Prof. Dr. Birgit Felden

NextGen in Familienunternehmen verbinden Tradition und Innovation

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von Prof. Dr. Birgit Felden, Unternehmensberaterin der TMS GmbH in Köln und Professorin für Mittelstand und Unternehmensnachfolge an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin

Familienunternehmen sind bei der Unternehmensnachfolge einem disruptiven Strukturwandel ausgesetzt. Während in Nicht–Familienunternehmen beim Managementwechsel lediglich eine Stelle neu besetzt wird, bedeutet der Generationswechsel in Familienunternehmen nicht selten einen kompletten unternehmerischen Kurswechsel. Dies umso mehr, wenn eine gut ausgebildete, international erfahrene und technikaffine nächste Generation (NextGen) in den Startlöchern steht, die die aktuellen Herausforderungen anders angehen wird, als ihre Vorgänger.

Der NextGen die dafür erforderlichen Freiräume zu geben, statt auf der Bremse zu stehen, ist Aufgabe der bisherigen Unternehmergeneration. Und das ist nicht immer leicht. Und so kann in den letzten Jahren beobachtet werden, dass sich Familienunternehmen in zwei unterschiedliche Richtungen entwickeln: Vielfach sieht man immer noch das traditionelle Familienunternehmen, das Entwicklungen zu verschlafen scheint und die Chancen aus den Megatrends wie Digitalisierung, Globalisierung etc. nicht ausnutzt und damit Wettbewerbsvorteile verliert. Die handelnden Personen in diesen Unternehmen nehmen die wichtige Aufgabe nicht wahr, die Zukunft für das Unternehmen aktiv zu gestalten und wirtschaftliches Handeln nachhaltig zu transformieren.

Das gelingt der anderen Gruppe: hochinnovative, agile und schnell entscheidende Familienunternehmen, die mit ihren besonderen Ressourcen eines Familienunternehmen – auch familyness genannt – dafür sorgen, dass ihre Unternehmen gerade nicht zu einem Spielball in der Brandung der Globalisierung werden, sondern zu der hohen Wirtschaftsstabilität beitragen, für die Deutschland seit langem gelobt wird. Was kennzeichnet diese erfolgreichen Familienunternehmen im Vergleich zu der anderen Spezies? Es sind diejenigen, die gerade nicht Altbewährtes ungeprüft über Bord werfen, sondern die die Verbindung von Tradition und Innovation nutzen, um die Zukunft des Familienunternehmens zu sichern.

Zukunftsorientiert aber erfahren: In Umbruchzeiten fällt es nicht immer leicht, den Blick auf die Chancen zu richten, doch was zukünftig unseren Alltag bestimmt, schreit nach innovativen Lösungen. Das ist die große Chance der mittelständischen Familienunternehmen, wenn sie bereit sind, sich selbst auf den Prüfstand zu stellen, um das Unternehmen zukunftssicher zu machen. Dazu gehört in vielen Fällen auch, der hervorragend ausgebildeten NextGen jetzt Verantwortung zu übertragen. Denn sie bringt die Skills mit, um Themen wie Digitalisierung, Plattformökonomie und New Work für ihre Familienunternehmen zu nutzen, statt sie als Bedrohung zu sehen.

Schnell aber überlegt: Familienunternehmen sind für ihre Ausdauer und ihr Beharrungsvermögen bekannt und erfolgreich. Stark schwankende Kundenbedürfnisse und der härtere Wettbewerbsdruck im Markt führen jedoch immer mehr dazu, dass die Schnelligkeit der Innovationen zunehmend über den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens entscheidet. Große und kleine (aber träge) und sogar marktführende Unternehmen verlieren, wenn sie in Zeiten sich massiv verändernder Wertschöpfungsketten nicht schnell und konsequent genug handeln.

Strategisch aber umsetzungsstark: Die meisten Unternehmensstrategien orientieren sich an den Markt- und Wettbewerbsaussichten, an der technologischen Entwicklung und auch am Wandel der Kundenbedürfnisse. Der Schulterschluss mit der Unternehmerfamilie wird dabei oft nicht gesucht. Nur wenige Familienunternehmen haben eine – auf den Wertvorstellungen der Unternehmerfamilie basierende – klar kommunizierbare strategische Ausrichtung. Oftmals bietet der Generationswechsel, aber auch transformatorische Zeiten einen Anlass, die Unternehmensstrategie kritisch zu hinterfragen.

Professionell aber familiär: In Familienunternehmen sind privater und betrieblicher Bereich eng verzahnt. Daher kümmern sich Unternehmerfamilien richtiger Weise neben der Sicherung des Geschäfts auch um Maßnahmen, die dem Schutz der Familie und des Vermögens dienen. Gut aufgestellte Familienunternehmen haben eine professionelle Family Business Governance – wie z.B. eine ausformulierte Familienverfassung und einen Notfallplan. Transformatorische Zeiten sind ein geeigneter Bewährungstest dieser Instrumente für die Praxis.

Rollenbild aber New Work: In guten Familienunternehmen hat sich spätestens in der Coronapandemie gezeigt, was Führung neu denken bedeutet: Führung auf Distanz (mit professionellen Methoden), Führungstandems, Co-Leadership in der Arbeitszeit wie auch in den Aufgaben sowie ein neues Rollenverständnis für Führungskräfte, die sich zu Coaches entwickeln und dem Team mehr Eigenverantwortung geben. Führungskräfte von morgen werden dies weiter einfordern. Wenn in Familienunternehmen Frauen (und Männer) dadurch die Rollenerwartung an moderne Eltern und die an eine Führungskraft verbinden können, dann bedeutet das für Familienunternehmen einen immensen Vorteil im Wettbewerb um qualifizierte Führungskräfte.

Renditeorientiert aber sozial engagiert: Gerade für Unternehmerfamilien mit ihrem dynastischen Interesse hat der finanzielle Erfolg eine besondere Stellung. Unternehmerfamilien sind jedoch bereit, auf (zusätzliche) Gewinne zu verzichten, wenn sie damit einen bestimmten Impact erreichen: Das können ökologische, aber auch soziale Ziele sein, eine besondere nachhaltige Ausrichtung oder auch regionalpolitische Aktivitäten. In erfolgreichen Familienunternehmen laufen diese Aktivitäten strukturiert und abgestimmt ab. Und gute Familienunternehmen machen ihre sozialen Aktivitäten auf allen Kanälen erlebbar, online wie offline. Damit gewinnen sie die besten Köpfe, die glaubhafte Argumente für einen neuen Job bei genau diesem einen Unternehmen erwarten.

Schlank aber vernetzt: Familienunternehmen haftet immer noch das Image des (schwäbischen) Tüftlers an, der einsam in seinem Betrieb technologische Meisterleistungen entwickelt. Gute Familienunternehmen entwickeln ihre Produkte heute jedoch nah an und im Zusammenspiel mit dem Kunden. Nicht nur die Vertreter der NextGen haben erkannt, dass sie nicht als Solisten, sondern vor allem in Teams und Netzwerken erfolgreich sind. Kooperationen mit anderen Familienunternehmen, Start-ups und Beratern, die Familie und Unternehmen verstehen sind daher viel wichtiger geworden.

Agil aber etabliert: Die Transformation in einem über Generationen gewachsenen Familienunternehmen mit etablierten Strukturen zu verankern, erfordert viele gut geplante Schritte, einen langen Atem und den nachhaltigen Rückhalt der Eigentümerfamilie. Die NextGen setzt dabei deutlich stärker auf Eigenverantwortung und hat weniger Angst vor Kontrollverlust. Hinzu kommt eine unterstützende Führung, eine konsequente Erfolgsmessung sowie der Fokus auf Fortschritt durch stetige Verbesserung. Die NextGen ist auch hierfür in der Regel exzellent ausgebildet.

Beteiligen und finanzieren: Neben Finanzierungen aus Familienvermögen und dem Gang zur
Hausbank nutzen erfolgreiche Familienunternehmen im Rahmen einer ausgewogene Kapitalstruktur auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten. Immer wichtiger wird die Private Equity Finanzierung durch andere (ehemalige) Familienunternehmen, die oftmals nach dem Verkauf der operativen Einheiten ihr Vermögen bündeln und über Family Offices aktiv steuern. Gute Familienunternehmen suchen also auch unter Rendite- und Risikogesichtspunkten nach diversifizierten Anlagealternativen für das familiäre Kapital.

Lernen und wissen: In der klassischen Theorie der Betriebswirtschaftslehre geht man davon aus, dass ein Unternehmen erst produzieren kann, wenn die benötigten Produktionsfaktoren; Arbeit, Boden und Kapital vorhanden sind. Heute stellt Wissen eine weitere wesentliche Ressource dar. Die Fähigkeit erfolgreicher Familienunternehmen sich permanent weiterzuentwickeln wird im Zuge der Globalisierung und einer starken Nachfrage nach Dienstleistungen und wissensintensiven Produkten zu einer strategischen Ressource im Wertschöpfungsprozess. Wer in der Lage ist, neues Wissen zu generieren und zweckorientiert zu nutzen, wird auch zukünftig Erfolg haben. Wer dazu einen Beirat oder Aufsichtsrat als divers und kompetent besetzten Sparringspartner nutzt, bringt aus einem anderen Blickwinkel zusätzliches Wissen und Erfahrung in das Unternehmen.

Ein Fazit
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hängt in Deutschland ganz wesentlich vom familiengeführten Mittelstand ab. Erfolgreichen Familienunternehmen gelingt es besonders gut, einerseits Bewährtes zu bewahren und andererseits Impulse von außen oder aus der zukünftigen Unternehmergeneration zum Wohle des Unternehmens zu nutzen. Der Beitrag zeigt, dass die (scheinbaren) Gegensätze „Tradition und Innovation“ in erfolgreichen Familienunternehmen bestens vereinbar sind. Erfolgreiche Familienunternehmen sind konservativ und innovativ zugleich. Erfolgreiche Familienunternehmen beherrschen das Wechselspiel von Bewährtem und Neuem und haben immer wieder bewiesen, dass sie sich neu erfinden können. Hohe Anpassungsfähigkeit und die gelungene Mischung aus Innovation und Tradition, um dem dynastischen Anspruch gerecht zu werden, waren schon immer die Stärken der erfolgreichen Familienunternehmen.

Über die Autorin Prof. Dr. Birgit Felden

Prof. Dr. Birgit Felden beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Familienunternehmen: dem eigenen, in der Beratung und in Beirats- und Aufsichtsratsmandaten sowie in Forschung und Lehre und als Buchautorin. www.birgitfelden.de.

Als Gastkommentar gekennzeichnete Texte geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.

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