Nils Seebach (Etribes)

Warum Family Offices dringend CTOs brauchen

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Nils Seebach, CFO der Digitalberatung Etribes, ist Digital-Unternehmer, Investor und Aufsichtsrat. Seine Expertise als Digital- und E-Commerce-Experte gibt er zudem als Beirat und Advisor an zahlreiche Unternehmerfamilien weiter.

Family Offices haben sich jahrelang dahingehend optimiert, Investments durch Top-Juristen und Ex-Banker im Team abzusichern. Das ist aber mittlerweile nur noch ein Hygienefaktor: Entscheidend ist heute eine tiefe Technologie-Expertise. Denn Wertsteigerung ist immer mehr direkt abhängig von Technologie. Ein eigener CTO bietet die Chance, die Kompetenzlücke zu schließen.

Die personelle Besetzung im Family Office ist das A und O

Unternehmerfamilien geben mit ihren Beteiligungen wichtige Impulse in den Wirtschaftskreislauf. Mit Blick auf die Veränderungen, die die immer weiter voranschreitende Digitalisierung mit sich bringt, zeigt sich aber, dass Family Offices oftmals noch nicht optimal aufgestellt sind.

Zunächst müssen vor allem die Gesellschafter verstehen, was zu tun ist. Denn nur aktive Großanleger, die selber wissen, wie bedeutsam die digitale Transformation ist, können ihr Portfolio „enkelfähig“ machen. Ihre Stellvertreter im Tagesgeschäft, die Family Officers, bekommen nur so eine klare Vorstellung von dem, was von ihnen erwartet wird: Wo kein Signal in Richtung digitale Welt kommt, sind entsprechende Initiativen und Investments direkt zum Scheitern verurteilt.

In den Family Offices selbst braucht es dann dringend personelle Veränderungen. Keine Angst, hier rollen keine Köpfe – es geht um Ergänzungen. Denn die klassische Zusammensetzung aus Ex-Unternehmensberatern, Ex-Investmentbankern und Top-Juristen reicht längst nicht mehr aus, um die Unternehmen, an denen man entscheidende Anteile hält, in die digitale Zukunft zu führen. Schon gar nicht taugt die Konstellation, um gewissenhaft Investments in Jungunternehmen zu tätigen oder M&A-Strategien mit Digitalcharakter umzusetzen.

Ein Wie-eh-und-je-Team hat sowohl in der Führung innerhalb des Family Offices als auch in den Aufsichts- und Beiräten der Portfoliounternehmen nur noch einen beschränkten Nutzen. An ihre Stelle gehören verstärkt Personen mit einem ausgewiesenen, technischen oder digitalen Hintergrund und – ganz wichtig – höchstpersönlichen Befugnissen von der Unternehmerfamilie, die digitale Transformation voranzutreiben. Eben ein CTO fürs Family Office.

Mit Technologie-Expertise gegen Kompetenzlücken

Das mag im ersten Moment vermessen klingen – in der Tat ist es erstaunlich, wie wenige Family Offices effizient digitales Talent für sich und für ihre Portfoliounternehmen anwerben! –, entwickelt im zweiten aber seinen vollen Reiz: Technologie bildet das Rückgrat eines jeden, zukunftsfähigen Geschäftsmodells. Wo immer analoge Prozesse heute noch laufen, werden sie morgen digitalisiert. Mit Lösungsorientierung und ein wenig Kapital können Jungunternehmen relativ schnell erst Nischen und dann komplette Segmente besetzen. Dadurch steigt der Wettbewerbsdruck selbst – oder gerade – für traditionsreiche Unternehmen: Plötzlich treten eigentlich branchenfremde Unternehmen auf den Plan, die gerade eben noch eine Handelsplattform für Konsumgüter betrieben haben und nun den B2B-Großhändlern oder gar Gesundheitsversorgern den Markt abgraben (ja, hier ist die Rede vom allgegenwärtigen Amazon).

Wenn es nun darum geht, a) das Bestandsportfolio zu digitalisieren, b) neue Beteiligungen zu erwirken oder sogar c) den Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle (etwa über Digital Units nahe des ureigenen Kerngeschäfts) zu forcieren, dann dürfen die Geldflüsse aus dem Family Office nicht allein von denen gesteuert werden, die gar nicht verstehen, was da „unter der Motorhaube“ passiert. Das wäre schlicht fahrlässig. Stattdessen bedarf es Leute, die mittels einer Digital Due Diligence einschätzen können, wie hoch Risiken und Chancen wirklich sind. Also: wie stark die zugrundeliegende Technologie einen USP darstellt. Schließlich hängt Wertsteigerung heute direkt vom Tech-Setup ab.

Die Frage ist nur: Wie schaffen Family Offices es, digitale Talente anzulocken? Dabei gilt es sicherlich, die moderne Klaviatur der Kanäle zu beherrschen: Ohne eine aussagekräftige Landing Page und gepflegte Profile bei LinkedIn oder Xing geht auch mit dem besten Headhunter in petto nichts.

„It’s no good just talking the talk, you gotta walk the walk.“

Viel wichtiger als die tatsächliche, gezielte Suche ist aber etwas anderes: Wer auf LinkedIn & Co. versucht, einen potentiellen CTO fürs Family Office zu ködern oder viel Geld in die besten Headhunter investiert, der sollte zugleich die digitale Transformation der eigenen Arbeitsprozessen mit aller Kraft vorantreiben. Das klingt banal, aber die Gefahr, ein digitales Talent nach kurzer Zeit zu vergraulen, ist hoch. Wenn es im Hiring-Prozess nämlich heißt, dass man im Family Office „natürlich offen für agiles Arbeiten und moderne Tools ist“, die Realität dann aber anders aussieht, sind die neuen Köpfe noch vor Ende der Probezeit wieder weg.

Um Klartext zu reden: In den meisten Family Offices wird eben immer noch nicht mit modernen Tools gearbeitet. So wird der Dealflow noch in Excel anstatt in zeitgemäßen SaaS-Lösungen abgebildet und dezentrales Arbeiten ist – trotz der pandemiebedingten Notwendigkeit – oft noch ein Fremdwort. Auch die Cloud gilt wegen althergebrachter Sicherheitsbedenken als großes Problem, weshalb sehr viele Family Offices noch in gestriger Dokumenten-Logik mit Herlitz-Ordnern organisiert sind. Das schreckt nicht nur digitale Talente ab, sondern ist auch regelrecht ineffizient. Vor allem dann, wenn Family Offices im Startup-Spiel wirklich, wirklich die besten Karten haben wollen.

Bildquelle: Etribe

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