Christian Engel ist Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung der BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH in Weiherhammer.
Marco Henry Neumueller: Lieber Engel, Sie führen das Familienunternehmen zusammen mit Ihrem Bruder Lars Engel, der heute nicht dabei sein kann. Die BHS Corrugated hat eine spannende Historie, die bis ins Jahre 1717 zurückreicht. Können Sie diese bitte in wenigen Worten zusammenfassen und dabei erläutern, wie das Unternehmen in die Familie kam.
Christian Engel: Das Unternehmen ist über 300 Jahre alt und war die meiste Zeit ein Staatsbetrieb. Gegründet wurde es 1717 vom Erzherzog Theodor Eustach von Pfalz-Sulzbach. Mein Vater war dort als Vertriebsleiter, später dann als Betriebsleiter tätig. Als ehemaliges Staatsunternehmen war die Führung auch politisch motiviert. Das sieht man daran, dass der bayerische Finanzminister beispielsweise Teil des Aufsichtsrats war. Als es in den 80er/90er Jahren in Deutschland zu Privatisierungen kam, traf es auch die bayerischen Staatsbetriebe; so kam der BHS-Konzern zum Bayernwerk. Daraufhin verließen mein Vater und einige seiner Kollegen das Unternehmen. 1993 trat dann der damalige Vorstandsvorsitzende Obermeier an meinen Vater heran und überzeugte ihn, einen Standort des Unternehmens zu kaufen, was mein Vater daraufhin zusammen mit seinem Kollegen Herrn Bradatsch und ein paar PE-Investoren auch tat. 1993 wurde damit der Grundstein für den heutigen Erfolg des Unternehmens gelegt. Wellpappenmaschinen wurden hier schon seit dem Jahre 1950 betrieben, nachdem mein Vater seinerzeit die Idee und damit auch die Maschinen an den Standort brachte.
Marco Henry Neumueller: Sie sind einer der weltweit führenden Produzenten von Wellpappenanlagen. Wie hat sich Ihr Geschäft in Zeiten von Corona verändert?
Christian Engel: Wir können keineswegs klagen, da während der Corona-Pandemie der Verbrauch an Wellpappe zunahm. Konkret heißt das, unsere Kunden haben nicht nur so viel wie selten zuvor produziert, auch ihre Investitionsfreude in Maschinen haben sie in dieser Zeit nicht eingestellt. Einen coronabedingten Rückgang gab es somit nicht. Allerdings hatten wir einige Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme von Wellpappenanlagen und Einzelmaschinen, da unsere Reisemöglichkeiten limitiert waren. Glücklicherweise haben wir das Unternehmen bereits zuvor digital hochgerüstet. Wir praktizieren schon länger das „papierlose Büro“. In Zeiten von Corona mussten daher unsere Mitarbeiter vor Ort Wellpappenanlagen in Betrieb nehmen, die grundsätzlich nicht über die entsprechenden Kompetenzen verfügen. Sie wurden jedoch remote von unseren Spezialisten im Haus unterstützt. Das lief nicht nur erstaunlich gut, wir haben in dieser Zeit auch viel lernen dürfen. Wir waren im Stande, 700 Arbeitsplätze binnen drei Tagen ins Home Office zu bringen. Das papierlose Büro war hier sicherlich einer der Gründe, warum dies in der kurzen Zeit möglich war. Wenn Sie einen Aktenschrank hinter sich stehen gehabt hätten, wäre das hinreichend schwierig gewesen. In dieser Zeit haben wir auf einen weiteren Ausbau unserer Bürokapazitäten bewusst verzichtet. Man darf es gar nicht so laut sagen, aber in Summe war es für uns unternehmerisch betrachtet eine recht positive Zeit.
Marco Henry Neumueller: Welche mittel- bis langfristigen Ziele verfolgt das Familienunternehmen? Gibt es ein Szenario, wo das Unternehmen in 5 bis 10 Jahren stehen möchte?
Christian Engel: Wir haben einen sehr systematischen und rollierenden Plan: Wir treffen uns einmal im Jahr und besprechen die Businessszenarien der nächsten sechs Jahre durch. Das Ergebnis dieser im Mai stattfindenden Besprechung mündet dann in einen Dreijahresplan, der auch in eine Bilanz und GuV heruntergebrochen wird. Darüber hinaus treffen wir uns im Oktober desselben Jahres wieder und diskutieren, welcher Anpassungen es bedarf, damit dieses Dreijahresszenario aufgeht.
Wir liefern heute im Wesentlichen noch immer Wellpappenanlagen und Einzelmaschinen. Zukünftig wollen wir nicht mehr nur qualitative hochwertige Maschinen liefern, sondern für unsere Kunden digitale Fabriken planen. Wir haben vor vielen Jahren in spezielle Technologien investiert und sind heute davon überzeugt, dass wir dafür nun gut aufgestellt sind. In einigen Fällen können wir diese vermutlich sogar besser betreiben, als andere das können. Eine wesentliche Technologie dafür ist die digitale Drucktechnologie, die bei uns zum Einsatz kommt. Aktuell noch in der Phase eines Prototyps, soll diese 2025 dann in Serie gehen. Sie wird es unseren Kunden ermöglich, Wellpappe direkt während des Produktionsprozesses zu bedrucken, was einen Meilenstein für unsere Industrie darstellt. Darüber hinaus haben wir in roboterisierte Lösungen investiert. Diese nennen wir heute BHS Robotics. Mit der BHS Intralogistics wollen wir den innerbetrieblichen Workflow dieser Fabriken optimieren. Wir sind also stolz darauf, dass wir hier an mehreren Themen gearbeitet haben, an die bisher keiner gedacht hat. Das hilft uns, zukünftig Fabriken eines neuen Typs zu planen und zu liefern. Wir stehen an einer Zeitenwende, die etwa mit der Zeit verglichen werden kann, als in der Zeitungsdruckindustrie vor 30 oder 40 Jahren der Computer eingeführt wurde. Der Setzer ist damals quasi über Nacht verschwunden. Die Fabriken, wie wir sie heute kennen, werden sich signifikant verändern.
Kurzum: In fünf bis zehn Jahren ist dieses Unternehmen mindestens doppelt so groß und erfolgreich wie heute.
Marco Henry Neumueller: Klimakrise, Corona, Krieg, steigende Energiepreise, Lieferkettenengpässe, … – diese Liste ließe sich nun beliebig fortführen. Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um und wie wird sich das Unternehmen in Zukunft aufstellen müssen?
Christian Engel: Das Thema Corona hat sich glücklicherweise so entwickelt, dass es gar keine Herausforderung für uns war. Die weitaus größere Herausforderung sehen wir in den Lieferketten, insbesondere bei der Versorgung mit Chips. Auch wenn man auf die neue Fabrik von Intel hofft, wird es immerhin auch noch etwa vier Jahre dauern,,bis diese im Einsatz ist. Wenn wir an die Spannungen zwischen China und Taiwan denken und für einen kurzen Moment davon ausgehen, dass China auch noch Taiwan einnimmt, dann hat China die Chips und viele anderen nicht. Wir leben in herausfordernde Zeiten. In weiten Teilen haben wir aktuell keine kompetente Regierung, was ich als dramatisch bezeichnen würde. Wir könnten Gasfracking nutzen oder die Atomkraftwerke länger am Netz lassen. Wir haben auch die saubersten Braunkohlekraftwerke der ganzen Welt, in Hamburg. Man müsste sie nur noch anschalten. Aus reiner Ideologie erfolgt dies aber nicht. Im alten Rom nannte man das „dekadent“ und das Ende kennen wir alle.
Welche Auswirkungen hat das nun auf uns? Wir werden sicherlich weiterhin in Asien und in den USA investieren. Unseren Robotikbereich haben wir beispielsweise in Amerika angesiedelt. Ich glaube nicht, dass es aktuell zu verantworten ist, hier weiter auf den Standort Deutschland zu setzen. Ich habe früher immer gerne behauptet, dass ich sehr froh darüber bin, in Deutschland leben und arbeiten zu dürfen. Das zu sagen, wird heute immer schwieriger.
Marco Henry Neumueller: Das Schlagwort „Sustainability“ ist in aller Munde. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen und welche konkreten Maßnahmen sind geplant?
Christian Engel: Zunächst dürfen wir nicht vergessen, dass wir natürlich das Glück haben, dass unsere Anlagen Wellpappe herstellen. Wellpappe ist per se schon ein sehr nachhaltiges Produkt. Man muss wissen, als wir etwa vor 30 Jahren hier angefangen haben, konnte man eine Baumfaser sieben Mal recyclen. Heute, dreißig Jahre später, wird eine Baumfaser bis zu 20 Mal recycelt. So oft geht eine Wellpappenschachtel zurück in den Recyclingkreislauf, bis die Papierqualität so schlecht ist, dass man nur noch Toilettenpapier oder Servietten daraus herstellen kann. Das ist grundsätzlich ein Vorteil. Ein weiterer Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit ist, wie diese Fabriken, die wir liefern möchten, zukünftig funktionieren werden.
Sie werden nicht nur kleiner sein, sondern auch wesentlich profitabler als die, die wir heute kennen. Sie werden die gleiche Menge an Strom brauchen, aber ein Teil des Stromes kommt dann vom Dach. Diese Fabriken werden weniger Rohstoffe benötigen. Wir werden es schaffen, die Fasern noch weiter zu optimieren. Insbesondere der Digitaldruck trägt dazu bei. Nach unseren Berechnungen werden die Fabriken nicht nur wesentlich profitabler sein, sie werden auch deutlich besser im ESG-Scoring abschneiden. Man kann also sagen, dass Nachhaltigkeit und „die Reparatur unseres Planeten“ nicht zwingend mit weniger Geld verdienen einhergehen muss. All dies geht nur mit technologischer Weiterentwicklung. Das Thema ESG haben wir bei uns in einer eigenen Stelle verankert. Im nächsten Jahr wollen wir den ersten klassischen ESG-Bericht veröffentlichen.
Marco Henry Neumueller: Jedes Familienunternehmen hat eine spezifische Unternehmenskultur mit ganz eigenen Werten. Wie würden Sie die Kultur bei BHS Corrugated beschreiben?
Christian Engel: Seitdem mich jemand einmal nach unserer DNA fragte, haben wir dafür einige Schlagworte für uns definiert: digital, natürlich und aufregend. Im Englischen: digital, natural, awesome. Wir arbeiten kontinuierlich an der weiteren Digitalisierung unseres Unternehmens, der Industrie und unserer Kunden. Als Familienunternehmen schätzen wir Natürlichkeit. Jemand, der sich verstellt und diese Natürlich nicht mag, ist bei uns schlichtweg falsch. Wer Konzernpolitik sucht, wird bei uns nicht fündig werden. Und wer keine Aufregung mag, ist auch falsch bei uns. Wir haben vor etwa zwei Jahren eine Kampagne mit der Überschrift „WIR – Lust auf Veränderung“ gestartet. Corona hat uns allen gezeigt, wie schnell man sich verändern kann.
Marco Henry Neumueller: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Worauf sind Sie in Ihrem Leben stolz?
Christian Engel: Das ist ziemlich einfach: auf meine Frau und unsere vier Kinder.
Marco Henry Neumueller: Herr Engel, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.