Dr. Marco Henry Neumueller in Neumueller notiert

Neumueller notiert: Stallgeruch versus frischer Wind oder warum Oliver Blume nun Herbert Diess beerbt

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Wenn es darum geht, den CEO eines Unternehmens neu zu besetzen, stellt sich oft die Frage: intern oder extern? Stallgeruch oder frischer Wind? Möchte man ein Spiegelbild des noch amtierenden Stelleninhabers oder will man neue Denkweisen zulassen?

Aktuell erleben wir wieder ein Stühlerücken in Wolfsburg. Herbert Diess wird Volkswagen verlassen. Irgendwie ist sich VW ja treu geblieben: Jeder Wechsel auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden verlief selten in geordneten Bahnen. Man denke an den Abgang von Bernd Pischetsrieder, Martin Winterkorn oder Matthias Müller. Auch sie haben das Unternehmen seinerzeit alle nicht ganz freiwillig verlassen.

Oliver Blume (54) soll es nun also richten. Der Porsche-Vorstandschef soll VW wieder in ruhiges Fahrwasser bringen. Was hat er, was andere nicht haben? Was bringt Oliver Blume mit, was seinem Vorgänger fehlte? Stallgeruch – er kennt das Machtgefüge zwischen Familien, Politik und Gewerkschaften. Dies ist in Europas größtem Automobilkonzern entscheidend, um länger am Steuer zu sitzen.

Es ist kein großes Geheimnis, dass Herbert Diess als BMW-Quereinsteiger stets etwas mit den ganz besonderen Verhältnissen in Wolfsburg fremdelte. IG Metall, die SPD-Landesregierung und nicht zuletzt die beiden mächtigen Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, die sich oft auch untereinander nicht grün sind, balancieren das Machtgefüge aus.

In diesem besonderen Geflecht hat ein Vorstandsvorsitzender keinen leichten Stand. Aber Herbert Diess ist auch an sich selbst gescheitert. Er gilt als unkonventionell, impulsiv und er polarisiert gerne. Man erinnere sich nur an seine Auftritte im Batman-Kostüm.

Aber auch die Unternehmensführung bei VW weist Mängel auf. Im Aufsichtsrat eines solchen Unternehmens würde man unabhängige Mitglieder erwarten. Das wäre üblich und sinnvoll. Sie würden die Interessen des Unternehmens und der freien Aktionäre vertreten. Aber es dominieren die Eigentümerfamilien. Gleichzeitig sitzt da auch noch das Land Niedersachsen als Anteilseigner, vertreten durch den Ministerpräsidenten des Bundeslandes. Und zu guter Letzt darf man auch die Arbeitnehmervertreter nicht unterschätzen, die traditionell schon in diesem Unternehmen eine recht starke Rolle einnehmen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass Herbert Diess in den vergangenen Jahren auch einiges erreicht hat. Er hat den automobilen Monolithen konsequent auf E-Mobilität getrimmt und dabei neue Fahrzeuge auf den Markt gebracht. In diesem Zuge setzte er auch auf eigene Software und Batterien. Den epochalen Wandel weg vom Verbrenner hin zu alternativen Antrieben und in Richtung Digitalisierung geht vornehmlich auf seinen Anstoß zurück.

Nun muss also Oliver Blume in die Fußstapfen seiner machtbewussten Vorgänger treten. Was unterscheidet ihn? Er bringt einen enormen Wissensvorsprung mit. Nicht nur ist er unweit des Stammwerkes in Braunschweig geboren, wo er nach seinem Abitur an der dortigen Universität Maschinenbau studierte, er gilt auch als Vertrauter der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch und genießt daher über den so wichtige Rückhalt in Familienunternehmen, der neben der fachlichen Eignung als Grundvoraussetzung nicht selten über Aufstieg und Rauswurf entscheidet.

Der Manager Blume gilt als umgänglicher, konzilianter und diplomatischer als sein Vorgänger. Ihm ist Teamspirit wichtig. Der Mannschaftssportler ist leidenschaftlicher Fußballspieler. Blume ist nicht nur Chef von Porsche, schon auch seit Jahren für die Produktionsplanung im gesamten VW-Konzern verantwortlich.

Was bei der Personalie aber verwundert, ist die Tatsache, dass Oliver Blume in Personalunion neben VW auch weiterhin Porsche führen soll. Das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, zumal Porsche gerade in der Vorbereitung auf einen Börsengang steckt, der in diesen volatilen Zeiten sicherlich alles andere als ein Selbstläufer sein dürfte.

Bleibt zu hoffen, dass man von dem neuen Heilsbringer Blume nicht zu viel erwartet. Vielleicht wird auch bereits hinter den Kulissen eifrig nach einem geeigneten neuen Porsche-Chef gesucht; und bis dieser gefunden wurde, soll etwas Ruhe einkehren nach dieser Vollbremsung in Wolfsburg.

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