Gustl F. Thun, Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH in München

Der Beirat in Familienunternehmen: Performance-Coach statt Kuschelclub

Veröffentlicht von

von Gustl F. Thum, Experte für Familienunternehmen bei Dr. Wieselhuber & Partner GmbH, München

Eine Abhandlung über Aufsichts- und Kontrollgremien in Familienunternehmen muss die wesenseigenen Merkmale von Führung in Familienunternehmen berücksichtigen. Diese beinhaltet zwei fundamental unterschiedliche Systemperspektiven. Während in Unternehmen wirtschaftliche Regeln dominieren, gelten in Familien zudem auch persönliche verantwortungsethische Regeln.

Die spezifische Koppelung von Familie bzw. Eigentum und Unternehmen ist daher immer eine Herausforderung, denn: Familien- und Eigentümerinteressen gehen nie eins zu eins in die Entwicklungsnotwendigkeiten des Unternehmens ein – auch wenn es in der Gründergeneration durch starke Unternehmerpersönlichkeiten häufig gelingt, über lange Zeit eine grundsätzliche Harmonie zu suggerieren. Im Laufe der Zeit sind also nicht Übereinstimmungen, sondern eher Konflikte innerhalb und zwischen den drei Systemen Familie, Eigentümer und Management zu erwarten.

Eine optimale Gestaltung der Kontroll- und Aufsichtsgremien in Familienunternehmen muss beide Perspektiven zusammenbringen.

Regulative an der Schnittstelle von Familie und Unternehmen

Die Einrichtung eines Beirats als klassisches Aufsichtsgremium in Familienunternehmen, kann aus unterschiedlichen Motiven heraus sinnvoll sein. Beispielsweise kann so die Geschäftsführung überwacht und kontrolliert, externes Fachwissen genutzt oder unterschiedliche Gesellschafterinteressen ausgeglichen werden.

Die Institution eines Beirats ist dabei gesetzlich nicht vorgesehen und de jure ein auf freiwilliger Basis geschaffenes Gremium. Vor der konkreten Ausgestaltung des Aufgabenfeldes des Beirats, sollten sich die Entscheidungsträger des Familienunternehmens über dessen grundsätzliche Funktion – also eher beratend oder stärker kontrollierend – im Klaren sein.

  • Gerade in Fällen einer komplexeren Gesellschafterstruktur mit Fremdgeschäftsführern steigt der Bedarf nach einem Gremium, das die Geschäftsführung kontrolliert. Dabei ist der Beirat der Geschäftsführung de facto überstellt, da er ihre Kompetenzen beschneiden kann. Hauptaugenmerk ist dabei die Frage der nachhaltigen Wertsteigerung und der ordnungsgemäßen Unternehmensleitung durch die Geschäftsführung.
  • Ein eher beratender Beirat füllt in strategischen Fragen eine bedeutende Funktion für die Geschäftsführung aus. Aufgrund der in Familienunternehmen oftmals flachen Hierarchien, übernimmt der Beirat Stabstellenfunktion und gibt Feedback an die Geschäftsleitung. Die kritische Auseinandersetzung und der offene Meinungsaustausch stehen im Vordergrund. Gerade in Familienunternehmen mit Geschäftsleitung, die sich aus jüngeren Familienmitgliedern zusammensetzt, kann ein derartiger Beirat von besonderem Nutzen sein.

Die Realität der Gremienarbeit

Die Realität der Gremienarbeit in vielen Familienunternehmen kann jedoch den Erwartungen an ein unabhängiges und ergebnisorientiertes Aufsichts- und Beratungsgremium noch nicht immer entsprechen.

So finden sich aufgrund der zeitlichen Beanspruchung häufig Führungskräfte älterer Generationen im Gremium. Gleichzeitig wird das Gremium oft über Kriterien jenseits erfolgsrelevanter Gesichtspunkte und mit nur wenig konkreter Leistungskontrolle besetzt, markt- und organisationsseitig benötigte Fähigkeiten bleiben außen vor. Zuguterletzt ist der Anteil der parteiisch besetzten Positionen auch als Ergebnis der demographisch induzierten Alterungsentwicklung durchaus beträchtlich – so wird das Gremium oftmals als „Kuschelclub“ für Führungskräfte gesehen, die aus dem Management ausgeschieden sind.

Die Optimierung der Leistungserfüllung des Aufsichts- und Kontrollgremiums kann dementsprechend nur über eine Qualifikation und Zusammensetzung  erfolgen. Zudem sollte als Beweggrund zur Übernahme von Aufsichts- und Kontrollpositionen das Unternehmensinteresse allen anderen Interessen gegenüber Vorrang haben. In Abhängigkeit der Zusammensetzung und seiner Organisation sind dann die Ergebnisse des Gremiums gestaltet. Für eine künftig höhere Effizienz des Aufsichts- und Kontrollgremiums in Familienunternehmen als Performancecoach statt Kuschelclub muss deshalb jegliches Optimierungspotenzial ausgeschöpft werden. Fähigkeiten und Erfahrungen, die die Gesellschaft angesichts ihrer strategischen Zielsetzungen braucht, sind zu definieren und Personen mit dem jeweiligen Know-how und den geforderten Fähigkeiten für das Gremium zu finden.

Dafür muss in Abhängigkeit des risikopolitischen und strategischen Beitrages des Gremiums die Rolle definiert werden, die es sinnvollerweise ausfüllen muss:

  • Zahmer Pensionär: Aufgrund der nur sehr eingeschränkten Wertschöpfungsbeiträge, leistet man sich diese Rolle heute kaum noch.
  • Fragender Außenseiter: Aufgrund der fehlenden Branchenkompetenz verfügt dieser über das nötige kritische Potenzial, um Problempunkte gezielt anzusprechen, politische Bedenken zu ignorieren und unorthodoxe Wege zu gehen.
  • Kritischer Redner: Er eignet sich für die tiefergehende Analyse der Geschäftsentwicklung als „kaufmännisches Gewissen“, um bei strategischen Höhenflügen die betriebswirtschaftliche Bodenhaftung zu sichern.
  • Strategischer Macher: Er dient der Verknüpfung von strategischer Überlegung und pragmatischen Umsetzungsmaßnahmen. („Super-Aufsichtsräte“)
  • Intimer Insider: Durch seine Branchenkenntnis und den Unternehmenseinblick übt er prägenden Einfluss auf das Unternehmen aus.

Angesichts des steigenden Risiko- und Strategiegehalts unternehmerischer Entscheidungen im Transformationsprozess, sind als Rollen zunehmend „fragende Außenseiter“ und „Super-Aufsichtsräte“ gefragt.

Fazit

Die Ausübung der Kontrolle über ein Familienunternehmen und die entsprechende Kontrolle der Erfolgsfaktoren obliegt in aller Regel dem Eigentümer bzw. der Eigentümerfamilie. Spätestens dann aber, wenn das Familienunternehmen mehrere Gesellschafter hat, sollten auch diejenigen Familienunternehmen, die dazu gesetzlich nicht verpflichtet sind, ein freiwilliges Kontrollorgan installieren.

Zur Verbesserung von Objektivität und Qualität würde es sich empfehlen, hier familienfremden Sachverstand zu integrieren. Denn gerade in Anbetracht der langfristigen, auf Generationen ausgerichteten Erfolgsorientierung der Familienunternehmen ist die Beratung und Kontrolle der Unternehmensleitung durch professionell besetzte Gremien von existentieller Bedeutung.

Über den Author Gustl F. Thum

Gustl F. Thum ist seit dem Studium der BWL an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und Hochschule St. Gallen (HSG) bei W&P tätig. Ab 2002 als Berater Industrial Goods mit Schwerpunkt auf Strategieentwicklung, Führung und Organisation, seit 2007 als Leiter der Zentralbereiche Marketing, Public Relations, Personalentwicklung. Mit seiner Expertise zu den zentralen Gestaltungsfeldern von „Familienunternehmen“ tritt er zudem als Referent und Autor auf. Im Jahr 2020 wurde er zum Partner befördert. Kontakt: thum@wieselhuber.de

Als Gastkommentar gekennzeichnete Texte geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert