ihre Kunden am Ende sogar?
After Sales: Kann KI hier wirklich einen Mehrwert ermöglichen (z.B. substanziell reduzierte Stillstands-Zeiten kritischer Anlagen), oder handelt es sich eher um eine teure Spielerei?
Ergeben sich durch KI eventuell neue Geschäftsmodelle, z.B. Software-as-a-Service (SaaS) oder Product-as-a-Service (PaaS)?
Konzentrieren Sie sich gerade am Anfang Ihrer KI-Reise auf die Bereiche, in denen KI tatsächlich einen substanziellen, quantifizierbaren Nutzen bringt. Das führt uns auch automatisch zum nächsten Themenblock:
2. Prioritäten: Weniger ist mehr
Nachdem Sie jetzt wissen, wo KI wirklich sinnvoll sein könnte, geht es darum, Prioritäten zu setzen. Aber wie finden Sie heraus, welche KI-Projekte wirklich lohnend sind? Setzen Sie auf Maßnahmen, die einen klaren Mehrwert bringen – und seien Sie mutig genug, Projekte zu stoppen, wenn sie nicht den gewünschten Erfolg versprechen oder für Sie (noch) nicht machbar sind, da Sie Ihre personellen, technologischen oder finanziellen Ressourcen überfordern.
Zwei häufige Fehler: (1) Unternehmen beginnen eine Vielzahl von Projekten, nur um ‚auch etwas mit KI zu machen‘. (2) Sie hinterfragen Ihr KI-Projektportfolio nicht systematisch und regelmäßig und stoppen, beschleunigen oder skalieren nicht gezielt einzelne Projekte.
Als Konsequenz ertrinken Sie in einem Meer von Pilotprojekten, die nie das Tageslicht des produktiven Einsatzes erblicken – und binden kritische Ressourcen, die dringend für die wirklich wichtigen Projekte benötigt werden.
Hier gilt: weniger ist mehr, aber richtig!
3. Mitarbeiterentwicklung: Fachkräfte fit für die Zukunft machen
Selbst die beste KI bringt wenig, wenn Ihre Mitarbeiter nicht mitziehen. Schulungen und eine offene Kommunikationskultur sind entscheidend, um Ihre Belegschaft zu mobilisieren und zu motivieren, die Technologie nutzbringend einzusetzen und idealerweise eigene Ideen und Anregungen einzubringen. Besonders im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist dies nicht nur eine strategische Notwendigkeit, sondern auch ein wichtiger Aspekt Ihrer Arbeitgeberattraktivität.
4. Datenschutz & Compliance: Wer die Daten hat, trägt die Verantwortung
Last, but not least: KI bringt auch Risiken mit sich. Beim Umgang mit Risikobereichen wie Datenschutz, Urheberrecht oder Diskriminierung trennt sich Spreu vom Weizen. Haben Sie eine KI-Policy, die klar regelt, wie vertrauliche Informationen geschützt werden? Wie sieht es mit Ihrer DSGVO-Konformität aus? Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter ausreichend, um Reputationsrisiken zu minimieren? Hier liegt die Herausforderung darin, eine Balance zwischen Innovation und Compliance zu finden.
Fazit: Der pragmatische Ansatz für KMUs
Die hier aufgeführten Fragen sollen Ihnen helfen, eine fundierte und kritische Auseinandersetzung mit dem KI-Einsatz in Ihrem Unternehmen zu führen. Für viele KMUs ist es ratsam, sich nach dem Motto „weniger, aber richtig – und regelmäßig hinterfragt“ zu verhalten. Mit anderen Worten: Schießen Sie nicht mit Kanonen auf Spatzen, sondern setzen Sie Ihre knappen Ressourcen gezielt und mit Bedacht ein.
Allmählich entwickeln sich standardisierte KI-Produkte, die gerade für kleinere Unternehmen geeignet sind, Schritt zu halten, ohne sich zu verzetteln. Oftmals sind auch konventionellere Methoden im Moment noch ausreichend, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.
KI kann in der Tat vieles verändern – aber nur, wenn sie mit einem klaren Kopf und einer Portion gesundem Menschenverstand eingesetzt wird, um sinnvoll und (rechts-)sicher Mehrwert zu schaffen. Am Ende sind es oft die kleinen, durchdachten Schritte, die zum Ziel führen, nicht die hektischen Sprünge ins Ungewisse.