Die neuen Nomaden mit festem Anker
Einst waren Manager die Nomaden der Wirtschaftswelt, bereit, für ihre Karriere jeden Winkel der Erde zu besiedeln. Doch heute? Ein modernes Märchen scheint das zu sein. Stattdessen bevorzugen sie das Pendlerleben und die Annehmlichkeiten des Home Office. Ein voller Umzug mit der Familie? Selten. Eine Zweitwohnung unter der Woche und ein Tag Home Office? Sehr viel wahrscheinlicher.
Das klassische Bild des Managers als ständiger Weltenbummler hat sich gewandelt. Familienunternehmen und mittelständische Betriebe stehen vor einer neuen Realität: Die Manager von heute sind weniger mobil als ihre Vorgänger. Die Gründe dafür sind vielfältig und vielschichtig.
Familienunternehmen: Verwurzelung als Stärke und Schwäche
Familienunternehmen, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sind oft fest in ihrer Region verankert. Diese Verwurzelung bietet Stabilität und ein starkes Netzwerk, macht es aber auch schwieriger, Führungskräfte von außerhalb zu rekrutieren. Eine Untersuchung der Stiftung Familienunternehmen zeigt, dass der Fachkräftemangel besonders durch die digitale Transformation eine erhebliche Herausforderung darstellt.
Die heutige Führungskraft, selbst auf höchsten Ebenen, ist eher geneigt, von ihrem Heimatort aus zu arbeiten und nur für wichtige Treffen zu pendeln. Eine Studie der Europäischen Kommission zur Arbeitsmobilität belegt, dass die Bereitschaft, langfristig ins Ausland zu ziehen, nicht zugenommen hat. Viele bevorzugen das Modell der Wochenendpendler oder das Arbeiten aus dem Home Office.
Die Illusion der Flexibilität
Während das Home Office und flexible Arbeitsmodelle zunächst als Lösungen für viele Probleme erscheinen, zeigen sie in der Praxis oft ihre Grenzen. Die vermeintliche Flexibilität kann zu einer Entgrenzung von Arbeit und Privatleben führen, was sowohl die Produktivität als auch das Wohlbefinden der Mitarbeiter beeinträchtigen kann. Eine dauerhafte Verlagerung des Arbeitsplatzes ins Home Office ist daher keine nachhaltige Lösung.
Die Entscheidung gegen die Mobilität hat ihren Preis. Einerseits können Unternehmen von der ständigen Präsenz eines vor Ort lebenden Managers profitieren. Andererseits birgt die physische Abwesenheit von Entscheidungsträgern Risiken, insbesondere in Krisenzeiten. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die unmittelbare Verfügbarkeit von Führungskräften vor Ort sein kann.
Die Renaissance der Pendler
Die zunehmende Dauer der Pendelwege ist ein weiteres Problem. Bereits 2016 benötigte mehr als jeder vierte Erwerbstätige in Deutschland 30 Minuten oder mehr für den einfachen Weg zur Arbeit. Diese Zeiten haben sich seitdem kaum verkürzt. Dies wirft Fragen zur Effizienz und zur Work-Life-Balance auf.
Die Manager von heute sind eher bereit, längere Pendelzeiten in Kauf zu nehmen, als mit ihrer Familie umzuziehen. Dies hat zur Folge, dass sie oft eine Zweitwohnung in der Woche nutzen und das Wochenende mit der Familie verbringen. Die Vorstellung, dass ein Manager für eine neue Position komplett umzieht, scheint der Vergangenheit anzugehören.
Die philosophische Betrachtung
„Alles fließt“, sagte schon Heraklit. Doch scheint es, als ob die Flüsse der Manager-Mobilität eher zu kleinen Bächen geworden sind, die sich durch das Dickicht der modernen Arbeitswelt schlängeln. Statt großer Umzüge sehen wir kleine Bewegungen, die sich auf den täglichen oder wöchentlichen Pendelverkehr beschränken. Die Veränderung in der Mobilität von Führungskräften könnte man auch als eine Rückkehr zu einer sesshafteren Lebensweise deuten, wie sie in der frühen Menschheitsgeschichte vorherrschend war.
„Das Wandern ist des Müllers Lust“, dichtete Wilhelm Müller im 19. Jahrhundert, doch die modernen „Müller“ scheinen ihre Lust am Wandern verloren zu haben. Stattdessen bevorzugen sie die Annehmlichkeiten eines stabilen Heims und die Flexibilität, die ihnen die moderne Technologie bietet.
Die Praxis und die Theorie
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Trends in Zukunft entwickeln werden. Klar ist jedoch, dass der klassische, immer mobile Manager zunehmend ein Relikt der Vergangenheit wird. Unternehmen müssen kreative Lösungen finden, um die Balance zwischen den Bedürfnissen ihrer Führungskräfte und den Anforderungen des Geschäfts zu gewährleisten. Der moderne Manager ist sesshaft, aber auch digital vernetzt und flexibel – eine Kombination, die sowohl Herausforderungen als auch Chancen bietet.
Wie ein Zitat von Aristoteles treffend beschreibt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Die moderne Arbeitswelt verlangt nach einem neuen Verständnis von Mobilität, das nicht nur geografische, sondern auch digitale und emotionale Aspekte umfasst. Die Führungskräfte von heute navigieren durch ein komplexes Netzwerk von Anforderungen, in dem Flexibilität und Stabilität in Einklang gebracht werden müssen.
Insgesamt zeigt sich, dass die heutige Managergeneration eine andere ist. Weniger bereit, ihr gesamtes Leben für den Beruf umzukrempeln, stellen sie ihre familiären und persönlichen Bedürfnisse stärker in den Vordergrund. Diese Entwicklung ist eine positive Veränderung hin zu einer besseren Work-Life-Balance und einem nachhaltigeren Arbeitsmodell. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese neuen Bedürfnisse zu verstehen und in ihre Organisationsstrukturen zu integrieren.